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Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785.

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Gründe wider den Selbstmord.
terliche Ausschweifungen des Her-
zens, oder schauervolle Verirrun-
gen des Verstandes, oder, was ge-
wöhnlicher ist, beydes zugleich --
allemal Schwäche, bemitleidens-
würdige Schwäche.

Die That selbst ist auf einer
Seite fast immer qualvoller als al-
les Elend, wovon man sich durch
den Selbstmord zu befreyen sucht,
und auf der andern sinnlose Wut
gegen seine Natur, unersetzliche Zer-
störung der menschlichen Existenz. --

Die Folgen, bloß in Absicht
auf die Person des Selbstmörders,
sind graunvoll genug, als: Unfä-
higkeit,
neue Verdienste um das
Wohl der Menschen zu sammeln;
Unfähigkeit, die unnennbaren Freu-
den, die überwundene Versuchung
zum Selbstmorde verschaffet haben
würde, zu geniessen; Unfähigkeit,
dem Schöpfer für die schöne Mor-
genröthe, die nach etlichen finstern

Stun-

Gruͤnde wider den Selbſtmord.
terliche Ausſchweifungen des Her-
zens, oder ſchauervolle Verirrun-
gen des Verſtandes, oder, was ge-
woͤhnlicher iſt, beydes zugleich —
allemal Schwaͤche, bemitleidens-
wuͤrdige Schwaͤche.

Die That ſelbſt iſt auf einer
Seite faſt immer qualvoller als al-
les Elend, wovon man ſich durch
den Selbſtmord zu befreyen ſucht,
und auf der andern ſinnloſe Wut
gegen ſeine Natur, unerſetzliche Zer-
ſtoͤrung der menſchlichen Exiſtenz. —

Die Folgen, bloß in Abſicht
auf die Perſon des Selbſtmoͤrders,
ſind graunvoll genug, als: Unfaͤ-
higkeit,
neue Verdienſte um das
Wohl der Menſchen zu ſammeln;
Unfaͤhigkeit, die unnennbaren Freu-
den, die uͤberwundene Verſuchung
zum Selbſtmorde verſchaffet haben
wuͤrde, zu genieſſen; Unfaͤhigkeit,
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genroͤthe, die nach etlichen finſtern

Stun-
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[75/0087] Gruͤnde wider den Selbſtmord. terliche Ausſchweifungen des Her- zens, oder ſchauervolle Verirrun- gen des Verſtandes, oder, was ge- woͤhnlicher iſt, beydes zugleich — allemal Schwaͤche, bemitleidens- wuͤrdige Schwaͤche. Die That ſelbſt iſt auf einer Seite faſt immer qualvoller als al- les Elend, wovon man ſich durch den Selbſtmord zu befreyen ſucht, und auf der andern ſinnloſe Wut gegen ſeine Natur, unerſetzliche Zer- ſtoͤrung der menſchlichen Exiſtenz. — Die Folgen, bloß in Abſicht auf die Perſon des Selbſtmoͤrders, ſind graunvoll genug, als: Unfaͤ- higkeit, neue Verdienſte um das Wohl der Menſchen zu ſammeln; Unfaͤhigkeit, die unnennbaren Freu- den, die uͤberwundene Verſuchung zum Selbſtmorde verſchaffet haben wuͤrde, zu genieſſen; Unfaͤhigkeit, dem Schoͤpfer fuͤr die ſchoͤne Mor- genroͤthe, die nach etlichen finſtern Stun-

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Zitationshilfe: Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_selbstmord_1785/87>, abgerufen am 24.11.2024.