Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Die elektrischen Erfindungen.
Pole des Ringankers sich zu den Eisenkernen hingezogen fühlen, sich
ihnen gegenüberzustellen suchen, und da sie ihre Lage im Ringe ändern,
so wird dieses Bestreben den Ring veranlassen, sich entgegengesetzt zu
drehen, damit die Pole immer ihren Ort gegen die Eisenkerne behalten.
So setzt also die eine Maschine die andere auch ohne Erregung der
Feldmagnete in Drehung, und das ist die Eigenschaft, derentwegen
man diese Stromverbindung als Drehstrom bezeichnet. Die sekundäre
Maschine wird dieses Bestreben erst dann völlig erfüllt haben, wenn
sie sich genau in demselben Tempo wie die primäre dreht. Dann kann
man auch dazu übergehen, die Feldmagnete zu erregen. Die Wirkungen,
die sie als Motor leisten kann, sind dann bedeutend größere. Man
kann diese Erregung der Feldmagnete entweder durch eine besondere
Gleichstrommaschine besorgen lassen oder mit einem neben die vier
Schleifringe aufgesetzten Gleichstromabnehmer, welchen wir in Fig. 141
abbilden, aus dem Wechselstrommotor selbst speisen. Daß die Dreh-
strommotoren auch ohne besondere Magnetisierung der Feldmagneten
sich in Thätigkeit setzen, das macht sie für die Kraftübertragung besonders
brauchbar.

Die Erfindung des Drehstroms durch Galileo Ferraris in Turin
fällt in das Jahr 1888, und er wurde fast zu gleicher Zeit auch von
Bradley und von Nikola Tesla in Amerika in die Praxis eingeführt.
Die Form, welche in Lauffen und Frankfurt verwendet ward, hat
ihnen der Ingenieur der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft v. Dolivo-
Dobrowolski gegeben. Es wurde dabei nicht ein Kreuz von vier,
sondern ein Vielfaches von 6 Spulen auf einen Grammeschen Ring
gesetzt, und diesem konnten drei Wechselströme entnommen werden. Die
drei Drähte waren es, welche diesen Strömen als Leiter dienten. Die
Ausführung dieses schwierigsten und großartigsten Versuchs, der auf
dem Gebiete der Elektrotechnik je gemacht worden ist, seit jene geheim-
nisvolle Naturkraft, die wir Elektrizität nennen, der Technik dienstbar
gemacht wurde, hatten die eben genannte Gesellschaft und die Maschinen-
fabrik Örlikon gemeinsam übernommen, nachdem ihnen die erforderlichen
1200 Zentner Draht von Hesse in Heddernheim leihweise überlassen
und in wenigen Tagen an Ort und Stelle geschafft war. Die Anlage
selbst besteht aus folgenden Teilen. Die Portlandzementfabrik in
Lauffen stellte eine Turbine von 300 Pferdestärken zur Verfügung,
welche in der Minute 38 Umdrehungen macht. Durch eine Zahnrad-
übertragung wurde eine Drehstrommaschine getrieben, die einen drei-
fachen Strom von 50 Volt Spannung und 1400 Amperes lieferte.
Wir sehen in der Fig. 142 die gewaltige Drehstrommaschine, eine Innenpol-
Maschine mit rotierenden Feldmagneten, welche von der im Vordergrunde
sichtbaren kleinen Gleichstrommaschine erregt werden. Die Figur zeigt
den Ring derselben etwas nach rechts verschoben. Der links abgebildete
ist der Anker-Ring. Von hier ging der Strom in die Öltransformatoren
und zwar in Kabeln von 27 Millimeter Durchmesser, also von dem

Die elektriſchen Erfindungen.
Pole des Ringankers ſich zu den Eiſenkernen hingezogen fühlen, ſich
ihnen gegenüberzuſtellen ſuchen, und da ſie ihre Lage im Ringe ändern,
ſo wird dieſes Beſtreben den Ring veranlaſſen, ſich entgegengeſetzt zu
drehen, damit die Pole immer ihren Ort gegen die Eiſenkerne behalten.
