Beschädigung des Fadens nicht zuläßt. Früher nahm man Spiritus hierzu, seltener Öl, weil dieses rußte; heute wird das Leuchtgas, dem man, um das Blaken zu verhüten, atmospärische Luft zuführt, wie es in den bekannten Bunsenschen Brennern geschieht, zum Sengen des Garnes benutzt und wird letzteres in einer Maschine, der Gasier- maschine, bearbeitet. -- Gespinstfasern und die daraus gebildeten Fäden sind sehr hygroskopisch. Durch Anziehen der Feuchtigkeit aus der Luft erhöht sich ihr Gewicht. Ist das nun auch bei dem billigen Preise der Garne aus vegetabilischen Fasern nicht von großer Wichtigkeit, so fällt dieser Umstand für die teure Seide insbesondere, aber auch für die nicht billigen Wollgarne sehr in die Wagschale. Man unterwirft deshalb zur Vermeidung von Streitigkeiten zwischen Käufer und Verkäufer die Seide stets, die Wolle gegenwärtig schon vielfach einem besonderen Verfahren, welches die Konditionierung heißt. Proben der resp. Garne werden in den unter öffentlicher Autorität stehenden Konditionieranstalten vollkommen ausgetrocknet und dann gewogen. Zu dem Trockengewicht wird ein bestimmter feststehender Zuschlag ge- macht, der dem Normalzustand des Garnes entspricht und das er- haltene Gesamtgewicht auf die eingelieferten, zu konditionierenden Garn- ballen verrechnet.
So sind denn eine Menge von Bearbeitungsmethoden nötig, um aus den Rohmaterialien die Garne zu bilden, welche die Textilindustrie gegenwärtig für ihre Fabrikate verlangt. Waren diese Methoden auch zum Teil schon in den ältesten Zeiten bekannt -- mußte doch jedes Material eine vorgeschriebene Bearbeitung erfahren, um einen Faden abzugeben -- so hat doch erst die Erfindung der Spinnmaschine und daran anschließend der einschlägigen Hilfsmaschinen dazu geführt, diese Bearbeitung richtig zu zergliedern und die Reihenfolge der Einzel- operationen so zu ordnen, daß die produzierten Garne unvergleichlich viel billiger und die aus ihnen verfertigten Waren auch dem weniger Bemittelten zugänglich geworden sind. Letzteres ist natürlich nicht die Errungenschaft der Spinnerei allein, sondern die entsprechend entwickelte Weberei hat gleichfalls ihren Anteil daran.
Die Weberei und ihre Vorbereitungsarbeiten.
Wenn man ein gewebtes Stück Zeug betrachtet, so unterscheidet man leicht zwei Systeme von Fäden. Eines derselben läuft in paralleler Richtung der Länge nach, das andere zieht sich der Breite nach hin. Die Fäden des ersten Systemes bilden die Kette, die des letzteren den Schuß. Es leuchtet ein, daß die Kettfäden gleiche Länge haben müssen, auch auf solche im Gewebe abgeschnitten erscheinen, während der Schuß ohne sichtbare Unterbrechung in der Kette hin und her geht und an den beiden Rändern, den Kanten, Leisten, umkehren kann. Kette und Schuß werden beim Weben in der Weise mit einander vereinigt, daß
Weitere Behandlung der Garne.
Beſchädigung des Fadens nicht zuläßt. Früher nahm man Spiritus hierzu, ſeltener Öl, weil dieſes rußte; heute wird das Leuchtgas, dem man, um das Blaken zu verhüten, atmoſpäriſche Luft zuführt, wie es in den bekannten Bunſenſchen Brennern geſchieht, zum Sengen des Garnes benutzt und wird letzteres in einer Maſchine, der Gaſier- maſchine, bearbeitet. — Geſpinſtfaſern und die daraus gebildeten Fäden ſind ſehr hygroſkopiſch. Durch Anziehen der Feuchtigkeit aus der Luft erhöht ſich ihr Gewicht. Iſt das nun auch bei dem billigen Preiſe der Garne aus vegetabiliſchen Faſern nicht von großer Wichtigkeit, ſo fällt dieſer Umſtand für die teure Seide insbeſondere, aber auch für die nicht billigen Wollgarne ſehr in die Wagſchale. Man unterwirft deshalb zur Vermeidung von Streitigkeiten zwiſchen Käufer und Verkäufer die Seide ſtets, die Wolle gegenwärtig ſchon vielfach einem beſonderen Verfahren, welches die Konditionierung heißt. Proben der reſp. Garne werden in den unter öffentlicher Autorität ſtehenden Konditionieranſtalten vollkommen ausgetrocknet und dann gewogen. Zu dem Trockengewicht wird ein beſtimmter feſtſtehender Zuſchlag ge- macht, der dem Normalzuſtand des Garnes entſpricht und das er- haltene Geſamtgewicht auf die eingelieferten, zu konditionierenden Garn- ballen verrechnet.
So ſind denn eine Menge von Bearbeitungsmethoden nötig, um aus den Rohmaterialien die Garne zu bilden, welche die Textilinduſtrie gegenwärtig für ihre Fabrikate verlangt. Waren dieſe Methoden auch zum Teil ſchon in den älteſten Zeiten bekannt — mußte doch jedes Material eine vorgeſchriebene Bearbeitung erfahren, um einen Faden abzugeben — ſo hat doch erſt die Erfindung der Spinnmaſchine und daran anſchließend der einſchlägigen Hilfsmaſchinen dazu geführt, dieſe Bearbeitung richtig zu zergliedern und die Reihenfolge der Einzel- operationen ſo zu ordnen, daß die produzierten Garne unvergleichlich viel billiger und die aus ihnen verfertigten Waren auch dem weniger Bemittelten zugänglich geworden ſind. Letzteres iſt natürlich nicht die Errungenſchaft der Spinnerei allein, ſondern die entſprechend entwickelte Weberei hat gleichfalls ihren Anteil daran.
Die Weberei und ihre Vorbereitungsarbeiten.
Wenn man ein gewebtes Stück Zeug betrachtet, ſo unterſcheidet man leicht zwei Syſteme von Fäden. Eines derſelben läuft in paralleler Richtung der Länge nach, das andere zieht ſich der Breite nach hin. Die Fäden des erſten Syſtemes bilden die Kette, die des letzteren den Schuß. Es leuchtet ein, daß die Kettfäden gleiche Länge haben müſſen, auch auf ſolche im Gewebe abgeſchnitten erſcheinen, während der Schuß ohne ſichtbare Unterbrechung in der Kette hin und her geht und an den beiden Rändern, den Kanten, Leiſten, umkehren kann. Kette und Schuß werden beim Weben in der Weiſe mit einander vereinigt, daß
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Weitere Behandlung der Garne.
Beſchädigung des Fadens nicht zuläßt. Früher nahm man Spiritus
hierzu, ſeltener Öl, weil dieſes rußte; heute wird das Leuchtgas, dem
man, um das Blaken zu verhüten, atmoſpäriſche Luft zuführt, wie es
in den bekannten Bunſenſchen Brennern geſchieht, zum Sengen des
Garnes benutzt und wird letzteres in einer Maſchine, der Gaſier-
maſchine, bearbeitet. — Geſpinſtfaſern und die daraus gebildeten
Fäden ſind ſehr hygroſkopiſch. Durch Anziehen der Feuchtigkeit
aus der Luft erhöht ſich ihr Gewicht. Iſt das nun auch bei dem
billigen Preiſe der Garne aus vegetabiliſchen Faſern nicht von großer
Wichtigkeit, ſo fällt dieſer Umſtand für die teure Seide insbeſondere,
aber auch für die nicht billigen Wollgarne ſehr in die Wagſchale. Man
unterwirft deshalb zur Vermeidung von Streitigkeiten zwiſchen Käufer
und Verkäufer die Seide ſtets, die Wolle gegenwärtig ſchon vielfach
einem beſonderen Verfahren, welches die Konditionierung heißt. Proben
der reſp. Garne werden in den unter öffentlicher Autorität ſtehenden
Konditionieranſtalten vollkommen ausgetrocknet und dann gewogen.
Zu dem Trockengewicht wird ein beſtimmter feſtſtehender Zuſchlag ge-
macht, der dem Normalzuſtand des Garnes entſpricht und das er-
haltene Geſamtgewicht auf die eingelieferten, zu konditionierenden Garn-
ballen verrechnet.
So ſind denn eine Menge von Bearbeitungsmethoden nötig, um
aus den Rohmaterialien die Garne zu bilden, welche die Textilinduſtrie
gegenwärtig für ihre Fabrikate verlangt. Waren dieſe Methoden auch
zum Teil ſchon in den älteſten Zeiten bekannt — mußte doch jedes
Material eine vorgeſchriebene Bearbeitung erfahren, um einen Faden
abzugeben — ſo hat doch erſt die Erfindung der Spinnmaſchine und
daran anſchließend der einſchlägigen Hilfsmaſchinen dazu geführt, dieſe
Bearbeitung richtig zu zergliedern und die Reihenfolge der Einzel-
operationen ſo zu ordnen, daß die produzierten Garne unvergleichlich
viel billiger und die aus ihnen verfertigten Waren auch dem weniger
Bemittelten zugänglich geworden ſind. Letzteres iſt natürlich nicht die
Errungenſchaft der Spinnerei allein, ſondern die entſprechend entwickelte
Weberei hat gleichfalls ihren Anteil daran.
Die Weberei und ihre Vorbereitungsarbeiten.
Wenn man ein gewebtes Stück Zeug betrachtet, ſo unterſcheidet
man leicht zwei Syſteme von Fäden. Eines derſelben läuft in paralleler
Richtung der Länge nach, das andere zieht ſich der Breite nach hin.
Die Fäden des erſten Syſtemes bilden die Kette, die des letzteren den
Schuß. Es leuchtet ein, daß die Kettfäden gleiche Länge haben müſſen,
auch auf ſolche im Gewebe abgeſchnitten erſcheinen, während der Schuß
ohne ſichtbare Unterbrechung in der Kette hin und her geht und an
den beiden Rändern, den Kanten, Leiſten, umkehren kann. Kette und
Schuß werden beim Weben in der Weiſe mit einander vereinigt, daß
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/385>, abgerufen am 22.11.2024.
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