jetzt über eine vollständige Farbenskala Ultramarin ähnlicher Farben verfügt.
Als Malfarben nicht mehr gebräuchlich sind der unechte Lasur- stein (die Kupferlasur) und der Malachit, beides Verbindungen von Kupfer und Kohlensäure. Von den sonstigen kupferhaltigen Farben (z. B. Grünspan, Bremer Blau, Scheelesches Grün) hat eine größere Bedeutung nur das Schweinfurter Grün. Diese außerordentlich schöne und feurige Farbe ist eine Verbindung von Kupfer, Arsenik und Essig- säure und deshalb sehr giftig. Sie wurde 1814 von Ruß und Sattler in Schweinfurt entdeckt und fand wegen ihrer Schönheit vielfache Ver- wendung als Anstrich- und Druckfarbe, besonders für Tapeten. Man versuchte sogar, sie zum Färben von Kleidern zu benutzen, indem man die Farbe mit Eiweiß auf dem Stoffe befestigte. Leider war aber diese Art der Färberei von äußerst geringer Haltbarkeit; die Farbe stäubte von den schönen grünen Ballkleidern beim Tanzen ab oder wurde durch den Schweiß zersetzt, zum schweren Schaden für die Trägerinnen sowohl als für die übrigen Tänzer. Die vielfachen Ver- giftungen, die eine Folge dieser grünen Kleider waren, führten bald dazu, das Schweinfurter Grün und mit ihm alle andern grünen Farben in Verruf zu bringen. In Deutschland und vielen anderen Ländern darf das Schweinfurter Grün jetzt nur noch als Ölfarbe verwendet werden, und da es sich dazu schlecht eignet, so wird es bei uns wenig mehr gebraucht. Immerhin werden noch bedeutende Mengen für den Ver- sand nach dem Orient und nach China hergestellt, wo man nicht so skrupulös ist und auf Vergiftungen weniger Gewicht legt.
Eine der früher am häufigsten gebrauchten blauen Farben ist das Kobaltblau, die Smalte. Als Erfinder derselben (1540) wird der böhmische Glasmacher Christoph Schürer in Neudeck bezeichnet. Sein Geheimnis wurde den Holländern bekannt, deren Betriebsamkeit bald in Schneeberg einen lebhaften Kobalterzbergbau ins Leben rief. Die Smalte (Schmelze) wird durch Zusammenschmelzen von Sand, Pott- asche und geröstetem Kobalterz (Zaffer) dargestellt, sie ist also ein blaugefärbtes Glas. Die Industrie nahm bis zum dreißigjährigen Kriege einen bedeutenden Aufschwung, sowohl auf der sächsischen als auf der böhmischen Seite des Erzgebirges, um dann durch den Krieg allerdings fast gänzlich zu Grunde zu gehen. Erst gegen Ausgang des großen Krieges entstanden neue Blaufarbenwerke, von denen jetzt noch zwei bestehen. Der Verbrauch an Smalte ist durch die Ein- führung des künstlichen Ultramarins bedeutend zurückgegangen.
Von blauen Farben ist außer den bereits genannten nur noch zu nennen das Berliner Blau, eine Eisenverbindung der Blausäure (welche letztere ihren Namen vom Berliner Blau herleitet). Man gewinnt das Berliner Blau aus dem gelben Blutlaugensalz (gelbes blausaures Kali, Ferrocyankalium); dieses entsteht, wenn man Pottasche mit Kohle und tierischen, stickstoffhaltigen Abfällen (Horn, Haut, Leder) unter
Die Farben und das Färben.
jetzt über eine vollſtändige Farbenſkala Ultramarin ähnlicher Farben verfügt.