So ſetzt alſo die eine Maſchine die andere auch ohne Erregung der
Feldmagnete in Drehung, und das iſt die Eigenſchaft, derentwegen
man dieſe Stromverbindung als Drehſtrom bezeichnet. Die ſekundäre
Maſchine wird dieſes Beſtreben erſt dann völlig erfüllt haben, wenn
ſie ſich genau in demſelben Tempo wie die primäre dreht. Dann kann
man auch dazu übergehen, die Feldmagnete zu erregen. Die Wirkungen,
die ſie als Motor leiſten kann, ſind dann bedeutend größere. Man
kann dieſe Erregung der Feldmagnete entweder durch eine beſondere
Gleichſtrommaſchine beſorgen laſſen oder mit einem neben die vier
Schleifringe aufgeſetzten Gleichſtromabnehmer, welchen wir in Fig. 141
abbilden, aus dem Wechſelſtrommotor ſelbſt ſpeiſen. Daß die Dreh-
ſtrommotoren auch ohne beſondere Magnetiſierung der Feldmagneten
ſich in Thätigkeit ſetzen, das macht ſie für die Kraftübertragung beſonders
brauchbar.

Die Erfindung des Drehſtroms durch Galileo Ferraris in Turin
fällt in das Jahr 1888, und er wurde faſt zu gleicher Zeit auch von
Bradley und von Nikola Tesla in Amerika in die Praxis eingeführt.
Die Form, welche in Lauffen und Frankfurt verwendet ward, hat
ihnen der Ingenieur der Allgemeinen Elektrizitäts-Geſellſchaft v. Dolivo-
Dobrowolski gegeben. Es wurde dabei nicht ein Kreuz von vier,
ſondern ein Vielfaches von 6 Spulen auf einen Grammeſchen Ring
geſetzt, und dieſem konnten drei Wechſelſtröme entnommen werden. Die
drei Drähte waren es, welche dieſen Strömen als Leiter dienten. Die
Ausführung dieſes ſchwierigſten und großartigſten Verſuchs, der auf
dem Gebiete der Elektrotechnik je gemacht worden iſt, ſeit jene geheim-
nisvolle Naturkraft, die wir Elektrizität nennen, der Technik dienſtbar
gemacht wurde, hatten die eben genannte Geſellſchaft und die Maſchinen-
fabrik Örlikon gemeinſam übernommen, nachdem ihnen die erforderlichen
1200 Zentner Draht von Heſſe in Heddernheim leihweiſe überlaſſen
und in wenigen Tagen an Ort und Stelle geſchafft war. Die Anlage
ſelbſt beſteht aus folgenden Teilen. Die Portlandzementfabrik in
Lauffen ſtellte eine Turbine von 300 Pferdeſtärken zur Verfügung,
welche in der Minute 38 Umdrehungen macht. Durch eine Zahnrad-
übertragung wurde eine Drehſtrommaſchine getrieben, die einen drei-
fachen Strom von 50 Volt Spannung und 1400 Ampères lieferte.
Wir ſehen in der Fig. 142 die gewaltige Drehſtrommaſchine, eine Innenpol-
Maſchine mit rotierenden Feldmagneten, welche von der im Vordergrunde
ſichtbaren kleinen Gleichſtrommaſchine erregt werden. Die Figur zeigt
den Ring derſelben etwas nach rechts verſchoben. Der links abgebildete
iſt der Anker-Ring. Von hier ging der Strom in die Öltransformatoren
und zwar in Kabeln von 27 Millimeter Durchmeſſer, alſo von dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0214" n="196"/><fw place="top" type="header">Die elektri&#x017F;chen Erfindungen.</fw><lb/>
Pole des Ringankers &#x017F;ich zu den Ei&#x017F;enkernen hingezogen fühlen, &#x017F;ich<lb/>
ihnen gegenüberzu&#x017F;tellen &#x017F;uchen, und da &#x017F;ie ihre Lage im Ringe ändern,<lb/>
&#x017F;o wird die&#x017F;es Be&#x017F;treben den Ring veranla&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ich entgegenge&#x017F;etzt zu<lb/>
drehen, damit die Pole immer ihren Ort gegen die Ei&#x017F;enkerne behalten.<lb/>
So &#x017F;etzt al&#x017F;o die eine Ma&#x017F;chine die andere auch ohne Erregung der<lb/>
Feldmagnete in Drehung, und das i&#x017F;t die Eigen&#x017F;chaft, derentwegen<lb/>
