dass wir uns nicht gesehen haben? so rief ich ihm gleich entgegen. O Nein, antwortete er mir, mit heitrer Stimme, ich bin niemals ge- sunder gewesen als itzo. Nun es waere mir auch nicht lieb, erwiederte ich, und hierbey hatte es denn sein Bewenden. Es wurde waehrend seiner Anwesenheit nicht mehr von krank seyn gesprochen, wir lebten ziemlich lustig mit einander, und er reisste nach eini- gen Tagen ziemlich -- -- traurig wieder ab. Ob ich dies nun schon dem Abschiede zu- schrieb, weil er sehr ungern wieder von mir gieng, von mir einem seiner besten Freunde, mit dem er manches jugendliche Vergnügen genossen hatte; so erfuhr ich doch durch fol- genden Brief, den ich, fast ein halbes Jahr nach seinem Abschiede von mir, erhielt, die ei- gentliche Ursache seiner damaligen Trau- rigkeit.
"Mein einziger wahrer Freund!"
"Wie du so gut bist, und ich dagegen so -- -- --. Zweymal hast du an mich ge- schrieben, zweymal mich aufs heiligste be- schworen, nicht kalt gegen deine Freundschaft zu werden. Und! ach! ich Unglücklicher,
ich
daſs wir uns nicht geſehen haben? ſo rief ich ihm gleich entgegen. O Nein, antwortete er mir, mit heitrer Stimme, ich bin niemals ge- ſunder geweſen als itzo. Nun es wære mir auch nicht lieb, erwiederte ich, und hierbey hatte es denn ſein Bewenden. Es wurde wæhrend ſeiner Anweſenheit nicht mehr von krank ſeyn geſprochen, wir lebten ziemlich luſtig mit einander, und er reiſste nach eini- gen Tagen ziemlich — — traurig wieder ab. Ob ich dies nun ſchon dem Abſchiede zu- ſchrieb, weil er ſehr ungern wieder von mir gieng, von mir einem ſeiner beſten Freunde, mit dem er manches jugendliche Vergnügen genoſſen hatte; ſo erfuhr ich doch durch fol- genden Brief, den ich, faſt ein halbes Jahr nach ſeinem Abſchiede von mir, erhielt, die ei- gentliche Urſache ſeiner damaligen Trau- rigkeit.
“Mein einziger wahrer Freund!”
“Wie du ſo gut biſt, und ich dagegen ſo — — —. Zweymal haſt du an mich ge- ſchrieben, zweymal mich aufs heiligſte be- ſchworen, nicht kalt gegen deine Freundſchaft zu werden. Und! ach! ich Unglücklicher,
ich
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daſs wir uns nicht geſehen haben? ſo rief ich
ihm gleich entgegen. O Nein, antwortete er
mir, mit heitrer Stimme, ich bin niemals ge-
ſunder geweſen als itzo. Nun es wære mir
auch nicht lieb, erwiederte ich, und hierbey
hatte es denn ſein Bewenden. Es wurde
wæhrend ſeiner Anweſenheit nicht mehr von
krank ſeyn geſprochen, wir lebten ziemlich
luſtig mit einander, und er reiſste nach eini-
gen Tagen ziemlich — — traurig wieder ab.
Ob ich dies nun ſchon dem Abſchiede zu-
ſchrieb, weil er ſehr ungern wieder von mir
gieng, von mir einem ſeiner beſten Freunde,
mit dem er manches jugendliche Vergnügen
genoſſen hatte; ſo erfuhr ich doch durch fol-
genden Brief, den ich, faſt ein halbes Jahr nach
ſeinem Abſchiede von mir, erhielt, die ei-
gentliche Urſache ſeiner damaligen Trau-
rigkeit.
“Mein einziger wahrer Freund!”
“Wie du ſo gut biſt, und ich dagegen ſo
— — —. Zweymal haſt du an mich ge-
ſchrieben, zweymal mich aufs heiligſte be-
ſchworen, nicht kalt gegen deine Freundſchaft
zu werden. Und! ach! ich Unglücklicher,
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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/82>, abgerufen am 21.11.2024.
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