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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Gasförmige Leuchtstoffe; Gasbeleuchtung.
ausbreitet und die Vollkommenheit der Gasbeleuchtungsapparate fast
von Jahr zu Jahr steigt.

Alle Rohmaterialien, aus denen man Leuchtgas fabriziert, be-
stehen -- mit Ausnahme der Mineralöle -- aus Kohle, Wasserstoff
und Sauerstoff. Beim Erhitzen unter Luftabschluß, der sogenannten
trockenen Destillation, liefern sie alle teils gasförmige, teils zu Flüssig-
keiten kondensierbare Stoffe. An manchen Orten, besonders dort, wo
Mineralöle gewonnen werden, entströmen der Erde brennbare Gase,
welche häufig unter dem Namen "Naturgas" direkt zur technischen
Verwendung gelangen, so besonders in den amerikanischen Staaten
New-York und Pennsylvanien, sowie im Centralpunkt der russischen
Petroleumgewinnung, in Baku. Dasjenige Mineral, welches bei weitem
am meisten zur Leuchtgasgewinnung verwendet wird, ist die Steinkohle.

Man benutzt vorwiegend besonders wasserstoffreiche Kohlen mit
geringem Gehalt an anorganischen Bestandteilen, welche beim Glühen
zusammenbacken (Backkohle). Die beste Kohle zur Leuchtgasbereitung
ist die schottische Kännelkohle aus dem Distrikt von Newcastle; dann
folgt die nur wenig geringere rheinisch-westfälische Kohle, während die
schlesische und die sächsische Steinkohle den geringsten Wert besitzen.

Das Glühen der Steinkohlen erfolgt in Röhren aus feuerfestem
Thon von elliptischem Querschnitt, den Gasretorten; zuweilen giebt
man denselben auch einen eingebogenen Boden. Die Retorten sind am
hinteren Ende verschlossen, haben 2--3 Meter Länge gegen 1/2 Meter
Breite bei etwas geringerer Höhe, und fassen gegen 100 kg Steinkohle,
welche in groben Stücken ein-
geschaufelt wird. Die Retorten
liegen in der Regel horizontal
zu 1 bis 12 Stück in den Glühöfen
(s. Fig. 190 bis 192) und werden
von unten her von der Ofen-
flamme umspielt. Als Feuerung
verwendete man früher Stein-
kohle oder Koks, während heute
die meisten Gasanstalten eine
Generatorfeuerung haben. Das
Prinzip dieser von Siemens er-
fundenen Feuerung besteht darin,
daß ein Gemisch von Luft und
Leuchtgas, welches natürlich
nicht soviel Luft enthalten darf,

[Abbildung] Fig. 190.

Gasretorte im Ofen.

als zur Explosion des Gemisches nötig ist, wenn es vor der Entzündung
angewärmt wird, beim Verbrennen eine sehr hohe Verbrennungs-
temperatur giebt (Fig. 193). Das Gas wird durch unvollständige Ver-
brennung von Braunkohlen erzeugt und, ebenso wie die Luft, in je
eine vorher hoch erhitzte, mit Ziegelsteinen gefüllte Kammer c c' geleitet;

Gasförmige Leuchtſtoffe; Gasbeleuchtung.
ausbreitet und die Vollkommenheit der Gasbeleuchtungsapparate faſt
von Jahr zu Jahr ſteigt.

Alle Rohmaterialien, aus denen man Leuchtgas fabriziert, be-
ſtehen — mit Ausnahme der Mineralöle — aus Kohle, Waſſerſtoff
und Sauerſtoff. Beim Erhitzen unter Luftabſchluß, der ſogenannten
trockenen Deſtillation, liefern ſie alle teils gasförmige, teils zu Flüſſig-
keiten kondenſierbare Stoffe. An manchen Orten, beſonders dort, wo
Mineralöle gewonnen werden, entſtrömen der Erde brennbare Gaſe,
welche häufig unter dem Namen „Naturgas“ direkt zur techniſchen
Verwendung gelangen, ſo beſonders in den amerikaniſchen Staaten
New-York und Pennſylvanien, ſowie im Centralpunkt der ruſſiſchen
Petroleumgewinnung, in Baku. Dasjenige Mineral, welches bei weitem
am meiſten zur Leuchtgasgewinnung verwendet wird, iſt die Steinkohle.

Man benutzt vorwiegend beſonders waſſerſtoffreiche Kohlen mit
geringem Gehalt an anorganiſchen Beſtandteilen, welche beim Glühen
zuſammenbacken (Backkohle). Die beſte Kohle zur Leuchtgasbereitung
iſt die ſchottiſche Kännelkohle aus dem Diſtrikt von Newcaſtle; dann
folgt die nur wenig geringere rheiniſch-weſtfäliſche Kohle, während die
ſchleſiſche und die ſächſiſche Steinkohle den geringſten Wert beſitzen.

