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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die Erfindung der Maße und Gewichte.
selten überschreiten, rechnet man dieselbe Ungenauigkeit bei der Abschätzung
oder Abmessung der Lage der Endstriche, so ist der geprüfte Stab
bis auf 2 Zehntel Millimeter bekannt, eine Genauigkeit, die für den
gewöhnlichen Markt- und Ladenverkehr vollkommen ausreicht, man hat
für metallene Stäbe 0,5 mm, für hölzerne Stäbe 1 mm als Fehlergrenze
festgesetzt. Der für die Fehlerbestimmung der Verkehrsmaße benutzte
Stab, das Gebrauchsnormal, darf selbstverständlich nur sehr viel geringere
Abweichungen von der wahren Länge zeigen, man verlangt von ihm,
daß er bis auf 0,1 mm, oder wenn er zur Bestimmung feinerer, so-
genannter Präzisionsmaßstäbe benutzt wird, daß er bis auf 0,04 mm
richtig ist. Da die Gebrauchsnormale in fortwährender Verwendung
sind, so sind sie einer ziemlich starken Abnutzung unterworfen und be-
dürfen daher einer häufigeren Neubestimmung und Nachprüfung. Diesem
Zwecke dienen die Kontrolnormale, von denen verlangt wird, daß ihre
Länge bis auf 0,025 mm bestimmt sei. Die Kontrolnormale wieder
werden mit den Hauptnormalen verglichen, deren Fehler bis auf wenige
Tausendteile des Millimeter bekannt sein müssen, diese endlich mit dem in
jedem Staate nur in einem Exemplare vorhandenen nationalen Prototyp,
das eine genaue Kopie des zu Paris aufbewahrten internationalen
Prototyps ist.

Man kommt leicht zu der Frage: wozu diese großen Genauigkeiten?
Vorstehende Darlegungen werden bereits gezeigt haben, daß schon
sehr weit gehende Genauigkeiten erforderlich sind, damit nur die Sicher-
heit geboten wird, daß die Maßstäbe, wie sie der Kaufmann oder
der Handwerker benutzt, den zu stellenden Anforderungen entsprechen,
die Wissenschaft aber ist so hoch entwickelt, daß das Beste, was ihr die
Technik zu liefern im Stande ist, für ihre Zwecke gerade gut genug
erscheint.

Maßvergleichungen der einfachsten Art, wie sie oben angegeben
sind, werden mit bloßem Auge angestellt, bei feineren Untersuchungen
bedarf es komplizierter Instrumente. Wenn man an eine einfache Holz-
platte eine feine Metallspitze rechtwinklig zur Längsrichtung der Latte
befestigt, in gleicher Weise eine zweite Spitze, doch so, daß dieselbe sich
verschieben läßt, so erhält man den einfachsten Maßvergleichungsapparat,
den Stangenzirkel. Setzt man die feste Spitze auf den Nullstrich eines
Stabes und stellt die bewegliche auf den Endstrich ein, so kann man
die jetzt durch den Abstand der beiden Spitzen gegebene Normallänge
leicht und bequem auf eine beliebige Anzahl anderer Stäbe übertragen
und somit deren Fehler bestimmen.

Zum Abmessen und Übertragen kleinerer Längen benutzt man schon
seit sehr alten Zeiten den gewöhnlichen Gelenkzirkel; derselbe besteht
aus zwei zugespitzten Schenkeln, welche ein Gelenk verbindet, sodaß
die Spitzen einander beliebig genähert oder von einander entfernt werden
können. Damit die gemessene Länge beim Übergang von einem Stabe
zum andern sich nicht verändert, wird beim Stangenzirkel der bewegliche

Die Erfindung der Maße und Gewichte.
ſelten überſchreiten, rechnet man dieſelbe Ungenauigkeit bei der Abſchätzung
oder Abmeſſung der Lage der Endſtriche, ſo iſt der geprüfte Stab
bis auf 2 Zehntel Millimeter bekannt, eine Genauigkeit, die für den
gewöhnlichen Markt- und Ladenverkehr vollkommen ausreicht, man hat
für metallene Stäbe 0,5 mm, für hölzerne Stäbe 1 mm als Fehlergrenze
feſtgeſetzt. Der für die Fehlerbeſtimmung der Verkehrsmaße benutzte
Stab, das Gebrauchsnormal, darf ſelbſtverſtändlich nur ſehr viel geringere
Abweichungen von der wahren Länge zeigen, man verlangt von ihm,
daß er bis auf 0,1 mm, oder wenn er zur Beſtimmung feinerer, ſo-
genannter Präziſionsmaßſtäbe benutzt wird, daß er bis auf 0,04 mm
richtig iſt. Da die Gebrauchsnormale in fortwährender Verwendung
ſind, ſo ſind ſie einer ziemlich ſtarken Abnutzung unterworfen und be-
dürfen daher einer häufigeren Neubeſtimmung und Nachprüfung. Dieſem
Zwecke dienen die Kontrolnormale, von denen verlangt wird, daß ihre
Länge bis auf 0,025 mm beſtimmt ſei. Die Kontrolnormale wieder
werden mit den Hauptnormalen verglichen, deren Fehler bis auf wenige
Tauſendteile des Millimeter bekannt ſein müſſen, dieſe endlich mit dem in
jedem Staate nur in einem Exemplare vorhandenen nationalen Prototyp,
das eine genaue Kopie des zu Paris aufbewahrten internationalen
Prototyps iſt.

