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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die pflanzlichen Farbstoffe.
blau ist vollständig unlöslich in Wasser, Spiritus, verdünnten Säuren
und Alkalien, dagegen löslich in konzentrierter Schwefelsäure, in Anilin
und einigen anderen, dem gewöhnlichen Sterblichen nicht ohne weiteres
zugänglichen Flüssigkeiten. Beim Auflösen in Schwefelsäure, besonders
wenn man sogenannte rauchende anwendet oder bei höherer Temperatur
arbeitet, löst sich der Indigo nicht unverändert auf. Er verbindet sich
vielmehr mit der Schwefelsäure zu verschiedenen neuen Körpern, den
Indigschwefelsäuren, welche im Gegensatz zum Indigo selbst in Wasser
und Alkalien löslich sind. Diese Indigschwefelsäuren (Indigsulfo-
säuren) eignen sich sehr gut zum Färben von Wolle, und man benutzt
die Anziehungskraft der Wolle sogar zur Reindarstellung der
Farbe. Zu diesem Zwecke löst man unreinen, rohen Indigo in starker
Schwefelsäure und gießt die Flüssigkeit nach der Auflösung in viel
Wasser; alsdann hängt man Wolle in die Lösung, welche den
Farbstoff vollkommen der Flüssigkeit entzieht, und nachher mit Wasser
gewaschen werden kann, ohne die Farbe zu verlieren. Behandelt man
dagegen die gefärbte Wolle mit ganz dünner Sodalösung, so wird
das Blau vollkommen "abgezogen", indem es sich in der Flüssigkeit
auflöst. Aus der letzteren ("abgezogene Komposition") gewinnt man
es dann durch Zusatz von Säuren wieder, wobei ganz reine Indig-
schwefelsäure ausfällt, die im Handel den Namen Indigkarmin, früher
auch Sächsischblau genannt, führt. Man sieht schon aus dieser Dar-
stellungsweise, daß das mit Indigkarmin erzeugte "Sächsischblau" trotz
seiner Schönheit nicht waschecht ist. Die Kunst, Wolle mit in Schwefel-
säure gelöstem Indigo zu färben, wurde 1740 von Barth in Großen-
hain (Sachsen) entdeckt, daher der Name "Sächsischblau".

Ganz echte Färbungen liefert die zweite, sehr viel ältere Methode
der Indigofärberei, die sogenannten "Küpe". Der Indigo als solcher
löst sich nicht in alkalischen Flüssigkeiten auf. Reduziert man ihn aber,
so geht er in das Indigweiß über, welches in Alkalien löslich ist.
Wie wir früher gesehen haben, wird auch bei der Gewinnung des
Indigos zuerst Indigweiß erhalten, das dann an der Luft in Blau
übergeht, die Küpe ist also eigentlich nichts weiter als eine Wieder-
holung dieses ersten Prozesses. Wesentliche Vorbedingung zum guten
Gelingen der Küpe ist, daß der Indigo ganz fein gemahlen sei; dies
geschieht in sogenannten Naßmühlen: man giebt den Indigo in eine
durch Maschinenkraft drehbare eiserne Trommel nebst etwas Wasser
und einigen eisernen Kugeln; beim Drehen der Trommel wird er dann
zu einem feinen Schlamm zermahlen, der sich später in der Küpe sehr
gut verteilt. Als Alkalien benutzt man für die Küpen entweder Kalk,
oder Soda, früher nahm man wohl auch Pottasche. Die Reduktion des
Indigos bewirkt man entweder dadurch, daß man der Küpe gährungsfähige
Substunzen zusetzt, welche in der Küpe in Gährung geraten (Krapp,
Kleie), oder durch mineralische Substanzen (Eisenvitriol, Zinnsalz,
Operment) oder endlich mittelst Traubenzucker (Stärkezucker). Erstere

