nen, und doch immer sorttrinken, ohne dass es ihnen möglich waere, über die tief eingewurzelte Gewohnheit zu siegen: so können leicht auch solche Verirrte, wenn sie in der Folge zu bessern Einsichten kom- men, nicht mehr Kraft genug haben, sich ein so nothwendig gemachtes Bedürfniss ab- zugewöhnen, und gezwungen seyn, eine Le- bensart fortzusetzen, welche ihr Gewissen verdammt und verabscheut. Welches wohl ein sehr schrecklicher Zustand seyn mag.
Wer also diesen Sünden sich ergiebt, gleicht einem Unbesonnem, der von der Spit- ze eines sehr steilen Gebirgs herabzulaufen anfaengt. Er weis nicht wie weit er laufen wird. Es kann seyn, dass er im Laufe ei- nen Stamm antrift, an den er sich halten kann, es kann aber auch seyn, dass der Ab- hang des Bergs ihn nöthigt, auch wider seinen Willen, fortzulaufen, und sich in ei- nen Abgrund zu stürzen, den er am Ende seiner Laufbahn mit Entsetzen und Grausen
erblickt.
nen, und doch immer ſorttrinken, ohne daſs es ihnen möglich wære, über die tief eingewurzelte Gewohnheit zu ſiegen: ſo können leicht auch ſolche Verirrte, wenn ſie in der Folge zu beſſern Einſichten kom- men, nicht mehr Kraft genug haben, ſich ein ſo nothwendig gemachtes Bedürfniſs ab- zugewöhnen, und gezwungen ſeyn, eine Le- bensart fortzuſetzen, welche ihr Gewiſſen verdammt und verabſcheut. Welches wohl ein ſehr ſchrecklicher Zuſtand ſeyn mag.
Wer alſo dieſen Sünden ſich ergiebt, gleicht einem Unbeſonnem, der von der Spit- ze eines ſehr ſteilen Gebirgs herabzulaufen anfængt. Er weis nicht wie weit er laufen wird. Es kann ſeyn, daſs er im Laufe ei- nen Stamm antrift, an den er ſich halten kann, es kann aber auch ſeyn, daſs der Ab- hang des Bergs ihn nöthigt, auch wider ſeinen Willen, fortzulaufen, und ſich in ei- nen Abgrund zu ſtürzen, den er am Ende ſeiner Laufbahn mit Entſetzen und Grauſen
erblickt.
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nen, und doch immer ſorttrinken, ohne
daſs es ihnen möglich wære, über die tief
eingewurzelte Gewohnheit zu ſiegen: ſo
können leicht auch ſolche Verirrte, wenn
ſie in der Folge zu beſſern Einſichten kom-
men, nicht mehr Kraft genug haben, ſich
ein ſo nothwendig gemachtes Bedürfniſs ab-
zugewöhnen, und gezwungen ſeyn, eine Le-
bensart fortzuſetzen, welche ihr Gewiſſen
verdammt und verabſcheut. Welches wohl
ein ſehr ſchrecklicher Zuſtand ſeyn mag.
Wer alſo dieſen Sünden ſich ergiebt,
gleicht einem Unbeſonnem, der von der Spit-
ze eines ſehr ſteilen Gebirgs herabzulaufen
anfængt. Er weis nicht wie weit er laufen
wird. Es kann ſeyn, daſs er im Laufe ei-
nen Stamm antrift, an den er ſich halten
kann, es kann aber auch ſeyn, daſs der Ab-
hang des Bergs ihn nöthigt, auch wider
ſeinen Willen, fortzulaufen, und ſich in ei-
nen Abgrund zu ſtürzen, den er am Ende
ſeiner Laufbahn mit Entſetzen und Grauſen
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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/44>, abgerufen am 21.11.2024.
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