nicht dasselbe aufspüren, und sich damit auf die Seite schleichen werde. Ueberdiess giebt es viele Gewinnsüchtige, die den jungen Leuten dergleichen Bücher, gegen Erlegung eines gewissen Geldes, zustecken.
Vielleicht wendet man ein, diess sey nicht möglich, weil die jungen Leute unter bestaendiger Aufsicht waeren. Allein wenn die Begierde nach solchen Schriften einmal er wacht ist, so ist sie ausnehmend sinnreich, die Wachsamkeit der Vorgesetzten zu hinter- gehen. Ich weiss Exempel, dass Schüler, die unter der schaerfsten Aufsicht und Zucht standen, doch, ohne entdeckt zu werden, bestaendig die schaendlichsten Bücher lasen. Sie führten sie stets bey sich. Wann sie stu- dieren sollten, lag vor ihnen ein nützliches Buch, und neben demselben das schaedliche, das sogleich verschwand, sobald ein Aufseher der Stube sich naeherte. Waren sie in der Schule, so lag auf der Tafel der Virgil oder das neue Testament, und auf dem Knie ein
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Von heimlichen Sünden. (K)
nicht daſſelbe aufſpüren, und ſich damit auf die Seite ſchleichen werde. Ueberdieſs giebt es viele Gewinnſüchtige, die den jungen Leuten dergleichen Bücher, gegen Erlegung eines gewiſſen Geldes, zuſtecken.
Vielleicht wendet man ein, dieſs ſey nicht möglich, weil die jungen Leute unter beſtændiger Aufſicht wæren. Allein wenn die Begierde nach ſolchen Schriften einmal er wacht iſt, ſo iſt ſie ausnehmend ſinnreich, die Wachſamkeit der Vorgeſetzten zu hinter- gehen. Ich weiſs Exempel, daſs Schüler, die unter der ſchærfſten Aufſicht und Zucht ſtanden, doch, ohne entdeckt zu werden, beſtændig die ſchændlichſten Bücher laſen. Sie führten ſie ſtets bey ſich. Wann ſie ſtu- dieren ſollten, lag vor ihnen ein nützliches Buch, und neben demſelben das ſchædliche, das ſogleich verſchwand, ſobald ein Aufſeher der Stube ſich næherte. Waren ſie in der Schule, ſo lag auf der Tafel der Virgil oder das neue Teſtament, und auf dem Knie ein
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Von heimlichen Sünden. (K)
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nicht daſſelbe aufſpüren, und ſich damit auf
die Seite ſchleichen werde. Ueberdieſs giebt
es viele Gewinnſüchtige, die den jungen
Leuten dergleichen Bücher, gegen Erlegung
eines gewiſſen Geldes, zuſtecken.
Vielleicht wendet man ein, dieſs ſey
nicht möglich, weil die jungen Leute unter
beſtændiger Aufſicht wæren. Allein wenn
die Begierde nach ſolchen Schriften einmal
er wacht iſt, ſo iſt ſie ausnehmend ſinnreich,
die Wachſamkeit der Vorgeſetzten zu hinter-
gehen. Ich weiſs Exempel, daſs Schüler,
die unter der ſchærfſten Aufſicht und Zucht
ſtanden, doch, ohne entdeckt zu werden,
beſtændig die ſchændlichſten Bücher laſen.
Sie führten ſie ſtets bey ſich. Wann ſie ſtu-
dieren ſollten, lag vor ihnen ein nützliches
Buch, und neben demſelben das ſchædliche,
das ſogleich verſchwand, ſobald ein Aufſeher
der Stube ſich næherte. Waren ſie in der
Schule, ſo lag auf der Tafel der Virgil oder
das neue Teſtament, und auf dem Knie ein
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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/155>, abgerufen am 24.11.2024.
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