Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite
Die elektrischen Erfindungen.

Für kurze Bahnen aber empfiehlt es sich, eine Kraftzentrale
einzurichten und durch Leiter den Elektromotoren des Wagens Strom
zuzuführen. Der erste Versuch einer solchen Anlage wurde von der
eben genannten Firma auf der Berliner Gewerbeausstellung 1879
gemacht. Zwischen den beiden Hauptschienen der Bahn lag eine dritte
flache und auf die Kante gestellte Schiene, welche den Elektromotor
des Wagens mit Kraft versorgte. Die Rückleitung nach dem Maschinen-
hause geschah durch die beiden erstgenannten. Die erste dauernd für
den Betrieb bestimmte elektrische Eisenbahn fährt vom Anhalter Bahn-
hof in Lichterfelde zur Kadettenanstalt. Obgleich für die Isolierung
der Schienen keine große Vorsorge getroffen war, hat doch die Bahn
von 1881 bis heute vollständig zur Zufriedenheit funktioniert. Sie
fährt jedesmal, wenn ein Zug am Anhalter Bahnhof ankommt,
und legt die 2,6 Kilometer lange Strecke in acht Minuten zurück,
obgleich es keine Schwierigkeiten hätte, ihre Geschwindigkeit noch zu
steigern. Seitdem ist in Deutschland die Entwickelung der elektrischen
Bahnen sehr zurück geblieben, während die großen Städte Amerikas
sich mit einem Netze von solchen Betrieben übersponnen haben. Wie
rasch dort die Pferdebahnen den elektrischen weichen müssen, das können
folgende Zahlen zeigen. Noch 1885 waren dort nur drei solche Bahnen
mit 12 Kilometern Weglänge und 13 Maschinenwagen in Betrieb, Ende
1889 gab es schon 103 Bahnen mit 870 Kilometern und 851 Wagen
und am Anfange des Jahres 1892 war die Weglänge der elektrischen
Straßenbahnen auf 4061 Kilometer gestiegen, während die der Pferde-
bahnen im letzten Jahre um 100 Kilometer zurückging. Es ist ja
offenbar, daß die elektrischen gegen diese die Vorteile der Sauberkeit und
Billigkeit voraushaben müssen, welche der Dienst der Thiere ausschließt.
Wir müssen, wollen wir den Bau dieser Bahnen recht verstehen, die
einzelnen Teile derselben, also die Maschinenstation, die Zuleitung des
Stromes und die Motorenwagen genauer ins Auge fassen.

Die Fig. 154 zeigt die Kraftstation der Straßenbahn, welche die
Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft zu Halle an der Saale im vorigen
Jahre als die erste elektrisch betriebene in Deutschland dem Verkehr über-
geben hat. Wir sehen links die eine der beiden gewaltigen Dampfmaschinen,
welche bis zu 200 Umdrehungen in der Minute machen, und rechts die
mittels Riemenübersetzung mit ihr verbundenen vier Dynamomaschinen.
Jede von diesen leistet mehr als 80 Pferdestärken. Die Leistungsfähigkeit
derselben muß etwas höher bemessen sein, als der gleichmäßige Betrieb
nötig machen würde, weil bei dem Anfahren der Wagen immer eine
große Menge Kraft verbraucht wird. Die Zuführung des Stromes
zum Wagen kann eine sehr verschiedene sein, nämlich entweder durch
die Fahrschienen oder eine andere Schiene erfolgen oder durch eine
davon getrennte oberirdische oder schließlich durch eine unterirdische
Leitung geschehen. In dem ersten Falle wird für eine hinreichende
Isolierung der Schienen sowie dafür gesorgt sein müssen, daß Zugtiere

Die elektriſchen Erfindungen.