Als Malfarben nicht mehr gebräuchlich ſind der unechte Laſur- ſtein (die Kupferlaſur) und der Malachit, beides Verbindungen von Kupfer und Kohlenſäure. Von den ſonſtigen kupferhaltigen Farben (z. B. Grünſpan, Bremer Blau, Scheeleſches Grün) hat eine größere Bedeutung nur das Schweinfurter Grün. Dieſe außerordentlich ſchöne und feurige Farbe iſt eine Verbindung von Kupfer, Arſenik und Eſſig- ſäure und deshalb ſehr giftig. Sie wurde 1814 von Ruß und Sattler in Schweinfurt entdeckt und fand wegen ihrer Schönheit vielfache Ver- wendung als Anſtrich- und Druckfarbe, beſonders für Tapeten. Man verſuchte ſogar, ſie zum Färben von Kleidern zu benutzen, indem man die Farbe mit Eiweiß auf dem Stoffe befeſtigte. Leider war aber dieſe Art der Färberei von äußerſt geringer Haltbarkeit; die Farbe ſtäubte von den ſchönen grünen Ballkleidern beim Tanzen ab oder wurde durch den Schweiß zerſetzt, zum ſchweren Schaden für die Trägerinnen ſowohl als für die übrigen Tänzer. Die vielfachen Ver- giftungen, die eine Folge dieſer grünen Kleider waren, führten bald dazu, das Schweinfurter Grün und mit ihm alle andern grünen Farben in Verruf zu bringen. In Deutſchland und vielen anderen Ländern darf das Schweinfurter Grün jetzt nur noch als Ölfarbe verwendet werden, und da es ſich dazu ſchlecht eignet, ſo wird es bei uns wenig mehr gebraucht. Immerhin werden noch bedeutende Mengen für den Ver- ſand nach dem Orient und nach China hergeſtellt, wo man nicht ſo ſkrupulös iſt und auf Vergiftungen weniger Gewicht legt.
Eine der früher am häufigſten gebrauchten blauen Farben iſt das Kobaltblau, die Smalte. Als Erfinder derſelben (1540) wird der böhmiſche Glasmacher Chriſtoph Schürer in Neudeck bezeichnet. Sein Geheimnis wurde den Holländern bekannt, deren Betriebſamkeit bald in Schneeberg einen lebhaften Kobalterzbergbau ins Leben rief. Die Smalte (Schmelze) wird durch Zuſammenſchmelzen von Sand, Pott- aſche und geröſtetem Kobalterz (Zaffer) dargeſtellt, ſie iſt alſo ein blaugefärbtes Glas. Die Induſtrie nahm bis zum dreißigjährigen Kriege einen bedeutenden Aufſchwung, ſowohl auf der ſächſiſchen als auf der böhmiſchen Seite des Erzgebirges, um dann durch den Krieg allerdings faſt gänzlich zu Grunde zu gehen. Erſt gegen Ausgang des großen Krieges entſtanden neue Blaufarbenwerke, von denen jetzt noch zwei beſtehen. Der Verbrauch an Smalte iſt durch die Ein- führung des künſtlichen Ultramarins bedeutend zurückgegangen.
