ken und zum Handeln entstehen. Der Schluss, auf den ich diese Behauptung gegründet ha- be, ist dieser: wenn die Seele trübe und dü- ster denkt, wenn der Körper, durch wahres Bedürfniss gedrungen, sich gewisser Saefte, auf dem Wege, den die Natur anwiess, ent- ledigt, wie weit trüber und düsterer muss sie seyn, wenn diese Entledigung ein erkünstel- tes Bedürfniss wird, und auf eine unnatürli- che Art geschieht. Ich wenigstens habe bey vielen, von dieser Seuche angesteckten, einen hohen Grad von Verstandsschwaeche endeckt.
Ja es muss auch aus dieser traurigen Fertigkeit wohl mehrentheils eine gewisse Verschrobenheit und schiefe Richtung der ganzen Beurtheilungskraft entspringen. Denn wer das Unnatürliche reizend finden, wer der zwecklosen Vergiessung der edelsten Le- bensgeister mit Vergnügen zusehen, und sie als eine unschuldige Freude betrachten kann, zu welchen Verrirrungen ist dieser nicht
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ken und zum Handeln entſtehen. Der Schluſs, auf den ich dieſe Behauptung gegründet ha- be, iſt dieſer: wenn die Seele trübe und dü- ſter denkt, wenn der Körper, durch wahres Bedürfniſs gedrungen, ſich gewiſſer Sæfte, auf dem Wege, den die Natur anwieſs, ent- ledigt, wie weit trüber und düſterer muſs ſie ſeyn, wenn dieſe Entledigung ein erkünſtel- tes Bedürfniſs wird, und auf eine unnatürli- che Art geſchieht. Ich wenigſtens habe bey vielen, von dieſer Seuche angeſteckten, einen hohen Grad von Verſtandsſchwæche endeckt.
Ja es muſs auch aus dieſer traurigen Fertigkeit wohl mehrentheils eine gewiſſe Verſchrobenheit und ſchiefe Richtung der ganzen Beurtheilungskraft entſpringen. Denn wer das Unnatürliche reizend finden, wer der zweckloſen Vergieſsung der edelſten Le- bensgeiſter mit Vergnügen zuſehen, und ſie als eine unſchuldige Freude betrachten kann, zu welchen Verrirrungen iſt dieſer nicht
aufgelegt
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ken und zum Handeln entſtehen. Der Schluſs,
auf den ich dieſe Behauptung gegründet ha-
be, iſt dieſer: wenn die Seele trübe und dü-
ſter denkt, wenn der Körper, durch wahres
Bedürfniſs gedrungen, ſich gewiſſer Sæfte,
auf dem Wege, den die Natur anwieſs, ent-
ledigt, wie weit trüber und düſterer muſs ſie
ſeyn, wenn dieſe Entledigung ein erkünſtel-
tes Bedürfniſs wird, und auf eine unnatürli-
che Art geſchieht. Ich wenigſtens habe
bey vielen, von dieſer Seuche angeſteckten,
einen hohen Grad von Verſtandsſchwæche
endeckt.
Ja es muſs auch aus dieſer traurigen
Fertigkeit wohl mehrentheils eine gewiſſe
Verſchrobenheit und ſchiefe Richtung der
ganzen Beurtheilungskraft entſpringen. Denn
wer das Unnatürliche reizend finden, wer der
zweckloſen Vergieſsung der edelſten Le-
bensgeiſter mit Vergnügen zuſehen, und ſie
als eine unſchuldige Freude betrachten kann,
zu welchen Verrirrungen iſt dieſer nicht
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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/58>, abgerufen am 21.11.2024.
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