Ich weis nicht, in wie ferne er aus über- legtem Entschlusse und mit Bewußtseyn des Erfolges, der Flamme entgegen gegangen sey, oder ob ihn nicht etwa eine unsicht- bare Gewalt in den Rachen der Flamme hineingeworfen habe.
Ferners
Wenn der Weise sagt: verdamme den Selbstmörder nicht, so folget dar- aus nicht, daß an der individuelen Hand- lung dieses Selbstmordes nichts verdam- menswürdiges sey: so wenig daraus folgt, daß sie den höchsten Grad der Verdammens- würdigkeit erreicht habe. Das Wort, ver- damme nicht, ist nur so viel sagend: "falle dem Richter nicht in die Wage: du kannst weder die tausendmal tausend Einflüsse des Temperaments, der Erzie- hung, der Vorurtheile, der Unerkenntniß, der Ueberredung, der Beyspiele, der Ver- führung, der Irrungen, der Schwermuth, der Leidenschaft etc. auf die selbstmordende Handlung, noch das Aufbürdliche oder Un- aufbürdliche aller dieser Ingredienzen, noch
auch
O
Von den Bewahrungsmitteln ꝛc.
Ich weis nicht, in wie ferne er aus uͤber- legtem Entſchluſſe und mit Bewußtſeyn des Erfolges, der Flamme entgegen gegangen ſey, oder ob ihn nicht etwa eine unſicht- bare Gewalt in den Rachen der Flamme hineingeworfen habe.
Ferners
Wenn der Weiſe ſagt: verdamme den Selbſtmoͤrder nicht, ſo folget dar- aus nicht, daß an der individuelen Hand- lung dieſes Selbſtmordes nichts verdam- menswuͤrdiges ſey: ſo wenig daraus folgt, daß ſie den hoͤchſten Grad der Verdammens- wuͤrdigkeit erreicht habe. Das Wort, ver- damme nicht, iſt nur ſo viel ſagend: „falle dem Richter nicht in die Wage: du kannſt weder die tauſendmal tauſend Einfluͤſſe des Temperaments, der Erzie- hung, der Vorurtheile, der Unerkenntniß, der Ueberredung, der Beyſpiele, der Ver- fuͤhrung, der Irrungen, der Schwermuth, der Leidenſchaft ꝛc. auf die ſelbſtmordende Handlung, noch das Aufbuͤrdliche oder Un- aufbuͤrdliche aller dieſer Ingredienzen, noch
auch
O
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0221"n="209"/><fwplace="top"type="header">Von den Bewahrungsmitteln ꝛc.</fw><lb/>
Ich weis nicht, in wie ferne er aus uͤber-<lb/>
legtem Entſchluſſe und mit Bewußtſeyn des<lb/>
Erfolges, der Flamme entgegen gegangen<lb/>ſey, oder ob ihn nicht etwa eine unſicht-<lb/>
bare Gewalt in den Rachen der Flamme<lb/>
hineingeworfen habe.</p><lb/><p><hirendition="#c"><hirendition="#fr">Ferners</hi></hi></p><lb/><p>Wenn der Weiſe ſagt: <hirendition="#fr">verdamme<lb/>
den Selbſtmoͤrder nicht</hi>, ſo folget dar-<lb/>
aus nicht, daß an der individuelen Hand-<lb/>
lung <hirendition="#fr">dieſes</hi> Selbſtmordes nichts verdam-<lb/>
menswuͤrdiges ſey: ſo wenig daraus folgt,<lb/>
daß ſie den hoͤchſten Grad der Verdammens-<lb/>
wuͤrdigkeit erreicht habe. Das Wort, <hirendition="#fr">ver-<lb/>
damme nicht</hi>, iſt nur ſo viel ſagend:<lb/>„falle dem Richter nicht in die Wage:<lb/>
du kannſt weder die tauſendmal tauſend<lb/>
Einfluͤſſe des Temperaments, der Erzie-<lb/>
hung, der Vorurtheile, der Unerkenntniß,<lb/>
der Ueberredung, der Beyſpiele, der Ver-<lb/>
fuͤhrung, der Irrungen, der Schwermuth,<lb/>
der Leidenſchaft ꝛc. auf die ſelbſtmordende<lb/>
Handlung, noch das Aufbuͤrdliche oder Un-<lb/>
aufbuͤrdliche aller dieſer Ingredienzen, noch<lb/><fwplace="bottom"type="sig">O</fw><fwplace="bottom"type="catch">auch</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[209/0221]
Von den Bewahrungsmitteln ꝛc.
Ich weis nicht, in wie ferne er aus uͤber-
legtem Entſchluſſe und mit Bewußtſeyn des
Erfolges, der Flamme entgegen gegangen
ſey, oder ob ihn nicht etwa eine unſicht-
bare Gewalt in den Rachen der Flamme
hineingeworfen habe.
Ferners
Wenn der Weiſe ſagt: verdamme
den Selbſtmoͤrder nicht, ſo folget dar-
aus nicht, daß an der individuelen Hand-
lung dieſes Selbſtmordes nichts verdam-
menswuͤrdiges ſey: ſo wenig daraus folgt,
daß ſie den hoͤchſten Grad der Verdammens-
wuͤrdigkeit erreicht habe. Das Wort, ver-
damme nicht, iſt nur ſo viel ſagend:
„falle dem Richter nicht in die Wage:
du kannſt weder die tauſendmal tauſend
Einfluͤſſe des Temperaments, der Erzie-
hung, der Vorurtheile, der Unerkenntniß,
der Ueberredung, der Beyſpiele, der Ver-
fuͤhrung, der Irrungen, der Schwermuth,
der Leidenſchaft ꝛc. auf die ſelbſtmordende
Handlung, noch das Aufbuͤrdliche oder Un-
aufbuͤrdliche aller dieſer Ingredienzen, noch
auch
O
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_selbstmord_1785/221>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.