steht zuerst ein prachtvoller violetter Farbstoff, nach seinem Entdecker Hofmanns Violett genannt. Wendet man aber einen Überschuß von Jodaethyl an, so geht das Violett in ein Grün (Jodgrün genannt) über. Dieses Grün hat die Eigenschaft, sich bei höherer Temperatur wieder in Jodaethyl und Violett zu zerlegen, eine Eigentümlichkeit, die es auch nach dem Färben beibehält. Taucht man daher ein mit Jodgrün gefärbtes Gewebe in kochendes Wasser, so wird es violett. Wegen dieser unangenehmen Eigenschaft, blieb die Verwendung des Jodgrüns natürlich eine beschränkte. Schon vor Hofmann, hatte Lauth entdeckt, daß man auch auf anderen Wege aus Anilin violette Farben erhalten könne. Indessen blieb seine Entdeckung zunächst ohne Bedeutung, da es erst sehr viel später gelang, das Lauthsche Ver- fahren technisch zu verwerten. Jetzt freilich werden die Anilinvioletts ausschließlich nach dem Lauthschen Prinzipe hergestellt, während das Hofmannsche Verfahren längst verlassen ist.
Fast gleichzeitig mit den Hofmannschen Entdeckungen fand ein Färber Cherpin einen Weg zur Darstellung eines grünen Farbstoffes aus Fuchsin. Während aber Hofmann zu seinen Entdeckungen auf Grund wissenschaftlicher Versuche kam, beruht Cherpins Fund auf reinem Zufall. Cherpin hatte als Färber große Mühe, das Fuchsin auf Baumwolle dauerhaft zu fixieren. In seiner Not sprach er mit einem Freunde, einem Photographen, über die Sache, der ihm riet, es einmal mit "Fixiersalz" (Antichlor, Natriumthiosulfat) zu versuchen. Gesagt, gethan. Cherpin nahm auch etwas Spritvorlauf dazu, der viel Aldehyd enthält, und siehe da, das Fuchsin wurde "fixiert", -- aber es war dabei grün geworden. Indessen hat auch dieses Aldehyd- grün kein langes Dasein gehabt, da es zu teuer kam. Erst 15 Jahre später gelang es, schöne dauerhafte Anilingrüne zu erzeugen.
Wie wir gesehen haben war es in den Jahren 1856--1862 be- reits gelungen, vom Anilin ausgehend, rote, blaue, violette und grüne Farben zu erhalten. Auch ein Gelb wurde 1859 von Grieß ent- deckt, doch war dasselbe nicht zum Färben zu gebrauchen. 1863 ge- sellte sich zu diesen Farben das Anilinschwarz, welches von Lightfood entdeckt wurde, und bald darauf ein Anilinbraun (Vesuvin, später und noch jetzt Bismarckbraun genannt), eine Entdeckung Grieß' und Caros. Fügen wir noch das 1868 von Perkin sen. entdeckte, schön scharlach- rote Safranin hinzu, so können wir damit die erste Periode der Teer- farben abschließen. Diese Periode ist die eigentliche der "Anilin"farben, denn alle diese Farbstoffe wurden aus dem Anilin durch Einwirkung der verschiedensten Reagentien erhalten. Alle Entdeckungen waren mehr oder weniger zufällige, durch Herumprobieren gemachte, alle stammen aus England und Frankreich, wenn auch zum Teil von deutschen Chemikern.
Mit der Periode von 1869 ab trat aber ein völliger Umschwung der Dinge ein. Das klassische Land der Teerfarben wurde jetzt Deutsch-
Die Farben und das Färben.
ſteht zuerſt ein prachtvoller violetter Farbſtoff, nach ſeinem Entdecker Hofmanns Violett genannt. Wendet man aber einen Überſchuß von Jodaethyl an, ſo geht das Violett in ein Grün (Jodgrün genannt) über. Dieſes Grün hat die Eigenſchaft, ſich bei höherer Temperatur wieder in Jodaethyl und Violett zu zerlegen, eine Eigentümlichkeit, die es auch nach dem Färben beibehält. Taucht man daher ein mit Jodgrün gefärbtes Gewebe in kochendes Waſſer, ſo wird es violett. Wegen dieſer unangenehmen Eigenſchaft, blieb die Verwendung des Jodgrüns natürlich eine beſchränkte. Schon vor Hofmann, hatte Lauth entdeckt, daß man auch auf anderen Wege aus Anilin violette Farben erhalten könne. Indeſſen blieb ſeine Entdeckung zunächſt ohne Bedeutung, da es erſt ſehr viel ſpäter gelang, das Lauthſche Ver- fahren techniſch zu verwerten. Jetzt freilich werden die Anilinvioletts ausſchließlich nach dem Lauthſchen Prinzipe hergeſtellt, während das Hofmannſche Verfahren längſt verlaſſen iſt.
Faſt gleichzeitig mit den Hofmannſchen Entdeckungen fand ein Färber Cherpin einen Weg zur Darſtellung eines grünen Farbſtoffes aus Fuchſin. Während aber Hofmann zu ſeinen Entdeckungen auf Grund wiſſenſchaftlicher Verſuche kam, beruht Cherpins Fund auf reinem Zufall. Cherpin hatte als Färber große Mühe, das Fuchſin auf Baumwolle dauerhaft zu fixieren. In ſeiner Not ſprach er mit einem Freunde, einem Photographen, über die Sache, der ihm riet, es einmal mit „Fixierſalz“ (Antichlor, Natriumthioſulfat) zu verſuchen. Geſagt, gethan. Cherpin nahm auch etwas Spritvorlauf dazu, der viel Aldehyd enthält, und ſiehe da, das Fuchſin wurde „fixiert“, — aber es war dabei grün geworden. Indeſſen hat auch dieſes Aldehyd- grün kein langes Daſein gehabt, da es zu teuer kam. Erſt 15 Jahre ſpäter gelang es, ſchöne dauerhafte Anilingrüne zu erzeugen.