man die&#x017F;e Stromverbindung als Dreh&#x017F;trom bezeichnet. Die &#x017F;ekundäre<lb/>
Ma&#x017F;chine wird die&#x017F;es Be&#x017F;treben er&#x017F;t dann völlig erfüllt haben, wenn<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich genau in dem&#x017F;elben Tempo wie die primäre dreht. Dann kann<lb/>
man auch dazu übergehen, die Feldmagnete zu erregen. Die Wirkungen,<lb/>
die &#x017F;ie als Motor lei&#x017F;ten kann, &#x017F;ind dann bedeutend größere. Man<lb/>
kann die&#x017F;e Erregung der Feldmagnete entweder durch eine be&#x017F;ondere<lb/>
Gleich&#x017F;tromma&#x017F;chine be&#x017F;orgen la&#x017F;&#x017F;en oder mit einem neben die vier<lb/>
Schleifringe aufge&#x017F;etzten Gleich&#x017F;tromabnehmer, welchen wir in Fig. 141<lb/>
abbilden, aus dem Wech&#x017F;el&#x017F;trommotor &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;pei&#x017F;en. Daß die Dreh-<lb/>
&#x017F;trommotoren auch ohne be&#x017F;ondere Magneti&#x017F;ierung der Feldmagneten<lb/>
&#x017F;ich in Thätigkeit &#x017F;etzen, das macht &#x017F;ie für die Kraftübertragung be&#x017F;onders<lb/>
brauchbar.</p><lb/>
              <p>Die Erfindung des Dreh&#x017F;troms durch Galileo Ferraris in Turin<lb/>
fällt in das Jahr 1888, und er wurde fa&#x017F;t zu gleicher Zeit auch von<lb/>
Bradley und von Nikola Tesla in Amerika in die Praxis eingeführt.<lb/>
Die Form, welche in Lauffen und Frankfurt verwendet ward, hat<lb/>
ihnen der Ingenieur der Allgemeinen Elektrizitäts-Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft v. Dolivo-<lb/>
Dobrowolski gegeben. Es wurde dabei nicht ein Kreuz von vier,<lb/>
&#x017F;ondern ein Vielfaches von 6 Spulen auf einen Gramme&#x017F;chen Ring<lb/>
ge&#x017F;etzt, und die&#x017F;em konnten drei Wech&#x017F;el&#x017F;tröme entnommen werden. Die<lb/>
drei Drähte waren es, welche die&#x017F;en Strömen als Leiter dienten. Die<lb/>
Ausführung die&#x017F;es &#x017F;chwierig&#x017F;ten und großartig&#x017F;ten Ver&#x017F;uchs, der auf<lb/>
dem Gebiete der Elektrotechnik je gemacht worden i&#x017F;t, &#x017F;eit jene geheim-<lb/>
nisvolle Naturkraft, die wir Elektrizität nennen, der Technik dien&#x017F;tbar<lb/>
gemacht wurde, hatten die eben genannte Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft und die Ma&#x017F;chinen-<lb/>
fabrik Örlikon gemein&#x017F;am übernommen, nachdem ihnen die erforderlichen<lb/>
1200 Zentner Draht von He&#x017F;&#x017F;e in Heddernheim leihwei&#x017F;e überla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
und in wenigen Tagen an Ort und Stelle ge&#x017F;chafft war. Die Anlage<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t be&#x017F;teht aus folgenden Teilen. Die Portlandzementfabrik in<lb/>
Lauffen &#x017F;tellte eine Turbine von 300 Pferde&#x017F;tärken zur Verfügung,<lb/>
welche in der Minute 38 Umdrehungen macht. Durch eine Zahnrad-<lb/>
übertragung wurde eine Dreh&#x017F;tromma&#x017F;chine getrieben, die einen drei-<lb/>
fachen Strom von 50 Volt Spannung und 1400 Amp<hi rendition="#aq">è</hi>res lieferte.<lb/>
Wir &#x017F;ehen in der Fig. 142 die gewaltige Dreh&#x017F;tromma&#x017F;chine, eine Innenpol-<lb/>
Ma&#x017F;chine mit rotierenden Feldmagneten, welche von der im Vordergrunde<lb/>
&#x017F;ichtbaren kleinen Gleich&#x017F;tromma&#x017F;chine erregt werden. Die Figur zeigt<lb/>
den Ring der&#x017F;elben etwas nach rechts ver&#x017F;choben. Der links abgebildete<lb/>