Man kommt leicht zu der Frage: wozu dieſe großen Genauigkeiten?
Vorſtehende Darlegungen werden bereits gezeigt haben, daß ſchon
ſehr weit gehende Genauigkeiten erforderlich ſind, damit nur die Sicher-
heit geboten wird, daß die Maßſtäbe, wie ſie der Kaufmann oder
der Handwerker benutzt, den zu ſtellenden Anforderungen entſprechen,
die Wiſſenſchaft aber iſt ſo hoch entwickelt, daß das Beſte, was ihr die
Technik zu liefern im Stande iſt, für ihre Zwecke gerade gut genug
erſcheint.

Maßvergleichungen der einfachſten Art, wie ſie oben angegeben
ſind, werden mit bloßem Auge angeſtellt, bei feineren Unterſuchungen
bedarf es komplizierter Inſtrumente. Wenn man an eine einfache Holz-
platte eine feine Metallſpitze rechtwinklig zur Längsrichtung der Latte
befeſtigt, in gleicher Weiſe eine zweite Spitze, doch ſo, daß dieſelbe ſich
verſchieben läßt, ſo erhält man den einfachſten Maßvergleichungsapparat,
den Stangenzirkel. Setzt man die feſte Spitze auf den Nullſtrich eines
Stabes und ſtellt die bewegliche auf den Endſtrich ein, ſo kann man
die jetzt durch den Abſtand der beiden Spitzen gegebene Normallänge
leicht und bequem auf eine beliebige Anzahl anderer Stäbe übertragen
und ſomit deren Fehler beſtimmen.

Zum Abmeſſen und Übertragen kleinerer Längen benutzt man ſchon
ſeit ſehr alten Zeiten den gewöhnlichen Gelenkzirkel; derſelbe beſteht
aus zwei zugeſpitzten Schenkeln, welche ein Gelenk verbindet, ſodaß
die Spitzen einander beliebig genähert oder von einander entfernt werden
können. Damit die gemeſſene Länge beim Übergang von einem Stabe
zum andern ſich nicht verändert, wird beim Stangenzirkel der bewegliche

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[4/0022] Die Erfindung der Maße und Gewichte. ſelten überſchreiten, rechnet man dieſelbe Ungenauigkeit bei der Abſchätzung oder Abmeſſung der Lage der Endſtriche, ſo iſt der geprüfte Stab bis auf 2 Zehntel Millimeter bekannt, eine Genauigkeit, die für den gewöhnlichen Markt- und Ladenverkehr vollkommen ausreicht, man hat für metallene Stäbe 0,5 mm, für hölzerne Stäbe 1 mm als Fehlergrenze feſtgeſetzt. Der für die Fehlerbeſtimmung der Verkehrsmaße benutzte Stab, das Gebrauchsnormal, darf ſelbſtverſtändlich nur ſehr viel geringere Abweichungen von der wahren Länge zeigen, man verlangt von ihm, daß er bis auf 0,1 mm, oder wenn er zur Beſtimmung feinerer, ſo- genannter Präziſionsmaßſtäbe benutzt wird, daß er bis auf 0,04 mm richtig iſt. Da die Gebrauchsnormale in fortwährender Verwendung ſind, ſo ſind ſie einer ziemlich ſtarken Abnutzung unterworfen und be- dürfen daher einer häufigeren Neubeſtimmung und Nachprüfung. Dieſem Zwecke dienen die Kontrolnormale, von denen verlangt wird, daß ihre Länge bis auf 0,025 mm beſtimmt ſei. Die Kontrolnormale wieder werden mit den Hauptnormalen verglichen, deren Fehler bis auf wenige Tauſendteile des Millimeter bekannt ſein müſſen, dieſe endlich mit dem in jedem Staate nur in einem Exemplare vorhandenen nationalen Prototyp, das eine genaue Kopie des zu Paris aufbewahrten internationalen Prototyps iſt. Man kommt leicht zu der Frage: wozu dieſe großen Genauigkeiten? Vorſtehende Darlegungen werden bereits gezeigt haben, daß ſchon ſehr weit gehende Genauigkeiten erforderlich ſind, damit nur die Sicher- heit geboten wird, daß die Maßſtäbe, wie ſie der Kaufmann oder der Handwerker benutzt, den zu ſtellenden Anforderungen entſprechen, die Wiſſenſchaft aber iſt ſo hoch entwickelt, daß das Beſte, was ihr die Technik zu liefern im Stande iſt, für ihre Zwecke gerade gut genug erſcheint. Maßvergleichungen der einfachſten Art, wie ſie oben angegeben ſind, werden mit bloßem Auge angeſtellt, bei feineren Unterſuchungen bedarf es komplizierter Inſtrumente. Wenn man an eine einfache Holz- platte eine feine Metallſpitze rechtwinklig zur Längsrichtung der Latte befeſtigt, in gleicher Weiſe eine zweite Spitze, doch ſo, daß dieſelbe ſich verſchieben läßt, ſo erhält man den einfachſten Maßvergleichungsapparat, den Stangenzirkel. Setzt man die feſte Spitze auf den Nullſtrich eines Stabes und ſtellt die bewegliche auf den Endſtrich ein, ſo kann man die jetzt durch den Abſtand der beiden Spitzen gegebene Normallänge leicht und bequem auf eine beliebige Anzahl anderer Stäbe übertragen und ſomit deren Fehler beſtimmen. Zum Abmeſſen und Übertragen kleinerer Längen benutzt man ſchon ſeit ſehr alten Zeiten den gewöhnlichen Gelenkzirkel; derſelbe beſteht aus zwei zugeſpitzten Schenkeln, welche ein Gelenk verbindet, ſodaß die Spitzen einander beliebig genähert oder von einander entfernt werden können. Damit die gemeſſene Länge beim Übergang von einem Stabe zum andern ſich nicht verändert, wird beim Stangenzirkel der bewegliche

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/22>, abgerufen am 21.11.2024.