Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Reiz zu geben, der die Begierden bis zur
Wuth treiben kann. Die aufgetragnen Ge-
schaefte sind viel zu schwach, das Kind von
diesen Gauckeleyen der Einbildungskraft ab-
zubringen. Die Betrachtung eines wollü-
ftigen Bildes wird für dasselbe immer mehr
Reiz haben, als die beste syntaktische Regel,
oder die schönste Stelle aus dem Cicero.
Die Staerke der Einbildungskraft, wird auf
alle Saefie und Nerven wirken, und zu man-
nichfaltigem Muthwillen verleiten, der mit
aller Zügellosigkeit getrieben werden kann,
da der Zeuge fehlt, dessen Anblick und Er-
innerung den jungen Wollüstling von seinem
Muthwillen zurückscheuchen könnte. Da-
her sind alle Winkel, alle Zimmer, wo die
Jugend ohne Zeugen ist, für sie höchst ge-
faehrliche Oerter; wovon ich so überzeugt
bin, dass ich eine sehr ungünstige Meynung
von den Einsichten der Eltern und Erzieher
habe, die ihren Kindern, ohne die drin-
gendste Nothwendigkeit, die Einsam-
keit erlauben. Zum Beweise will ich kein

beson-

Reiz zu geben, der die Begierden bis zur
Wuth treiben kann. Die aufgetragnen Ge-
ſchæfte ſind viel zu ſchwach, das Kind von
dieſen Gauckeleyen der Einbildungskraft ab-
zubringen. Die Betrachtung eines wollü-
ftigen Bildes wird für daſſelbe immer mehr
Reiz haben, als die beſte ſyntaktiſche Regel,
oder die ſchönſte Stelle aus dem Cicero.
Die Stærke der Einbildungskraft, wird auf
alle Sæfie und Nerven wirken, und zu man-
nichfaltigem Muthwillen verleiten, der mit
aller Zügelloſigkeit getrieben werden kann,
da der Zeuge fehlt, deſſen Anblick und Er-
innerung den jungen Wollüſtling von ſeinem
Muthwillen zurückſcheuchen könnte. Da-
her ſind alle Winkel, alle Zimmer, wo die
Jugend ohne Zeugen iſt, für ſie höchſt ge-
fæhrliche Oerter; wovon ich ſo überzeugt
bin, daſs ich eine ſehr ungünſtige Meynung
von den Einſichten der Eltern und Erzieher
habe, die ihren Kindern, ohne die drin-
gendſte Nothwendigkeit, die Einſam-
keit erlauben. Zum Beweiſe will ich kein

beſon-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0200" n="190"/>
Reiz zu geben, der die Begierden bis zur<lb/>
Wuth treiben kann. Die aufgetragnen Ge-<lb/>
&#x017F;chæfte &#x017F;ind viel zu &#x017F;chwach, das Kind von<lb/>
die&#x017F;en Gauckeleyen der Einbildungskraft ab-<lb/>
zubringen. Die Betrachtung eines wollü-<lb/>
ftigen Bildes wird für da&#x017F;&#x017F;elbe immer mehr<lb/>
Reiz haben, als die be&#x017F;te &#x017F;yntakti&#x017F;che Regel,<lb/>
oder die &#x017F;chön&#x017F;te Stelle aus dem Cicero.<lb/>
Die Stærke der Einbildungskraft, wird auf<lb/>
alle Sæfie und Nerven wirken, und zu man-<lb/>
nichfaltigem Muthwillen verleiten, der mit<lb/>
aller Zügello&#x017F;igkeit getrieben werden kann,<lb/>
da der Zeuge fehlt, de&#x017F;&#x017F;en Anblick und Er-<lb/>
innerung den jungen Wollü&#x017F;tling von &#x017F;einem<lb/>
Muthwillen zurück&#x017F;cheuchen könnte. Da-<lb/>
her &#x017F;ind alle Winkel, alle Zimmer, wo die<lb/>
Jugend ohne Zeugen i&#x017F;t, für &#x017F;ie höch&#x017F;t ge-<lb/>
fæhrliche Oerter; wovon ich &#x017F;o überzeugt<lb/>
bin, da&#x017F;s ich eine &#x017F;ehr ungün&#x017F;tige Meynung<lb/>
von den Ein&#x017F;ichten der Eltern und Erzieher<lb/>
habe, die ihren Kindern, ohne die drin-<lb/>
gend&#x017F;te Nothwendigkeit, die Ein&#x017F;am-<lb/>
keit erlauben. Zum Bewei&#x017F;e will ich kein<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">be&#x017F;on-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[190/0200] Reiz zu geben, der die Begierden bis zur Wuth treiben kann. Die aufgetragnen Ge- ſchæfte ſind viel zu ſchwach, das Kind von dieſen Gauckeleyen der Einbildungskraft ab- zubringen. Die Betrachtung eines wollü- ftigen Bildes wird für daſſelbe immer mehr Reiz haben, als die beſte ſyntaktiſche Regel, oder die ſchönſte Stelle aus dem Cicero. Die Stærke der Einbildungskraft, wird auf alle Sæfie und Nerven wirken, und zu man- nichfaltigem Muthwillen verleiten, der mit aller Zügelloſigkeit getrieben werden kann, da der Zeuge fehlt, deſſen Anblick und Er- innerung den jungen Wollüſtling von ſeinem Muthwillen zurückſcheuchen könnte. Da- her ſind alle Winkel, alle Zimmer, wo die Jugend ohne Zeugen iſt, für ſie höchſt ge- fæhrliche Oerter; wovon ich ſo überzeugt bin, daſs ich eine ſehr ungünſtige Meynung von den Einſichten der Eltern und Erzieher habe, die ihren Kindern, ohne die drin- gendſte Nothwendigkeit, die Einſam- keit erlauben. Zum Beweiſe will ich kein beſon-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/200
Zitationshilfe: Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/200>, abgerufen am 21.11.2024.