Von blauen Farben iſt außer den bereits genannten nur noch zu nennen das Berliner Blau, eine Eiſenverbindung der Blauſäure (welche letztere ihren Namen vom Berliner Blau herleitet). Man gewinnt das Berliner Blau aus dem gelben Blutlaugenſalz (gelbes blauſaures Kali, Ferrocyankalium); dieſes entſteht, wenn man Pottaſche mit Kohle und tieriſchen, ſtickſtoffhaltigen Abfällen (Horn, Haut, Leder) unter
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0412"n="394"/><fwplace="top"type="header">Die Farben und das Färben.</fw><lb/>
jetzt über eine vollſtändige Farbenſkala Ultramarin ähnlicher Farben<lb/>
verfügt.</p><lb/><p>Als Malfarben nicht mehr gebräuchlich ſind der unechte Laſur-<lb/>ſtein (die Kupferlaſur) und der Malachit, beides Verbindungen von<lb/>
Kupfer und Kohlenſäure. Von den ſonſtigen kupferhaltigen Farben<lb/>
(z. B. Grünſpan, Bremer Blau, Scheeleſches Grün) hat eine größere<lb/>
Bedeutung nur das Schweinfurter Grün. Dieſe außerordentlich ſchöne<lb/>
und feurige Farbe iſt eine Verbindung von Kupfer, Arſenik und Eſſig-<lb/>ſäure und deshalb ſehr giftig. Sie wurde 1814 von Ruß und Sattler<lb/>
in Schweinfurt entdeckt und fand wegen ihrer Schönheit vielfache Ver-<lb/>
wendung als Anſtrich- und Druckfarbe, beſonders für Tapeten. Man<lb/>
verſuchte ſogar, ſie zum Färben von Kleidern zu benutzen, indem man<lb/>
die Farbe mit Eiweiß auf dem Stoffe befeſtigte. Leider war aber<lb/>
dieſe Art der Färberei von äußerſt geringer Haltbarkeit; die Farbe<lb/>ſtäubte von den ſchönen grünen Ballkleidern beim Tanzen ab oder<lb/>
wurde durch den Schweiß zerſetzt, zum ſchweren Schaden für die<lb/>
Trägerinnen ſowohl als für die übrigen Tänzer. Die vielfachen Ver-<lb/>
giftungen, die eine Folge dieſer grünen Kleider waren, führten bald<lb/>
dazu, das Schweinfurter Grün und mit ihm alle andern grünen Farben in<lb/>
Verruf zu bringen. In Deutſchland und vielen anderen Ländern darf<lb/>
das Schweinfurter Grün jetzt nur noch als Ölfarbe verwendet werden,<lb/>
und da es ſich dazu ſchlecht eignet, ſo wird es bei uns wenig mehr<lb/>
gebraucht. Immerhin werden noch bedeutende Mengen für den Ver-<lb/>ſand nach dem Orient und nach China hergeſtellt, wo man nicht ſo<lb/>ſkrupulös iſt und auf Vergiftungen weniger Gewicht legt.</p><lb/><p>Eine der früher am häufigſten gebrauchten blauen Farben iſt das<lb/>
Kobaltblau, die Smalte. Als Erfinder derſelben (1540) wird der<lb/>
böhmiſche Glasmacher Chriſtoph Schürer in Neudeck bezeichnet. Sein<lb/>
Geheimnis wurde den Holländern bekannt, deren Betriebſamkeit bald<lb/>
in Schneeberg einen lebhaften Kobalterzbergbau ins Leben rief. Die<lb/>
Smalte (Schmelze) wird durch Zuſammenſchmelzen von Sand, Pott-<lb/>
aſche und geröſtetem Kobalterz (Zaffer) dargeſtellt, ſie iſt alſo ein<lb/>
blaugefärbtes Glas. Die Induſtrie nahm bis zum dreißigjährigen<lb/>
Kriege einen bedeutenden Aufſchwung, ſowohl auf der ſächſiſchen als<lb/>
auf der böhmiſchen Seite des Erzgebirges, um dann durch den Krieg<lb/>
allerdings faſt gänzlich zu Grunde zu gehen. Erſt gegen Ausgang<lb/>
des großen Krieges entſtanden neue Blaufarbenwerke, von denen jetzt<lb/>
noch zwei beſtehen. Der Verbrauch an Smalte iſt durch die Ein-<lb/>
führung des künſtlichen Ultramarins bedeutend zurückgegangen.</p><lb/><p>Von blauen Farben iſt außer den bereits genannten nur noch zu<lb/>
nennen das Berliner Blau, eine Eiſenverbindung der Blauſäure (welche<lb/>
letztere ihren Namen vom Berliner Blau herleitet). Man gewinnt das<lb/>
Berliner Blau aus dem gelben Blutlaugenſalz (gelbes blauſaures<lb/>
Kali, Ferrocyankalium); dieſes entſteht, wenn man Pottaſche mit Kohle<lb/>
und tieriſchen, ſtickſtoffhaltigen Abfällen (Horn, Haut, Leder) unter<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[394/0412]
Die Farben und das Färben.
jetzt über eine vollſtändige Farbenſkala Ultramarin ähnlicher Farben
verfügt.
