Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785.Gründe wider den Selbstmord. Wenn nun aber der Fürst, der Ehe- Denken wir, wie uns zu Herze wäre diesen der Hand, seinen Entschluß zu überlegen schei-
net; so laß dich den Schein nicht trügen. Es ist die wilde, halsstärrige Gemüthsstille der verstocktesten Selbsthasser, der Gipfel al- ler Wuth, der die Vernunft noch weiter von ihnen verbannet, als das Toben der ausgelas- senen Verzweiflung; denn diese brauset öfter in Worten aus, ohne bis zur entsetzlichen That empor zu schäumen." (vermischte Philos. Schriften, I. B. Dreyzehnter Brief.) Gruͤnde wider den Selbſtmord. Wenn nun aber der Fuͤrſt, der Ehe- Denken wir, wie uns zu Herze waͤre dieſen der Hand, ſeinen Entſchluß zu uͤberlegen ſchei-
net; ſo laß dich den Schein nicht truͤgen. Es iſt die wilde, halsſtaͤrrige Gemuͤthsſtille der verſtockteſten Selbſthaſſer, der Gipfel al- ler Wuth, der die Vernunft noch weiter von ihnen verbannet, als das Toben der ausgelaſ- ſenen Verzweiflung; denn dieſe brauſet oͤfter in Worten aus, ohne bis zur entſetzlichen That empor zu ſchaͤumen.“ (vermiſchte Philoſ. Schriften, I. B. Dreyzehnter Brief.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0023" n="11"/> <fw place="top" type="header">Gruͤnde wider den Selbſtmord.</fw><lb/> <p>Wenn nun aber der Fuͤrſt, der Ehe-<lb/> gatte, der Sohn, der Freund an ſich ſelbſt<lb/> Hand anlegt, und ſich der Familie, den<lb/> Freunden, dem Vaterlande raubt, dann<lb/> iſt’s nicht bloß <hi rendition="#fr">Schmerz,</hi> der uns das Herz<lb/> zerreißt: es iſt ein <hi rendition="#fr">Schauer,</hi> der den<lb/> Strom unſerer Empfindungen aufhaͤlt;<lb/> es iſt ein Entſetzen der Natur, das uns nicht<lb/> zum Weinen kommen laͤßt; es iſt eine<lb/><hi rendition="#fr">Spannung</hi> unſerer Gefuͤhle, von der wir<lb/> nicht ſo leicht zuruͤck kommen; es iſt eine<lb/><hi rendition="#fr">Zerruͤttung</hi> der Empfindungen, die ſich nicht<lb/> beſchreiben, nur empfinden laͤßt.</p><lb/> <p>Denken wir, wie uns zu Herze waͤre<lb/> im Augenblick, wo wir vor einem hohen<lb/> Thurme vorbey giengen, und man uns ſag-<lb/> te: Der edle Juͤngling da, deß Hirnmark<lb/> <fw place="bottom" type="catch">dieſen</fw><lb/><note xml:id="note01part04" prev="#note01part03" place="foot" n="(a)">der Hand, ſeinen Entſchluß zu uͤberlegen ſchei-<lb/> net; ſo laß dich den Schein nicht truͤgen.<lb/> Es iſt die wilde, halsſtaͤrrige Gemuͤthsſtille<lb/> der verſtockteſten Selbſthaſſer, der Gipfel al-<lb/> ler Wuth, der die Vernunft noch weiter von<lb/> ihnen verbannet, als das Toben der ausgelaſ-<lb/> ſenen Verzweiflung; denn dieſe brauſet oͤfter<lb/> in Worten aus, ohne bis zur entſetzlichen That<lb/> empor zu ſchaͤumen.“ (vermiſchte Philoſ.<lb/> Schriften, <hi rendition="#aq">I.</hi> B. Dreyzehnter Brief.)</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [11/0023]
Gruͤnde wider den Selbſtmord.
Wenn nun aber der Fuͤrſt, der Ehe-
gatte, der Sohn, der Freund an ſich ſelbſt
Hand anlegt, und ſich der Familie, den
Freunden, dem Vaterlande raubt, dann
iſt’s nicht bloß Schmerz, der uns das Herz
zerreißt: es iſt ein Schauer, der den
Strom unſerer Empfindungen aufhaͤlt;
es iſt ein Entſetzen der Natur, das uns nicht
zum Weinen kommen laͤßt; es iſt eine
Spannung unſerer Gefuͤhle, von der wir
nicht ſo leicht zuruͤck kommen; es iſt eine
Zerruͤttung der Empfindungen, die ſich nicht
beſchreiben, nur empfinden laͤßt.
Denken wir, wie uns zu Herze waͤre
im Augenblick, wo wir vor einem hohen
Thurme vorbey giengen, und man uns ſag-
te: Der edle Juͤngling da, deß Hirnmark
dieſen
(a)
(a) der Hand, ſeinen Entſchluß zu uͤberlegen ſchei-
net; ſo laß dich den Schein nicht truͤgen.
Es iſt die wilde, halsſtaͤrrige Gemuͤthsſtille
der verſtockteſten Selbſthaſſer, der Gipfel al-
ler Wuth, der die Vernunft noch weiter von
ihnen verbannet, als das Toben der ausgelaſ-
ſenen Verzweiflung; denn dieſe brauſet oͤfter
in Worten aus, ohne bis zur entſetzlichen That
empor zu ſchaͤumen.“ (vermiſchte Philoſ.
Schriften, I. B. Dreyzehnter Brief.)
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |