Fasern in kleineren Partieen schichtenweise lagert und die Schichten mit Wasser und Öl besprengt. Zur Ausführung des zweiten Prozesses dient die Jutequetschmaschine, welche mittelst vieler hinter einander an- geordneter geriffelter Walzenpaare das eingeweichte Material mürbe macht. --
Die Wollspinnerei.
Man unterscheidet Streichwollspinnerei und Kammgarnspinnerei. Veranlassung zu dieser Trennung hat die Kräuselung, eine der wichtig- sten Eigenschaften der Wolle gegeben. Dieselbe ist bei den Wollhaaren sehr verschieden und kann größer und geringer sein. Stärker gekräu- selte Wollhaare, welche eine weniger beträchtliche Länge haben, als schlichte, werden zu Streichgarn verarbeitet, schlichte Haare von größerer Länge zu Kammgarn. Aus Streichgarn verfertigte Gewebe, Tuche, lassen sich einfilzen, einwalken, d. h. wenn man sie mit Seife, Urin, Walkerde, behandelt und auf sie Druck und Stoß einwirken läßt, so verfangen sich die gekräuselten Härchen in den Fäden und diejenigen der benachbarten Fäden in der Ware und halten sich, da die Ober- fläche eines Wollhaares schuppig ist, gegenseitig fest, schließen allmählich die Poren zwischen Kette- und Schußfäden und bilden die sog. Filz- decke. Das Gewebe wird hierdurch dicker, läuft in der Länge und Breite ein, und die Ware kennzeichnet sich dadurch, daß in ihr die ein- zelnen Fäden nicht mehr sichtbar sind. Dagegen läßt sich das mit den langen, schlichten Wollhaaren und daraus hergestellten Garnen und Waren nicht oder doch nur in ganz geringem Grade erreichen. Kammgarnstoffe lassen daher immer die Bindung der Fäden, d. i. die Kreuzung von Kette und Schuß mehr oder weniger deutlich erkennen. Außer den genannten beiden Arten der Wollspinnerei existiert noch eine dritte, die Kunstwollspinnerei, welche die in wollenen und halbwollenen Lumpen befindlichen Wollhaare ausscheidet und wieder zu Garnen ver- arbeitet, die unter dem Sammelnamen Kunstwolle bekannt sind.
Was die Streichwollspinnerei anbelangt, so sind die in Betracht zu ziehenden Operationen: das Waschen, die Fabrikwäsche; das Färben, wenn solches schon in der Wolle statthaben soll; das Wolfen, d. i. das Entfernen anhängender Verunreinigungen und das Auflockern der Wolle; das Einfetten, Fetten, Schmalzen derselben; das Kratzen, Krem- peln; das Vorspinnen und das Feinspinnen, Operationen, wie wir sie zum Teil auch in der Baumwollspinnerei gefunden haben. Die Fabrik- wäsche, welche eine gründliche Reinigung der Wolle von dem Fettschweiß bezweckt, zerfällt in das Entschweißen, Spülen und Trocknen. Zum Entschweißen bedient man sich in kleineren Betrieben, wie seit langen Jahrhunderten des gefaulten Urins, in größeren Betrieben der Laugen aus Soda, wo auch die Handarbeit durch maschinelle ersetzt ist. Große, in mehrere Behälter zerfallende Maschinen, unter dem Namen Leviathane bekannt, nehmen die Lauge auf, und wird die Wolle mechanisch aus
Die Textil-Induſtrie.
Faſern in kleineren Partieen ſchichtenweiſe lagert und die Schichten mit Waſſer und Öl beſprengt. Zur Ausführung des zweiten Prozeſſes dient die Jutequetſchmaſchine, welche mittelſt vieler hinter einander an- geordneter geriffelter Walzenpaare das eingeweichte Material mürbe macht. —
Die Wollſpinnerei.
Man unterſcheidet Streichwollſpinnerei und Kammgarnſpinnerei. Veranlaſſung zu dieſer Trennung hat die Kräuſelung, eine der wichtig- ſten Eigenſchaften der Wolle gegeben. Dieſelbe iſt bei den Wollhaaren ſehr verſchieden und kann größer und geringer ſein. Stärker gekräu- ſelte Wollhaare, welche eine weniger beträchtliche Länge haben, als ſchlichte, werden zu Streichgarn verarbeitet, ſchlichte Haare von größerer Länge zu Kammgarn. Aus Streichgarn verfertigte Gewebe, Tuche, laſſen ſich einfilzen, einwalken, d. h. wenn man ſie mit Seife, Urin, Walkerde, behandelt und auf ſie Druck und Stoß einwirken läßt, ſo verfangen ſich die gekräuſelten Härchen in den Fäden und diejenigen der benachbarten Fäden in der Ware und halten ſich, da die Ober- fläche eines Wollhaares ſchuppig iſt, gegenſeitig feſt, ſchließen allmählich die Poren zwiſchen Kette- und Schußfäden und bilden die ſog. Filz- decke. Das Gewebe wird hierdurch dicker, läuft in der Länge und Breite ein, und die Ware kennzeichnet ſich dadurch, daß in ihr die ein- zelnen Fäden nicht mehr ſichtbar ſind. Dagegen läßt ſich das mit den langen, ſchlichten Wollhaaren und daraus hergeſtellten Garnen und Waren nicht oder doch nur in ganz geringem Grade erreichen. Kammgarnſtoffe laſſen daher immer die Bindung der Fäden, d. i. die Kreuzung von Kette und Schuß mehr oder weniger deutlich erkennen. Außer den genannten beiden Arten der Wollſpinnerei exiſtiert noch eine dritte, die Kunſtwollſpinnerei, welche die in wollenen und halbwollenen Lumpen befindlichen Wollhaare ausſcheidet und wieder zu Garnen ver- arbeitet, die unter dem Sammelnamen Kunſtwolle bekannt ſind.
Was die Streichwollſpinnerei anbelangt, ſo ſind die in Betracht zu ziehenden Operationen: das Waſchen, die Fabrikwäſche; das Färben, wenn ſolches ſchon in der Wolle ſtatthaben ſoll; das Wolfen, d. i. das Entfernen anhängender Verunreinigungen und das Auflockern der Wolle; das Einfetten, Fetten, Schmalzen derſelben; das Kratzen, Krem- peln; das Vorſpinnen und das Feinſpinnen, Operationen, wie wir ſie zum Teil auch in der Baumwollſpinnerei gefunden haben. Die Fabrik- wäſche, welche eine gründliche Reinigung der Wolle von dem Fettſchweiß bezweckt, zerfällt in das Entſchweißen, Spülen und Trocknen. Zum Entſchweißen bedient man ſich in kleineren Betrieben, wie ſeit langen Jahrhunderten des gefaulten Urins, in größeren Betrieben der Laugen aus Soda, wo auch die Handarbeit durch maſchinelle erſetzt iſt. Große, in mehrere Behälter zerfallende Maſchinen, unter dem Namen Leviathane bekannt, nehmen die Lauge auf, und wird die Wolle mechaniſch aus
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0376"n="358"/><fwplace="top"type="header">Die Textil-Induſtrie.</fw><lb/>
Faſern in kleineren Partieen ſchichtenweiſe lagert und die Schichten mit<lb/>
Waſſer und Öl beſprengt. Zur Ausführung des zweiten Prozeſſes<lb/>
dient die Jutequetſchmaſchine, welche mittelſt vieler hinter einander an-<lb/>
geordneter geriffelter Walzenpaare das eingeweichte Material mürbe<lb/>
macht. —</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">Die Wollſpinnerei.</hi></head><lb/><p>Man unterſcheidet Streichwollſpinnerei und Kammgarnſpinnerei.<lb/>
Veranlaſſung zu dieſer Trennung hat die Kräuſelung, eine der wichtig-<lb/>ſten Eigenſchaften der Wolle gegeben. Dieſelbe iſt bei den Wollhaaren<lb/>ſehr verſchieden und kann größer und geringer ſein. Stärker gekräu-<lb/>ſelte Wollhaare, welche eine weniger beträchtliche Länge haben, als<lb/>ſchlichte, werden zu Streichgarn verarbeitet, ſchlichte Haare von größerer<lb/>
Länge zu Kammgarn. Aus Streichgarn verfertigte Gewebe, Tuche,<lb/>
laſſen ſich einfilzen, einwalken, d. h. wenn man ſie mit Seife, Urin,<lb/>
Walkerde, behandelt und auf ſie Druck und Stoß einwirken läßt, ſo<lb/>
verfangen ſich die gekräuſelten Härchen in den Fäden und diejenigen<lb/>
der benachbarten Fäden in der Ware und halten ſich, da die Ober-<lb/>
fläche eines Wollhaares ſchuppig iſt, gegenſeitig feſt, ſchließen allmählich<lb/>
die Poren zwiſchen Kette- und Schußfäden und bilden die ſog. Filz-<lb/>
decke. Das Gewebe wird hierdurch dicker, läuft in der Länge und<lb/>
Breite ein, und die Ware kennzeichnet ſich dadurch, daß in ihr die ein-<lb/>
zelnen Fäden nicht mehr ſichtbar ſind. Dagegen läßt ſich das mit den<lb/>
langen, ſchlichten Wollhaaren und daraus hergeſtellten Garnen und<lb/>
Waren nicht oder doch nur in ganz geringem Grade erreichen.<lb/>
Kammgarnſtoffe laſſen daher immer die Bindung der Fäden, d. i. die<lb/>
Kreuzung von Kette und Schuß mehr oder weniger deutlich erkennen.<lb/>
Außer den genannten beiden Arten der Wollſpinnerei exiſtiert noch eine<lb/>
dritte, die Kunſtwollſpinnerei, welche die in wollenen und halbwollenen<lb/>
Lumpen befindlichen Wollhaare ausſcheidet und wieder zu Garnen ver-<lb/>
arbeitet, die unter dem Sammelnamen Kunſtwolle bekannt ſind.</p><lb/><p>Was die Streichwollſpinnerei anbelangt, ſo ſind die in Betracht zu<lb/>
ziehenden Operationen: das Waſchen, die Fabrikwäſche; das Färben,<lb/>
wenn ſolches ſchon in der Wolle ſtatthaben ſoll; das Wolfen, d. i. das<lb/>
Entfernen anhängender Verunreinigungen und das Auflockern der<lb/>
Wolle; das Einfetten, Fetten, Schmalzen derſelben; das Kratzen, Krem-<lb/>
peln; das Vorſpinnen und das Feinſpinnen, Operationen, wie wir ſie<lb/>
zum Teil auch in der Baumwollſpinnerei gefunden haben. Die Fabrik-<lb/>
wäſche, welche eine gründliche Reinigung der Wolle von dem Fettſchweiß<lb/>
bezweckt, zerfällt in das Entſchweißen, Spülen und Trocknen. Zum<lb/>
Entſchweißen bedient man ſich in kleineren Betrieben, wie ſeit langen<lb/>
Jahrhunderten des gefaulten Urins, in größeren Betrieben der Laugen<lb/>
aus Soda, wo auch die Handarbeit durch maſchinelle erſetzt iſt. Große,<lb/>
in mehrere Behälter zerfallende Maſchinen, unter dem Namen Leviathane<lb/>
bekannt, nehmen die Lauge auf, und wird die Wolle mechaniſch aus<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[358/0376]
Die Textil-Induſtrie.
Faſern in kleineren Partieen ſchichtenweiſe lagert und die Schichten mit
Waſſer und Öl beſprengt. Zur Ausführung des zweiten Prozeſſes
dient die Jutequetſchmaſchine, welche mittelſt vieler hinter einander an-
geordneter geriffelter Walzenpaare das eingeweichte Material mürbe
macht. —
Die Wollſpinnerei.
Man unterſcheidet Streichwollſpinnerei und Kammgarnſpinnerei.
Veranlaſſung zu dieſer Trennung hat die Kräuſelung, eine der wichtig-
ſten Eigenſchaften der Wolle gegeben. Dieſelbe iſt bei den Wollhaaren
ſehr verſchieden und kann größer und geringer ſein. Stärker gekräu-
ſelte Wollhaare, welche eine weniger beträchtliche Länge haben, als
ſchlichte, werden zu Streichgarn verarbeitet, ſchlichte Haare von größerer
Länge zu Kammgarn. Aus Streichgarn verfertigte Gewebe, Tuche,
laſſen ſich einfilzen, einwalken, d. h. wenn man ſie mit Seife, Urin,
Walkerde, behandelt und auf ſie Druck und Stoß einwirken läßt, ſo
verfangen ſich die gekräuſelten Härchen in den Fäden und diejenigen
der benachbarten Fäden in der Ware und halten ſich, da die Ober-
fläche eines Wollhaares ſchuppig iſt, gegenſeitig feſt, ſchließen allmählich
die Poren zwiſchen Kette- und Schußfäden und bilden die ſog. Filz-
decke. Das Gewebe wird hierdurch dicker, läuft in der Länge und
Breite ein, und die Ware kennzeichnet ſich dadurch, daß in ihr die ein-
zelnen Fäden nicht mehr ſichtbar ſind. Dagegen läßt ſich das mit den
langen, ſchlichten Wollhaaren und daraus hergeſtellten Garnen und
Waren nicht oder doch nur in ganz geringem Grade erreichen.
Kammgarnſtoffe laſſen daher immer die Bindung der Fäden, d. i. die
Kreuzung von Kette und Schuß mehr oder weniger deutlich erkennen.
Außer den genannten beiden Arten der Wollſpinnerei exiſtiert noch eine
dritte, die Kunſtwollſpinnerei, welche die in wollenen und halbwollenen
Lumpen befindlichen Wollhaare ausſcheidet und wieder zu Garnen ver-
arbeitet, die unter dem Sammelnamen Kunſtwolle bekannt ſind.
Was die Streichwollſpinnerei anbelangt, ſo ſind die in Betracht zu
ziehenden Operationen: das Waſchen, die Fabrikwäſche; das Färben,
wenn ſolches ſchon in der Wolle ſtatthaben ſoll; das Wolfen, d. i. das
Entfernen anhängender Verunreinigungen und das Auflockern der
Wolle; das Einfetten, Fetten, Schmalzen derſelben; das Kratzen, Krem-
peln; das Vorſpinnen und das Feinſpinnen, Operationen, wie wir ſie
zum Teil auch in der Baumwollſpinnerei gefunden haben. Die Fabrik-
wäſche, welche eine gründliche Reinigung der Wolle von dem Fettſchweiß
bezweckt, zerfällt in das Entſchweißen, Spülen und Trocknen. Zum
Entſchweißen bedient man ſich in kleineren Betrieben, wie ſeit langen
Jahrhunderten des gefaulten Urins, in größeren Betrieben der Laugen
aus Soda, wo auch die Handarbeit durch maſchinelle erſetzt iſt. Große,
in mehrere Behälter zerfallende Maſchinen, unter dem Namen Leviathane
bekannt, nehmen die Lauge auf, und wird die Wolle mechaniſch aus
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/376>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.