Das Glühen der Steinkohlen erfolgt in Röhren aus feuerfeſtem
Thon von elliptiſchem Querſchnitt, den Gasretorten; zuweilen giebt
man denſelben auch einen eingebogenen Boden. Die Retorten ſind am
hinteren Ende verſchloſſen, haben 2—3 Meter Länge gegen ½ Meter
Breite bei etwas geringerer Höhe, und faſſen gegen 100 kg Steinkohle,
welche in groben Stücken ein-
geſchaufelt wird. Die Retorten
liegen in der Regel horizontal
zu 1 bis 12 Stück in den Glühöfen
(ſ. Fig. 190 bis 192) und werden
von unten her von der Ofen-
flamme umſpielt. Als Feuerung
verwendete man früher Stein-
kohle oder Koks, während heute
die meiſten Gasanſtalten eine
Generatorfeuerung haben. Das
Prinzip dieſer von Siemens er-
fundenen Feuerung beſteht darin,
daß ein Gemiſch von Luft und
Leuchtgas, welches natürlich
nicht ſoviel Luft enthalten darf,

[Abbildung] Fig. 190.

Gasretorte im Ofen.

als zur Exploſion des Gemiſches nötig iſt, wenn es vor der Entzündung
angewärmt wird, beim Verbrennen eine ſehr hohe Verbrennungs-
temperatur giebt (Fig. 193). Das Gas wird durch unvollſtändige Ver-
brennung von Braunkohlen erzeugt und, ebenſo wie die Luft, in je
eine vorher hoch erhitzte, mit Ziegelſteinen gefüllte Kammer c c' geleitet;

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[299/0317] Gasförmige Leuchtſtoffe; Gasbeleuchtung. ausbreitet und die Vollkommenheit der Gasbeleuchtungsapparate faſt von Jahr zu Jahr ſteigt. Alle Rohmaterialien, aus denen man Leuchtgas fabriziert, be- ſtehen — mit Ausnahme der Mineralöle — aus Kohle, Waſſerſtoff und Sauerſtoff. Beim Erhitzen unter Luftabſchluß, der ſogenannten trockenen Deſtillation, liefern ſie alle teils gasförmige, teils zu Flüſſig- keiten kondenſierbare Stoffe. An manchen Orten, beſonders dort, wo Mineralöle gewonnen werden, entſtrömen der Erde brennbare Gaſe, welche häufig unter dem Namen „Naturgas“ direkt zur techniſchen Verwendung gelangen, ſo beſonders in den amerikaniſchen Staaten New-York und Pennſylvanien, ſowie im Centralpunkt der ruſſiſchen Petroleumgewinnung, in Baku. Dasjenige Mineral, welches bei weitem am meiſten zur Leuchtgasgewinnung verwendet wird, iſt die Steinkohle. Man benutzt vorwiegend beſonders waſſerſtoffreiche Kohlen mit geringem Gehalt an anorganiſchen Beſtandteilen, welche beim Glühen zuſammenbacken (Backkohle). Die beſte Kohle zur Leuchtgasbereitung iſt die ſchottiſche Kännelkohle aus dem Diſtrikt von Newcaſtle; dann folgt die nur wenig geringere rheiniſch-weſtfäliſche Kohle, während die ſchleſiſche und die ſächſiſche Steinkohle den geringſten Wert beſitzen. Das Glühen der Steinkohlen erfolgt in Röhren aus feuerfeſtem Thon von elliptiſchem Querſchnitt, den Gasretorten; zuweilen giebt man denſelben auch einen eingebogenen Boden. Die Retorten ſind am hinteren Ende verſchloſſen, haben 2—3 Meter Länge gegen ½ Meter Breite bei etwas geringerer Höhe, und faſſen gegen 100 kg Steinkohle, welche in groben Stücken ein- geſchaufelt wird. Die Retorten liegen in der Regel horizontal zu 1 bis 12 Stück in den Glühöfen (ſ. Fig. 190 bis 192) und werden von unten her von der Ofen- flamme umſpielt. Als Feuerung verwendete man früher Stein- kohle oder Koks, während heute die meiſten Gasanſtalten eine Generatorfeuerung haben. Das Prinzip dieſer von Siemens er- fundenen Feuerung beſteht darin, daß ein Gemiſch von Luft und Leuchtgas, welches natürlich nicht ſoviel Luft enthalten darf, [Abbildung Fig. 190. Gasretorte im Ofen.] als zur Exploſion des Gemiſches nötig iſt, wenn es vor der Entzündung angewärmt wird, beim Verbrennen eine ſehr hohe Verbrennungs- temperatur giebt (Fig. 193). Das Gas wird durch unvollſtändige Ver- brennung von Braunkohlen erzeugt und, ebenſo wie die Luft, in je eine vorher hoch erhitzte, mit Ziegelſteinen gefüllte Kammer c c' geleitet;

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/317>, abgerufen am 22.11.2024.