Für kurze Bahnen aber empfiehlt es ſich, eine Kraftzentrale
einzurichten und durch Leiter den Elektromotoren des Wagens Strom
zuzuführen. Der erſte Verſuch einer ſolchen Anlage wurde von der
eben genannten Firma auf der Berliner Gewerbeausſtellung 1879
gemacht. Zwiſchen den beiden Hauptſchienen der Bahn lag eine dritte
flache und auf die Kante geſtellte Schiene, welche den Elektromotor
des Wagens mit Kraft verſorgte. Die Rückleitung nach dem Maſchinen-
hauſe geſchah durch die beiden erſtgenannten. Die erſte dauernd für
den Betrieb beſtimmte elektriſche Eiſenbahn fährt vom Anhalter Bahn-
hof in Lichterfelde zur Kadettenanſtalt. Obgleich für die Iſolierung
der Schienen keine große Vorſorge getroffen war, hat doch die Bahn
von 1881 bis heute vollſtändig zur Zufriedenheit funktioniert. Sie
fährt jedesmal, wenn ein Zug am Anhalter Bahnhof ankommt,
und legt die 2,6 Kilometer lange Strecke in acht Minuten zurück,
obgleich es keine Schwierigkeiten hätte, ihre Geſchwindigkeit noch zu
ſteigern. Seitdem iſt in Deutſchland die Entwickelung der elektriſchen
Bahnen ſehr zurück geblieben, während die großen Städte Amerikas
ſich mit einem Netze von ſolchen Betrieben überſponnen haben. Wie
raſch dort die Pferdebahnen den elektriſchen weichen müſſen, das können
folgende Zahlen zeigen. Noch 1885 waren dort nur drei ſolche Bahnen
mit 12 Kilometern Weglänge und 13 Maſchinenwagen in Betrieb, Ende
1889 gab es ſchon 103 Bahnen mit 870 Kilometern und 851 Wagen
und am Anfange des Jahres 1892 war die Weglänge der elektriſchen
Straßenbahnen auf 4061 Kilometer geſtiegen, während die der Pferde-
bahnen im letzten Jahre um 100 Kilometer zurückging. Es iſt ja
offenbar, daß die elektriſchen gegen dieſe die Vorteile der Sauberkeit und
Billigkeit voraushaben müſſen, welche der Dienſt der Thiere ausſchließt.
Wir müſſen, wollen wir den Bau dieſer Bahnen recht verſtehen, die
einzelnen Teile derſelben, alſo die Maſchinenſtation, die Zuleitung des
Stromes und die Motorenwagen genauer ins Auge faſſen.

Die Fig. 154 zeigt die Kraftſtation der Straßenbahn, welche die
Allgemeine Elektrizitäts-Geſellſchaft zu Halle an der Saale im vorigen
Jahre als die erſte elektriſch betriebene in Deutſchland dem Verkehr über-
geben hat. Wir ſehen links die eine der beiden gewaltigen Dampfmaſchinen,
welche bis zu 200 Umdrehungen in der Minute machen, und rechts die
mittels Riemenüberſetzung mit ihr verbundenen vier Dynamomaſchinen.
Jede von dieſen leiſtet mehr als 80 Pferdeſtärken. Die Leiſtungsfähigkeit
derſelben muß etwas höher bemeſſen ſein, als der gleichmäßige Betrieb
nötig machen würde, weil bei dem Anfahren der Wagen immer eine
große Menge Kraft verbraucht wird. Die Zuführung des Stromes
zum Wagen kann eine ſehr verſchiedene ſein, nämlich entweder durch
die Fahrſchienen oder eine andere Schiene erfolgen oder durch eine
davon getrennte oberirdiſche oder ſchließlich durch eine unterirdiſche
Leitung geſchehen. In dem erſten Falle wird für eine hinreichende
Iſolierung der Schienen ſowie dafür geſorgt ſein müſſen, daß Zugtiere