Wie wir geſehen haben war es in den Jahren 1856—1862 be- reits gelungen, vom Anilin ausgehend, rote, blaue, violette und grüne Farben zu erhalten. Auch ein Gelb wurde 1859 von Grieß ent- deckt, doch war dasſelbe nicht zum Färben zu gebrauchen. 1863 ge- ſellte ſich zu dieſen Farben das Anilinſchwarz, welches von Lightfood entdeckt wurde, und bald darauf ein Anilinbraun (Veſuvin, ſpäter und noch jetzt Bismarckbraun genannt), eine Entdeckung Grieß’ und Caros. Fügen wir noch das 1868 von Perkin sen. entdeckte, ſchön ſcharlach- rote Safranin hinzu, ſo können wir damit die erſte Periode der Teer- farben abſchließen. Dieſe Periode iſt die eigentliche der „Anilin“farben, denn alle dieſe Farbſtoffe wurden aus dem Anilin durch Einwirkung der verſchiedenſten Reagentien erhalten. Alle Entdeckungen waren mehr oder weniger zufällige, durch Herumprobieren gemachte, alle ſtammen aus England und Frankreich, wenn auch zum Teil von deutſchen Chemikern.
Mit der Periode von 1869 ab trat aber ein völliger Umſchwung der Dinge ein. Das klaſſiſche Land der Teerfarben wurde jetzt Deutſch-
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Die Farben und das Färben.
ſteht zuerſt ein prachtvoller violetter Farbſtoff, nach ſeinem Entdecker
Hofmanns Violett genannt. Wendet man aber einen Überſchuß von
Jodaethyl an, ſo geht das Violett in ein Grün (Jodgrün genannt)
über. Dieſes Grün hat die Eigenſchaft, ſich bei höherer Temperatur
wieder in Jodaethyl und Violett zu zerlegen, eine Eigentümlichkeit,
die es auch nach dem Färben beibehält. Taucht man daher ein mit
Jodgrün gefärbtes Gewebe in kochendes Waſſer, ſo wird es violett.
Wegen dieſer unangenehmen Eigenſchaft, blieb die Verwendung des
Jodgrüns natürlich eine beſchränkte. Schon vor Hofmann, hatte
Lauth entdeckt, daß man auch auf anderen Wege aus Anilin violette
Farben erhalten könne. Indeſſen blieb ſeine Entdeckung zunächſt ohne
Bedeutung, da es erſt ſehr viel ſpäter gelang, das Lauthſche Ver-
fahren techniſch zu verwerten. Jetzt freilich werden die Anilinvioletts
ausſchließlich nach dem Lauthſchen Prinzipe hergeſtellt, während das
Hofmannſche Verfahren längſt verlaſſen iſt.
Faſt gleichzeitig mit den Hofmannſchen Entdeckungen fand ein
Färber Cherpin einen Weg zur Darſtellung eines grünen Farbſtoffes
aus Fuchſin. Während aber Hofmann zu ſeinen Entdeckungen auf
Grund wiſſenſchaftlicher Verſuche kam, beruht Cherpins Fund auf
reinem Zufall. Cherpin hatte als Färber große Mühe, das Fuchſin
auf Baumwolle dauerhaft zu fixieren. In ſeiner Not ſprach er mit
einem Freunde, einem Photographen, über die Sache, der ihm riet,
es einmal mit „Fixierſalz“ (Antichlor, Natriumthioſulfat) zu verſuchen.
Geſagt, gethan. Cherpin nahm auch etwas Spritvorlauf dazu, der
viel Aldehyd enthält, und ſiehe da, das Fuchſin wurde „fixiert“, —
aber es war dabei grün geworden. Indeſſen hat auch dieſes Aldehyd-
grün kein langes Daſein gehabt, da es zu teuer kam. Erſt 15 Jahre
ſpäter gelang es, ſchöne dauerhafte Anilingrüne zu erzeugen.
Wie wir geſehen haben war es in den Jahren 1856—1862 be-
reits gelungen, vom Anilin ausgehend, rote, blaue, violette und grüne
Farben zu erhalten. Auch ein Gelb wurde 1859 von Grieß ent-
deckt, doch war dasſelbe nicht zum Färben zu gebrauchen. 1863 ge-
ſellte ſich zu dieſen Farben das Anilinſchwarz, welches von Lightfood
entdeckt wurde, und bald darauf ein Anilinbraun (Veſuvin, ſpäter und
noch jetzt Bismarckbraun genannt), eine Entdeckung Grieß’ und Caros.
Fügen wir noch das 1868 von Perkin sen. entdeckte, ſchön ſcharlach-
rote Safranin hinzu, ſo können wir damit die erſte Periode der Teer-
farben abſchließen. Dieſe Periode iſt die eigentliche der „Anilin“farben,
denn alle dieſe Farbſtoffe wurden aus dem Anilin durch Einwirkung
der verſchiedenſten Reagentien erhalten. Alle Entdeckungen waren
mehr oder weniger zufällige, durch Herumprobieren gemachte, alle
ſtammen aus England und Frankreich, wenn auch zum Teil von
deutſchen Chemikern.
Mit der Periode von 1869 ab trat aber ein völliger Umſchwung
der Dinge ein. Das klaſſiſche Land der Teerfarben wurde jetzt Deutſch-
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/426>, abgerufen am 22.11.2024.
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