Das Buch der Erfindungen. 26

Die pflanzlichen Farbſtoffe.
blau iſt vollſtändig unlöslich in Waſſer, Spiritus, verdünnten Säuren
und Alkalien, dagegen löslich in konzentrierter Schwefelſäure, in Anilin
und einigen anderen, dem gewöhnlichen Sterblichen nicht ohne weiteres
zugänglichen Flüſſigkeiten. Beim Auflöſen in Schwefelſäure, beſonders
wenn man ſogenannte rauchende anwendet oder bei höherer Temperatur
arbeitet, löſt ſich der Indigo nicht unverändert auf. Er verbindet ſich
vielmehr mit der Schwefelſäure zu verſchiedenen neuen Körpern, den
Indigſchwefelſäuren, welche im Gegenſatz zum Indigo ſelbſt in Waſſer
und Alkalien löslich ſind. Dieſe Indigſchwefelſäuren (Indigſulfo-
ſäuren) eignen ſich ſehr gut zum Färben von Wolle, und man benutzt
die Anziehungskraft der Wolle ſogar zur Reindarſtellung der
Farbe. Zu dieſem Zwecke löſt man unreinen, rohen Indigo in ſtarker
Schwefelſäure und gießt die Flüſſigkeit nach der Auflöſung in viel
Waſſer; alsdann hängt man Wolle in die Löſung, welche den
Farbſtoff vollkommen der Flüſſigkeit entzieht, und nachher mit Waſſer
gewaſchen werden kann, ohne die Farbe zu verlieren. Behandelt man
dagegen die gefärbte Wolle mit ganz dünner Sodalöſung, ſo wird
das Blau vollkommen „abgezogen“, indem es ſich in der Flüſſigkeit
auflöſt. Aus der letzteren („abgezogene Kompoſition“) gewinnt man
es dann durch Zuſatz von Säuren wieder, wobei ganz reine Indig-
ſchwefelſäure ausfällt, die im Handel den Namen Indigkarmin, früher
auch Sächſiſchblau genannt, führt. Man ſieht ſchon aus dieſer Dar-
ſtellungsweiſe, daß das mit Indigkarmin erzeugte „Sächſiſchblau“ trotz
ſeiner Schönheit nicht waſchecht iſt. Die Kunſt, Wolle mit in Schwefel-
ſäure gelöſtem Indigo zu färben, wurde 1740 von Barth in Großen-
hain (Sachſen) entdeckt, daher der Name „Sächſiſchblau“.

Ganz echte Färbungen liefert die zweite, ſehr viel ältere Methode
der Indigofärberei, die ſogenannten „Küpe“. Der Indigo als ſolcher
löſt ſich nicht in alkaliſchen Flüſſigkeiten auf. Reduziert man ihn aber,
ſo geht er in das Indigweiß über, welches in Alkalien löslich iſt.
Wie wir früher geſehen haben, wird auch bei der Gewinnung des
Indigos zuerſt Indigweiß erhalten, das dann an der Luft in Blau
übergeht, die Küpe iſt alſo eigentlich nichts weiter als eine Wieder-
holung dieſes erſten Prozeſſes. Weſentliche Vorbedingung zum guten
Gelingen der Küpe iſt, daß der Indigo ganz fein gemahlen ſei; dies
geſchieht in ſogenannten Naßmühlen: man giebt den Indigo in eine
durch Maſchinenkraft drehbare eiſerne Trommel nebſt etwas Waſſer
und einigen eiſernen Kugeln; beim Drehen der Trommel wird er dann
zu einem feinen Schlamm zermahlen, der ſich ſpäter in der Küpe ſehr
gut verteilt. Als Alkalien benutzt man für die Küpen entweder Kalk,
oder Soda, früher nahm man wohl auch Pottaſche. Die Reduktion des
Indigos bewirkt man entweder dadurch, daß man der Küpe gährungsfähige
Subſtunzen zuſetzt, welche in der Küpe in Gährung geraten (Krapp,
Kleie), oder durch mineraliſche Subſtanzen (Eiſenvitriol, Zinnſalz,
Operment) oder endlich mittelſt Traubenzucker (Stärkezucker). Erſtere

