Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

dass wir uns nicht gesehen haben? so rief ich
ihm gleich entgegen. O Nein, antwortete er
mir, mit heitrer Stimme, ich bin niemals ge-
sunder gewesen als itzo. Nun es waere mir
auch nicht lieb, erwiederte ich, und hierbey
hatte es denn sein Bewenden. Es wurde
waehrend seiner Anwesenheit nicht mehr von
krank seyn gesprochen, wir lebten ziemlich
lustig mit einander, und er reisste nach eini-
gen Tagen ziemlich -- -- traurig wieder ab.
Ob ich dies nun schon dem Abschiede zu-
schrieb, weil er sehr ungern wieder von mir
gieng, von mir einem seiner besten Freunde,
mit dem er manches jugendliche Vergnügen
genossen hatte; so erfuhr ich doch durch fol-
genden Brief, den ich, fast ein halbes Jahr nach
seinem Abschiede von mir, erhielt, die ei-
gentliche Ursache seiner damaligen Trau-
rigkeit.

"Mein einziger wahrer Freund!"

"Wie du so gut bist, und ich dagegen so
-- -- --. Zweymal hast du an mich ge-
schrieben, zweymal mich aufs heiligste be-
schworen, nicht kalt gegen deine Freundschaft
zu werden. Und! ach! ich Unglücklicher,

ich

daſs wir uns nicht geſehen haben? ſo rief ich
ihm gleich entgegen. O Nein, antwortete er
mir, mit heitrer Stimme, ich bin niemals ge-
ſunder geweſen als itzo. Nun es wære mir
auch nicht lieb, erwiederte ich, und hierbey
hatte es denn ſein Bewenden. Es wurde
wæhrend ſeiner Anweſenheit nicht mehr von
krank ſeyn geſprochen, wir lebten ziemlich
luſtig mit einander, und er reiſste nach eini-
gen Tagen ziemlich — — traurig wieder ab.
Ob ich dies nun ſchon dem Abſchiede zu-
ſchrieb, weil er ſehr ungern wieder von mir
gieng, von mir einem ſeiner beſten Freunde,
mit dem er manches jugendliche Vergnügen
genoſſen hatte; ſo erfuhr ich doch durch fol-
genden Brief, den ich, faſt ein halbes Jahr nach
ſeinem Abſchiede von mir, erhielt, die ei-
gentliche Urſache ſeiner damaligen Trau-
rigkeit.

Mein einziger wahrer Freund!

“Wie du ſo gut biſt, und ich dagegen ſo
— — —. Zweymal haſt du an mich ge-
ſchrieben, zweymal mich aufs heiligſte be-
ſchworen, nicht kalt gegen deine Freundſchaft
zu werden. Und! ach! ich Unglücklicher,

ich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0082" n="72"/>
da&#x017F;s wir uns nicht ge&#x017F;ehen haben? &#x017F;o rief ich<lb/>
ihm gleich entgegen. O Nein, antwortete er<lb/>
mir, mit heitrer Stimme, ich bin niemals ge-<lb/>
&#x017F;under gewe&#x017F;en als itzo. Nun es wære mir<lb/>
auch nicht lieb, erwiederte ich, und hierbey<lb/>
hatte es denn &#x017F;ein Bewenden. Es wurde<lb/>
wæhrend &#x017F;einer Anwe&#x017F;enheit nicht mehr von<lb/>
krank &#x017F;eyn ge&#x017F;prochen, wir lebten ziemlich<lb/>
lu&#x017F;tig mit einander, und er rei&#x017F;ste nach eini-<lb/>
gen Tagen ziemlich &#x2014; &#x2014; traurig wieder ab.<lb/>
Ob ich dies nun &#x017F;chon dem Ab&#x017F;chiede zu-<lb/>
&#x017F;chrieb, weil er &#x017F;ehr ungern wieder von mir<lb/>
gieng, von mir einem &#x017F;einer be&#x017F;ten Freunde,<lb/>
mit dem er manches jugendliche Vergnügen<lb/>
geno&#x017F;&#x017F;en hatte; &#x017F;o erfuhr ich doch durch fol-<lb/>
genden Brief, den ich, fa&#x017F;t ein halbes Jahr nach<lb/>
&#x017F;einem Ab&#x017F;chiede von mir, erhielt, die ei-<lb/>
gentliche Ur&#x017F;ache &#x017F;einer damaligen Trau-<lb/>
rigkeit.</p><lb/>
            <p>&#x201C;<hi rendition="#i">Mein einziger wahrer Freund!</hi>&#x201D;</p><lb/>
            <p>&#x201C;Wie du &#x017F;o gut bi&#x017F;t, und ich dagegen &#x017F;o<lb/>
&#x2014; &#x2014; &#x2014;. Zweymal ha&#x017F;t du an mich ge-<lb/>
&#x017F;chrieben, zweymal mich aufs heilig&#x017F;te be-<lb/>
&#x017F;chworen, nicht kalt gegen deine Freund&#x017F;chaft<lb/>
zu werden. Und! ach! ich Unglücklicher,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ich</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0082] daſs wir uns nicht geſehen haben? ſo rief ich ihm gleich entgegen. O Nein, antwortete er mir, mit heitrer Stimme, ich bin niemals ge- ſunder geweſen als itzo. Nun es wære mir auch nicht lieb, erwiederte ich, und hierbey hatte es denn ſein Bewenden. Es wurde wæhrend ſeiner Anweſenheit nicht mehr von krank ſeyn geſprochen, wir lebten ziemlich luſtig mit einander, und er reiſste nach eini- gen Tagen ziemlich — — traurig wieder ab. Ob ich dies nun ſchon dem Abſchiede zu- ſchrieb, weil er ſehr ungern wieder von mir gieng, von mir einem ſeiner beſten Freunde, mit dem er manches jugendliche Vergnügen genoſſen hatte; ſo erfuhr ich doch durch fol- genden Brief, den ich, faſt ein halbes Jahr nach ſeinem Abſchiede von mir, erhielt, die ei- gentliche Urſache ſeiner damaligen Trau- rigkeit. “Mein einziger wahrer Freund!” “Wie du ſo gut biſt, und ich dagegen ſo — — —. Zweymal haſt du an mich ge- ſchrieben, zweymal mich aufs heiligſte be- ſchworen, nicht kalt gegen deine Freundſchaft zu werden. Und! ach! ich Unglücklicher, ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/82
Zitationshilfe: Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/82>, abgerufen am 21.11.2024.