weil mir dies zum Aufstehen immer noch zu früh war, so dachte ich, und dachte -- und dachte -- und doch an weiter nichts als an das Frauenzimmer, das ich am vorigen Tage gesehen hatte, und hier geschahe denn meh- rentheils die böse Handlung. Izt aber ste- he ich nach verrichtetem Morgengebet gleich auf, und so mache ich mich nun dieser Sünde nicht mehr theilhaftig. Zu spaet! zu spaet! -- -- Haette ich es eher gethan, so haette ich vielleicht noch Hofnung, meinen guten Eltern dereinst zum Troste zu gereichen. Aber izt höre ich nichts wie Klagen um mich her. Mein Vater fragt: bist du denn krank mein Sohn? was fehlt dir denn? Meine Mutter sieht mich traurig an, und dringet in mich ihr doch die Ursachen meines melancholischen Wesens zu entdecken. Der Arzt zwingt mir mit Gewalt Medicin auf, von der ich doch gewiss weiss, dass sie mir nichts helfen wird. Denn aus Scham werde ich Niemanden die wahre Ursache meiner Krankheit entdecken. Lieber, bester Bruder, ich erzittre für dem Ge- danken, dass ich vielleicht künftiges Frühjahr nicht erleben werde. Tödtende Vorwürfe, Harm und die Krankheit selbst, machen mich beynahe sinnlos, so gern ich mich auch einige
Augen-
weil mir dies zum Aufſtehen immer noch zu früh war, ſo dachte ich, und dachte — und dachte — und doch an weiter nichts als an das Frauenzimmer, das ich am vorigen Tage geſehen hatte, und hier geſchahe denn meh- rentheils die böſe Handlung. Izt aber ſte- he ich nach verrichtetem Morgengebet gleich auf, und ſo mache ich mich nun dieſer Sünde nicht mehr theilhaftig. Zu ſpæt! zu ſpæt! — — Hætte ich es eher gethan, ſo hætte ich vielleicht noch Hofnung, meinen guten Eltern dereinſt zum Troſte zu gereichen. Aber izt höre ich nichts wie Klagen um mich her. Mein Vater fragt: biſt du denn krank mein Sohn? was fehlt dir denn? Meine Mutter ſieht mich traurig an, und dringet in mich ihr doch die Urſachen meines melancholiſchen Weſens zu entdecken. Der Arzt zwingt mir mit Gewalt Medicin auf, von der ich doch gewiſs weiſs, daſs ſie mir nichts helfen wird. Denn aus Scham werde ich Niemanden die wahre Urſache meiner Krankheit entdecken. Lieber, beſter Bruder, ich erzittre für dem Ge- danken, daſs ich vielleicht künftiges Frühjahr nicht erleben werde. Tödtende Vorwürfe, Harm und die Krankheit ſelbſt, machen mich beynahe ſinnlos, ſo gern ich mich auch einige
Augen-
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weil mir dies zum Aufſtehen immer noch zu
früh war, ſo dachte ich, und dachte — und
dachte — und doch an weiter nichts als an
das Frauenzimmer, das ich am vorigen Tage
geſehen hatte, und hier geſchahe denn meh-
rentheils die böſe Handlung. Izt aber ſte-
he ich nach verrichtetem Morgengebet gleich
auf, und ſo mache ich mich nun dieſer Sünde
nicht mehr theilhaftig. Zu ſpæt! zu ſpæt!
— — Hætte ich es eher gethan, ſo hætte ich
vielleicht noch Hofnung, meinen guten Eltern
dereinſt zum Troſte zu gereichen. Aber izt
höre ich nichts wie Klagen um mich her.
Mein Vater fragt: biſt du denn krank mein
Sohn? was fehlt dir denn? Meine Mutter
ſieht mich traurig an, und dringet in mich ihr
doch die Urſachen meines melancholiſchen
Weſens zu entdecken. Der Arzt zwingt mir
mit Gewalt Medicin auf, von der ich doch
gewiſs weiſs, daſs ſie mir nichts helfen wird.
Denn aus Scham werde ich Niemanden die
wahre Urſache meiner Krankheit entdecken.
Lieber, beſter Bruder, ich erzittre für dem Ge-
danken, daſs ich vielleicht künftiges Frühjahr
nicht erleben werde. Tödtende Vorwürfe,
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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/85>, abgerufen am 21.11.2024.
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