Als Malfarben nicht mehr gebräuchlich ſind der unechte Laſur-
ſtein (die Kupferlaſur) und der Malachit, beides Verbindungen von
Kupfer und Kohlenſäure. Von den ſonſtigen kupferhaltigen Farben
(z. B. Grünſpan, Bremer Blau, Scheeleſches Grün) hat eine größere
Bedeutung nur das Schweinfurter Grün. Dieſe außerordentlich ſchöne
und feurige Farbe iſt eine Verbindung von Kupfer, Arſenik und Eſſig-
ſäure und deshalb ſehr giftig. Sie wurde 1814 von Ruß und Sattler
in Schweinfurt entdeckt und fand wegen ihrer Schönheit vielfache Ver-
wendung als Anſtrich- und Druckfarbe, beſonders für Tapeten. Man
verſuchte ſogar, ſie zum Färben von Kleidern zu benutzen, indem man
die Farbe mit Eiweiß auf dem Stoffe befeſtigte. Leider war aber
dieſe Art der Färberei von äußerſt geringer Haltbarkeit; die Farbe
ſtäubte von den ſchönen grünen Ballkleidern beim Tanzen ab oder
wurde durch den Schweiß zerſetzt, zum ſchweren Schaden für die
Trägerinnen ſowohl als für die übrigen Tänzer. Die vielfachen Ver-
giftungen, die eine Folge dieſer grünen Kleider waren, führten bald
dazu, das Schweinfurter Grün und mit ihm alle andern grünen Farben in
Verruf zu bringen. In Deutſchland und vielen anderen Ländern darf
das Schweinfurter Grün jetzt nur noch als Ölfarbe verwendet werden,
und da es ſich dazu ſchlecht eignet, ſo wird es bei uns wenig mehr
gebraucht. Immerhin werden noch bedeutende Mengen für den Ver-
ſand nach dem Orient und nach China hergeſtellt, wo man nicht ſo
ſkrupulös iſt und auf Vergiftungen weniger Gewicht legt.
Eine der früher am häufigſten gebrauchten blauen Farben iſt das
Kobaltblau, die Smalte. Als Erfinder derſelben (1540) wird der
böhmiſche Glasmacher Chriſtoph Schürer in Neudeck bezeichnet. Sein
Geheimnis wurde den Holländern bekannt, deren Betriebſamkeit bald
in Schneeberg einen lebhaften Kobalterzbergbau ins Leben rief. Die
Smalte (Schmelze) wird durch Zuſammenſchmelzen von Sand, Pott-
aſche und geröſtetem Kobalterz (Zaffer) dargeſtellt, ſie iſt alſo ein
blaugefärbtes Glas. Die Induſtrie nahm bis zum dreißigjährigen
Kriege einen bedeutenden Aufſchwung, ſowohl auf der ſächſiſchen als
auf der böhmiſchen Seite des Erzgebirges, um dann durch den Krieg
allerdings faſt gänzlich zu Grunde zu gehen. Erſt gegen Ausgang
des großen Krieges entſtanden neue Blaufarbenwerke, von denen jetzt
noch zwei beſtehen. Der Verbrauch an Smalte iſt durch die Ein-
führung des künſtlichen Ultramarins bedeutend zurückgegangen.
Von blauen Farben iſt außer den bereits genannten nur noch zu
nennen das Berliner Blau, eine Eiſenverbindung der Blauſäure (welche
letztere ihren Namen vom Berliner Blau herleitet). Man gewinnt das
Berliner Blau aus dem gelben Blutlaugenſalz (gelbes blauſaures
Kali, Ferrocyankalium); dieſes entſteht, wenn man Pottaſche mit Kohle
und tieriſchen, ſtickſtoffhaltigen Abfällen (Horn, Haut, Leder) unter
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/412>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.