So sey zum Beweise des Satzes, dass die Milch, die das Kind sauget, auf die Bil- dung seines Charakters Einfluss habe, fol- gendes Beyspiel hingesetzt:
"Ein gewisses Frauenzimmer, von un- bescholtenen Sitten, brachte Zwillinge zur Welt. Ob sie gleich ihre Kinder sonst selbst zu stillen pflegte, so glaubte sie doch, dass ihre Kraefte diessmal nicht hinlaenglich wae- ren, zweyen zugleich die Brust zu reichen. Sie übergab also das eine einer Amme. Zur Zeit der Entwöhnung war zwischen beyden ein so auffallender Unterschied sichtbar, dass man sie kaum für Geschwister haette halten sollen. Das Kind, das der Mutter Brust ge- sogen hatte, war freundlich, sanft und folg- sam, das Pflegekind der Amme hingegen, haemisch, eigensinnig und störrisch. Bey- der Charakter war in ihren Gesichtern abge- druckt, und hatte ihre Züge und Mienen bestimmt."
Ist
(H 5)
So ſey zum Beweiſe des Satzes, daſs die Milch, die das Kind ſauget, auf die Bil- dung ſeines Charakters Einfluſs habe, fol- gendes Beyſpiel hingeſetzt:
“Ein gewiſſes Frauenzimmer, von un- beſcholtenen Sitten, brachte Zwillinge zur Welt. Ob ſie gleich ihre Kinder ſonſt ſelbſt zu ſtillen pflegte, ſo glaubte ſie doch, daſs ihre Kræfte dieſsmal nicht hinlænglich wæ- ren, zweyen zugleich die Bruſt zu reichen. Sie übergab alſo das eine einer Amme. Zur Zeit der Entwöhnung war zwiſchen beyden ein ſo auffallender Unterſchied ſichtbar, daſs man ſie kaum für Geſchwiſter hætte halten ſollen. Das Kind, das der Mutter Bruſt ge- ſogen hatte, war freundlich, ſanft und folg- ſam, das Pflegekind der Amme hingegen, hæmiſch, eigenſinnig und ſtörriſch. Bey- der Charakter war in ihren Geſichtern abge- druckt, und hatte ihre Züge und Mienen beſtimmt.”
Iſt
(H 5)
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So ſey zum Beweiſe des Satzes, daſs
die Milch, die das Kind ſauget, auf die Bil-
dung ſeines Charakters Einfluſs habe, fol-
gendes Beyſpiel hingeſetzt:
“Ein gewiſſes Frauenzimmer, von un-
beſcholtenen Sitten, brachte Zwillinge zur
Welt. Ob ſie gleich ihre Kinder ſonſt ſelbſt
zu ſtillen pflegte, ſo glaubte ſie doch, daſs
ihre Kræfte dieſsmal nicht hinlænglich wæ-
ren, zweyen zugleich die Bruſt zu reichen.
Sie übergab alſo das eine einer Amme. Zur
Zeit der Entwöhnung war zwiſchen beyden
ein ſo auffallender Unterſchied ſichtbar, daſs
man ſie kaum für Geſchwiſter hætte halten
ſollen. Das Kind, das der Mutter Bruſt ge-
ſogen hatte, war freundlich, ſanft und folg-
ſam, das Pflegekind der Amme hingegen,
hæmiſch, eigenſinnig und ſtörriſch. Bey-
der Charakter war in ihren Geſichtern abge-
druckt, und hatte ihre Züge und Mienen
beſtimmt.”
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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/131>, abgerufen am 21.11.2024.
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