Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785.Instruction reden können, darfst du nur die Leichenvorzählen, die der Menschenfeind, Selbst- mord, in nahen und fernen Landen seit kurzem gehäufet hat, und sie werden dich deines Weges gehen lassen. Wo nicht: so führe sie stilischweigend in die Gesell- schaften, in denen der Selbstmord seine Lobredner, und, wer soll es glauben? seine Lobrednerinnen findet: in Schrift- stellerstuben, die die schwarze Mühe ken- nen, die ihre Bewohner an der Empfeh- lung solcher Grundsätze verschwenden, deren Befolgung mit dem Selbstmorde endet: in Romanen-Bibliotheken, wo die Helden und Heldinnen wetteifern die Last des Lebens, und der Liebe mit ei- nemmale wegzuwerfen: in Schauspiele[n], die es als erste Tapferkeit preisen, ein Mörder seiner selbst zu werden: zu Toiletten, wo Schriften, die alle Ar- ten von überspannten Gefühlen predigen, als Lieblingslectüre oben an zu stehen die Ehre haben, und das Vorrecht, in den täglichen Putzstunden als einzige Lebens- weisheit
Inſtruction reden koͤnnen, darfſt du nur die Leichenvorzaͤhlen, die der Menſchenfeind, Selbſt- mord, in nahen und fernen Landen ſeit kurzem gehaͤufet hat, und ſie werden dich deines Weges gehen laſſen. Wo nicht: ſo fuͤhre ſie ſtiliſchweigend in die Geſell- ſchaften, in denen der Selbſtmord ſeine Lobredner, und, wer ſoll es glauben? ſeine Lobrednerinnen findet: in Schrift- ſtellerſtuben, die die ſchwarze Muͤhe ken- nen, die ihre Bewohner an der Empfeh- lung ſolcher Grundſaͤtze verſchwenden, deren Befolgung mit dem Selbſtmorde endet: in Romanen-Bibliotheken, wo die Helden und Heldinnen wetteifern die Laſt des Lebens, und der Liebe mit ei- nemmale wegzuwerfen: in Schauſpiele[n], die es als erſte Tapferkeit preiſen, ein Moͤrder ſeiner ſelbſt zu werden: zu Toiletten, wo Schriften, die alle Ar- ten von uͤberſpannten Gefuͤhlen predigen, als Lieblingslectuͤre oben an zu ſtehen die Ehre haben, und das Vorrecht, in den taͤglichen Putzſtunden als einzige Lebens- weisheit
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reden koͤnnen, darfſt du nur die Leichen
vorzaͤhlen, die der Menſchenfeind, Selbſt-
mord, in nahen und fernen Landen ſeit
kurzem gehaͤufet hat, und ſie werden dich
deines Weges gehen laſſen. Wo nicht:
ſo fuͤhre ſie ſtiliſchweigend in die Geſell-
ſchaften, in denen der Selbſtmord ſeine
Lobredner, und, wer ſoll es glauben?
ſeine Lobrednerinnen findet: in Schrift-
ſtellerſtuben, die die ſchwarze Muͤhe ken-
nen, die ihre Bewohner an der Empfeh-
lung ſolcher Grundſaͤtze verſchwenden,
deren Befolgung mit dem Selbſtmorde
endet: in Romanen-Bibliotheken, wo
die Helden und Heldinnen wetteifern die
Laſt des Lebens, und der Liebe mit ei-
nemmale wegzuwerfen: in Schauſpielen,
die es als erſte Tapferkeit preiſen, ein
Moͤrder ſeiner ſelbſt zu werden: zu
Toiletten, wo Schriften, die alle Ar-
ten von uͤberſpannten Gefuͤhlen predigen,
als Lieblingslectuͤre oben an zu ſtehen die
Ehre haben, und das Vorrecht, in den
taͤglichen Putzſtunden als einzige Lebens-
weisheit
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