i&#x017F;t der Anker-Ring. Von hier ging der Strom in die Öltransformatoren<lb/>
und zwar in Kabeln von 27 Millimeter Durchme&#x017F;&#x017F;er, al&#x017F;o von dem<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[196/0214] Die elektriſchen Erfindungen. Pole des Ringankers ſich zu den Eiſenkernen hingezogen fühlen, ſich ihnen gegenüberzuſtellen ſuchen, und da ſie ihre Lage im Ringe ändern, ſo wird dieſes Beſtreben den Ring veranlaſſen, ſich entgegengeſetzt zu drehen, damit die Pole immer ihren Ort gegen die Eiſenkerne behalten. So ſetzt alſo die eine Maſchine die andere auch ohne Erregung der Feldmagnete in Drehung, und das iſt die Eigenſchaft, derentwegen man dieſe Stromverbindung als Drehſtrom bezeichnet. Die ſekundäre Maſchine wird dieſes Beſtreben erſt dann völlig erfüllt haben, wenn ſie ſich genau in demſelben Tempo wie die primäre dreht. Dann kann man auch dazu übergehen, die Feldmagnete zu erregen. Die Wirkungen, die ſie als Motor leiſten kann, ſind dann bedeutend größere. Man kann dieſe Erregung der Feldmagnete entweder durch eine beſondere Gleichſtrommaſchine beſorgen laſſen oder mit einem neben die vier Schleifringe aufgeſetzten Gleichſtromabnehmer, welchen wir in Fig. 141 abbilden, aus dem Wechſelſtrommotor ſelbſt ſpeiſen. Daß die Dreh- ſtrommotoren auch ohne beſondere Magnetiſierung der Feldmagneten ſich in Thätigkeit ſetzen, das macht ſie für die Kraftübertragung beſonders brauchbar. Die Erfindung des Drehſtroms durch Galileo Ferraris in Turin fällt in das Jahr 1888, und er wurde faſt zu gleicher Zeit auch von Bradley und von Nikola Tesla in Amerika in die Praxis eingeführt. Die Form, welche in Lauffen und Frankfurt verwendet ward, hat ihnen der Ingenieur der Allgemeinen Elektrizitäts-Geſellſchaft v. Dolivo- Dobrowolski gegeben. Es wurde dabei nicht ein Kreuz von vier, ſondern ein Vielfaches von 6 Spulen auf einen Grammeſchen Ring geſetzt, und dieſem konnten drei Wechſelſtröme entnommen werden. Die drei Drähte waren es, welche dieſen Strömen als Leiter dienten. Die Ausführung dieſes ſchwierigſten und großartigſten Verſuchs, der auf dem Gebiete der Elektrotechnik je gemacht worden iſt, ſeit jene geheim- nisvolle Naturkraft, die wir Elektrizität nennen, der Technik dienſtbar gemacht wurde, hatten die eben genannte Geſellſchaft und die Maſchinen- fabrik Örlikon gemeinſam übernommen, nachdem ihnen die erforderlichen 1200 Zentner Draht von Heſſe in Heddernheim leihweiſe überlaſſen und in wenigen Tagen an Ort und Stelle geſchafft war. Die Anlage ſelbſt beſteht aus folgenden Teilen. Die Portlandzementfabrik in Lauffen ſtellte eine Turbine von 300 Pferdeſtärken zur Verfügung, welche in der Minute 38 Umdrehungen macht. Durch eine Zahnrad- übertragung wurde eine Drehſtrommaſchine getrieben, die einen drei- fachen Strom von 50 Volt Spannung und 1400 Ampères lieferte. Wir ſehen in der Fig. 142 die gewaltige Drehſtrommaſchine, eine Innenpol- Maſchine mit rotierenden Feldmagneten, welche von der im Vordergrunde ſichtbaren kleinen Gleichſtrommaſchine erregt werden. Die Figur zeigt den Ring derſelben etwas nach rechts verſchoben. Der links abgebildete iſt der Anker-Ring. Von hier ging der Strom in die Öltransformatoren und zwar in Kabeln von 27 Millimeter Durchmeſſer, alſo von dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/214
Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/214>, abgerufen am 25.11.2024.