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0234" n="216"/>
              <fw place="top" type="header">Die elektri&#x017F;chen Erfindungen.</fw><lb/>
              <p>Für kurze Bahnen aber empfiehlt es &#x017F;ich, eine Kraftzentrale<lb/>
einzurichten und durch Leiter den Elektromotoren des Wagens Strom<lb/>
zuzuführen. Der er&#x017F;te Ver&#x017F;uch einer &#x017F;olchen Anlage wurde von der<lb/>
eben genannten Firma auf der Berliner Gewerbeaus&#x017F;tellung 1879<lb/>
gemacht. Zwi&#x017F;chen den beiden Haupt&#x017F;chienen der Bahn lag eine dritte<lb/>
flache und auf die Kante ge&#x017F;tellte Schiene, welche den Elektromotor<lb/>
des Wagens mit Kraft ver&#x017F;orgte. Die Rückleitung nach dem Ma&#x017F;chinen-<lb/>
hau&#x017F;e ge&#x017F;chah durch die beiden er&#x017F;tgenannten. Die er&#x017F;te dauernd für<lb/>
den Betrieb be&#x017F;timmte elektri&#x017F;che Ei&#x017F;enbahn fährt vom Anhalter Bahn-<lb/>
hof in Lichterfelde zur Kadettenan&#x017F;talt. Obgleich für die I&#x017F;olierung<lb/>
der Schienen keine große Vor&#x017F;orge getroffen war, hat doch die Bahn<lb/>
von 1881 bis heute voll&#x017F;tändig zur Zufriedenheit funktioniert. Sie<lb/>
fährt jedesmal, wenn ein Zug am Anhalter Bahnhof ankommt,<lb/>
und legt die 2,6 Kilometer lange Strecke in acht Minuten zurück,<lb/>
obgleich es keine Schwierigkeiten hätte, ihre Ge&#x017F;chwindigkeit noch zu<lb/>
&#x017F;teigern. Seitdem i&#x017F;t in Deut&#x017F;chland die Entwickelung der elektri&#x017F;chen<lb/>
Bahnen &#x017F;ehr zurück geblieben, während die großen Städte Amerikas<lb/>
&#x017F;ich mit einem Netze von &#x017F;olchen Betrieben über&#x017F;ponnen haben. Wie<lb/>
ra&#x017F;ch dort die Pferdebahnen den elektri&#x017F;chen weichen mü&#x017F;&#x017F;en, das können<lb/>
folgende Zahlen zeigen. Noch 1885 waren dort nur drei &#x017F;olche Bahnen<lb/>
mit 12 Kilometern Weglänge und 13 Ma&#x017F;chinenwagen in Betrieb, Ende<lb/>
1889 gab es &#x017F;chon 103 Bahnen mit 870 Kilometern und 851 Wagen<lb/>
und am Anfange des Jahres 1892 war die Weglänge der elektri&#x017F;chen<lb/>
Straßenbahnen auf 4061 Kilometer ge&#x017F;tiegen, während die der Pferde-<lb/>
bahnen im letzten Jahre um 100 Kilometer zurückging. Es i&#x017F;t ja<lb/>
offenbar, daß die elektri&#x017F;chen gegen die&#x017F;e die Vorteile der Sauberkeit und<lb/>
Billigkeit voraushaben mü&#x017F;&#x017F;en, welche der Dien&#x017F;t der Thiere aus&#x017F;chließt.<lb/>
Wir mü&#x017F;&#x017F;en, wollen wir den Bau die&#x017F;er Bahnen recht ver&#x017F;tehen, die<lb/>
einzelnen Teile der&#x017F;elben, al&#x017F;o die Ma&#x017F;chinen&#x017F;tation, die Zuleitung des<lb/>
Stromes und die Motorenwagen genauer ins Auge fa&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
              <p>Die Fig. 154 zeigt die Kraft&#x017F;tation der Straßenbahn, welche die<lb/>
Allgemeine Elektrizitäts-Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft zu Halle an der Saale im vorigen<lb/>
Jahre als die er&#x017F;te elektri&#x017F;ch betriebene in Deut&#x017F;chland dem Verkehr über-<lb/>
geben hat. Wir &#x017F;ehen links die eine der beiden gewaltigen Dampfma&#x017F;chinen,<lb/>
welche bis zu 200 Umdrehungen in der Minute machen, und rechts die<lb/>
mittels Riemenüber&#x017F;etzung mit ihr verbundenen vier Dynamoma&#x017F;chinen.<lb/>
Jede von die&#x017F;en lei&#x017F;tet mehr als 80 Pferde&#x017F;tärken. Die Lei&#x017F;tungsfähigkeit<lb/>
der&#x017F;elben muß etwas höher beme&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ein, als der gleichmäßige Betrieb<lb/>
nötig machen würde, weil bei dem Anfahren der Wagen immer eine<lb/>
große Menge Kraft verbraucht wird. Die Zuführung des Stromes<lb/>