Das Buch der Erfindungen. 26
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[401/0419] Die pflanzlichen Farbſtoffe. blau iſt vollſtändig unlöslich in Waſſer, Spiritus, verdünnten Säuren und Alkalien, dagegen löslich in konzentrierter Schwefelſäure, in Anilin und einigen anderen, dem gewöhnlichen Sterblichen nicht ohne weiteres zugänglichen Flüſſigkeiten. Beim Auflöſen in Schwefelſäure, beſonders wenn man ſogenannte rauchende anwendet oder bei höherer Temperatur arbeitet, löſt ſich der Indigo nicht unverändert auf. Er verbindet ſich vielmehr mit der Schwefelſäure zu verſchiedenen neuen Körpern, den Indigſchwefelſäuren, welche im Gegenſatz zum Indigo ſelbſt in Waſſer und Alkalien löslich ſind. Dieſe Indigſchwefelſäuren (Indigſulfo- ſäuren) eignen ſich ſehr gut zum Färben von Wolle, und man benutzt die Anziehungskraft der Wolle ſogar zur Reindarſtellung der Farbe. Zu dieſem Zwecke löſt man unreinen, rohen Indigo in ſtarker Schwefelſäure und gießt die Flüſſigkeit nach der Auflöſung in viel Waſſer; alsdann hängt man Wolle in die Löſung, welche den Farbſtoff vollkommen der Flüſſigkeit entzieht, und nachher mit Waſſer gewaſchen werden kann, ohne die Farbe zu verlieren. Behandelt man dagegen die gefärbte Wolle mit ganz dünner Sodalöſung, ſo wird das Blau vollkommen „abgezogen“, indem es ſich in der Flüſſigkeit auflöſt. Aus der letzteren („abgezogene Kompoſition“) gewinnt man es dann durch Zuſatz von Säuren wieder, wobei ganz reine Indig- ſchwefelſäure ausfällt, die im Handel den Namen Indigkarmin, früher auch Sächſiſchblau genannt, führt. Man ſieht ſchon aus dieſer Dar- ſtellungsweiſe, daß das mit Indigkarmin erzeugte „Sächſiſchblau“ trotz ſeiner Schönheit nicht waſchecht iſt. Die Kunſt, Wolle mit in Schwefel- ſäure gelöſtem Indigo zu färben, wurde 1740 von Barth in Großen- hain (Sachſen) entdeckt, daher der Name „Sächſiſchblau“. Ganz echte Färbungen liefert die zweite, ſehr viel ältere Methode der Indigofärberei, die ſogenannten „Küpe“. Der Indigo als ſolcher löſt ſich nicht in alkaliſchen Flüſſigkeiten auf. Reduziert man ihn aber, ſo geht er in das Indigweiß über, welches in Alkalien löslich iſt. Wie wir früher geſehen haben, wird auch bei der Gewinnung des Indigos zuerſt Indigweiß erhalten, das dann an der Luft in Blau übergeht, die Küpe iſt alſo eigentlich nichts weiter als eine Wieder- holung dieſes erſten Prozeſſes. Weſentliche Vorbedingung zum guten Gelingen der Küpe iſt, daß der Indigo ganz fein gemahlen ſei; dies geſchieht in ſogenannten Naßmühlen: man giebt den Indigo in eine durch Maſchinenkraft drehbare eiſerne Trommel nebſt etwas Waſſer und einigen eiſernen Kugeln; beim Drehen der Trommel wird er dann zu einem feinen Schlamm zermahlen, der ſich ſpäter in der Küpe ſehr gut verteilt. Als Alkalien benutzt man für die Küpen entweder Kalk, oder Soda, früher nahm man wohl auch Pottaſche. Die Reduktion des Indigos bewirkt man entweder dadurch, daß man der Küpe gährungsfähige Subſtunzen zuſetzt, welche in der Küpe in Gährung geraten (Krapp, Kleie), oder durch mineraliſche Subſtanzen (Eiſenvitriol, Zinnſalz, Operment) oder endlich mittelſt Traubenzucker (Stärkezucker). Erſtere Das Buch der Erfindungen. 26

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/419>, abgerufen am 22.11.2024.