zum Wagen kann eine &#x017F;ehr ver&#x017F;chiedene &#x017F;ein, nämlich entweder durch<lb/>
die Fahr&#x017F;chienen oder eine andere Schiene erfolgen oder durch eine<lb/>
davon getrennte oberirdi&#x017F;che oder &#x017F;chließlich durch eine unterirdi&#x017F;che<lb/>
Leitung ge&#x017F;chehen. In dem er&#x017F;ten Falle wird für eine hinreichende<lb/>
I&#x017F;olierung der Schienen &#x017F;owie dafür ge&#x017F;orgt &#x017F;ein mü&#x017F;&#x017F;en, daß Zugtiere<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[216/0234] Die elektriſchen Erfindungen. Für kurze Bahnen aber empfiehlt es ſich, eine Kraftzentrale einzurichten und durch Leiter den Elektromotoren des Wagens Strom zuzuführen. Der erſte Verſuch einer ſolchen Anlage wurde von der eben genannten Firma auf der Berliner Gewerbeausſtellung 1879 gemacht. Zwiſchen den beiden Hauptſchienen der Bahn lag eine dritte flache und auf die Kante geſtellte Schiene, welche den Elektromotor des Wagens mit Kraft verſorgte. Die Rückleitung nach dem Maſchinen- hauſe geſchah durch die beiden erſtgenannten. Die erſte dauernd für den Betrieb beſtimmte elektriſche Eiſenbahn fährt vom Anhalter Bahn- hof in Lichterfelde zur Kadettenanſtalt. Obgleich für die Iſolierung der Schienen keine große Vorſorge getroffen war, hat doch die Bahn von 1881 bis heute vollſtändig zur Zufriedenheit funktioniert. Sie fährt jedesmal, wenn ein Zug am Anhalter Bahnhof ankommt, und legt die 2,6 Kilometer lange Strecke in acht Minuten zurück, obgleich es keine Schwierigkeiten hätte, ihre Geſchwindigkeit noch zu ſteigern. Seitdem iſt in Deutſchland die Entwickelung der elektriſchen Bahnen ſehr zurück geblieben, während die großen Städte Amerikas ſich mit einem Netze von ſolchen Betrieben überſponnen haben. Wie raſch dort die Pferdebahnen den elektriſchen weichen müſſen, das können folgende Zahlen zeigen. Noch 1885 waren dort nur drei ſolche Bahnen mit 12 Kilometern Weglänge und 13 Maſchinenwagen in Betrieb, Ende 1889 gab es ſchon 103 Bahnen mit 870 Kilometern und 851 Wagen und am Anfange des Jahres 1892 war die Weglänge der elektriſchen Straßenbahnen auf 4061 Kilometer geſtiegen, während die der Pferde- bahnen im letzten Jahre um 100 Kilometer zurückging. Es iſt ja offenbar, daß die elektriſchen gegen dieſe die Vorteile der Sauberkeit und Billigkeit voraushaben müſſen, welche der Dienſt der Thiere ausſchließt. Wir müſſen, wollen wir den Bau dieſer Bahnen recht verſtehen, die einzelnen Teile derſelben, alſo die Maſchinenſtation, die Zuleitung des Stromes und die Motorenwagen genauer ins Auge faſſen. Die Fig. 154 zeigt die Kraftſtation der Straßenbahn, welche die Allgemeine Elektrizitäts-Geſellſchaft zu Halle an der Saale im vorigen Jahre als die erſte elektriſch betriebene in Deutſchland dem Verkehr über- geben hat. Wir ſehen links die eine der beiden gewaltigen Dampfmaſchinen, welche bis zu 200 Umdrehungen in der Minute machen, und rechts die mittels Riemenüberſetzung mit ihr verbundenen vier Dynamomaſchinen. Jede von dieſen leiſtet mehr als 80 Pferdeſtärken. Die Leiſtungsfähigkeit derſelben muß etwas höher bemeſſen ſein, als der gleichmäßige Betrieb nötig machen würde, weil bei dem Anfahren der Wagen immer eine große Menge Kraft verbraucht wird. Die Zuführung des Stromes zum Wagen kann eine ſehr verſchiedene ſein, nämlich entweder durch die Fahrſchienen oder eine andere Schiene erfolgen oder durch eine davon getrennte oberirdiſche oder ſchließlich durch eine unterirdiſche Leitung geſchehen. In dem erſten Falle wird für eine hinreichende Iſolierung der Schienen ſowie dafür geſorgt ſein müſſen, daß Zugtiere

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/234
Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/234>, abgerufen am 27.11.2024.