Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite
V. Ernährung.

1. Die künstlichen Düngestoffe und die Chemie des
Bodens in Bezug auf die Pflanzenernährung.

Wenn als unbestritten angenommen werden darf, daß es eine der
vornehmsten Aufgaben eines jeden Landes ist, seine Einwohner zu er-
nähren, so ist damit gleichzeitig die hohe Bedeutung der Landwirtschaft
gekennzeichnet. Früher, als der wenig ausgenützte Boden noch eine
große Ansammlung der sog. "alten Kraft" besaß, war die Lösung
dieser Aufgabe einfacher, heute ist sie durch Jahrhunderte lang fort-
gesetzte Entziehung einzelner Bodenbestandteile -- ohne, daß man
gleichzeitig für genügenden Ersatz derselben sorgte -- so schwierig ge-
worden, daß sie nur durch eine ganz intensive Kultur gelöst werden
kann. Diese setzt wiederum einen sehr intelligenten Landwirt voraus,
der sowohl versteht den neuesten Forschungen der Wissenschaft zu folgen,
als auch dieselben in der Praxis zu verwerten, bez. diese wissenschaft-
lichen Forschungen durch praktische Feld- und Vegetationsversuche zu
unterstützen.

In den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts war es, wo die
stetig abnehmenden Erträge des Bodens sich endlich in so einschneidender
Weise bemerkbar machten, daß die Aufmerksamkeit der Wissenschaft
darauf hingelenkt wurde, und kein geringerer, als der berühmte Chemiker
Justus v. Liebig bahnbrechend vorging, um Abhilfe zu schaffen; heute
sehen wir ein gewaltiges Heer von bedeutenden Forschern und in-
telligenten Landwirten die damals betretene Bahn weiter verfolgen.
Fast so alt die Landwirtschaft ist, so lange wußte man, daß der Boden
mehr Nährstoffe für die Pflanze bedarf, als er an und für sich hat,
um bei dem kontinuierlichen Aufbrauch durch die Ernten gleichmäßig
hohe Ernteerträge zu liefern; man begnügte sich aber damit, dem Acker
den produzierten Dung wiederzugeben, und glaubte nun neben mehr
oder weniger genügender mechanischer Bearbeitung des Bodens seine
Pflicht gethan zu haben. Das war ein folgenschwerer Irrtum, der,

V. Ernährung.

1. Die künſtlichen Düngeſtoffe und die Chemie des
Bodens in Bezug auf die Pflanzenernährung.

Wenn als unbeſtritten angenommen werden darf, daß es eine der
vornehmſten Aufgaben eines jeden Landes iſt, ſeine Einwohner zu er-
nähren, ſo iſt damit gleichzeitig die hohe Bedeutung der Landwirtſchaft
gekennzeichnet. Früher, als der wenig ausgenützte Boden noch eine
große Anſammlung der ſog. „alten Kraft“ beſaß, war die Löſung
dieſer Aufgabe einfacher, heute iſt ſie durch Jahrhunderte lang fort-
geſetzte Entziehung einzelner Bodenbeſtandteile — ohne, daß man
gleichzeitig für genügenden Erſatz derſelben ſorgte — ſo ſchwierig ge-
worden, daß ſie nur durch eine ganz intenſive Kultur gelöſt werden
kann. Dieſe ſetzt wiederum einen ſehr intelligenten Landwirt voraus,
der ſowohl verſteht den neueſten Forſchungen der Wiſſenſchaft zu folgen,
als auch dieſelben in der Praxis zu verwerten, bez. dieſe wiſſenſchaft-
lichen Forſchungen durch praktiſche Feld- und Vegetationsverſuche zu
unterſtützen.

In den erſten Jahrzehnten dieſes Jahrhunderts war es, wo die
ſtetig abnehmenden Erträge des Bodens ſich endlich in ſo einſchneidender
Weiſe bemerkbar machten, daß die Aufmerkſamkeit der Wiſſenſchaft
darauf hingelenkt wurde, und kein geringerer, als der berühmte Chemiker
Juſtus v. Liebig bahnbrechend vorging, um Abhilfe zu ſchaffen; heute
ſehen wir ein gewaltiges Heer von bedeutenden Forſchern und in-
telligenten Landwirten die damals betretene Bahn weiter verfolgen.
Faſt ſo alt die Landwirtſchaft iſt, ſo lange wußte man, daß der Boden
mehr Nährſtoffe für die Pflanze bedarf, als er an und für ſich hat,
um bei dem kontinuierlichen Aufbrauch durch die Ernten gleichmäßig
hohe Ernteerträge zu liefern; man begnügte ſich aber damit, dem Acker
den produzierten Dung wiederzugeben, und glaubte nun neben mehr
oder weniger genügender mechaniſcher Bearbeitung des Bodens ſeine
Pflicht gethan zu haben. Das war ein folgenſchwerer Irrtum, der,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0436" n="[418]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">V.</hi> Ernährung.</hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">1. Die kün&#x017F;tlichen Dünge&#x017F;toffe und die Chemie des<lb/>
Bodens in Bezug auf die Pflanzenernährung.</hi> </head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p><hi rendition="#in">W</hi>enn als unbe&#x017F;tritten angenommen werden darf, daß es eine der<lb/>
vornehm&#x017F;ten Aufgaben eines jeden Landes i&#x017F;t, &#x017F;eine Einwohner zu er-<lb/>
nähren, &#x017F;o i&#x017F;t damit gleichzeitig die hohe Bedeutung der Landwirt&#x017F;chaft<lb/>
gekennzeichnet. Früher, als der wenig ausgenützte Boden noch eine<lb/>
große An&#x017F;ammlung der &#x017F;og. &#x201E;alten Kraft&#x201C; be&#x017F;aß, war die Lö&#x017F;ung<lb/>
die&#x017F;er Aufgabe einfacher, heute i&#x017F;t &#x017F;ie durch Jahrhunderte lang fort-<lb/>
ge&#x017F;etzte Entziehung einzelner Bodenbe&#x017F;tandteile &#x2014; ohne, daß man<lb/>
gleichzeitig für genügenden Er&#x017F;atz der&#x017F;elben &#x017F;orgte &#x2014; &#x017F;o &#x017F;chwierig ge-<lb/>
worden, daß &#x017F;ie nur durch eine ganz inten&#x017F;ive Kultur gelö&#x017F;t werden<lb/>
kann. Die&#x017F;e &#x017F;etzt wiederum einen &#x017F;ehr intelligenten Landwirt voraus,<lb/>
der &#x017F;owohl ver&#x017F;teht den neue&#x017F;ten For&#x017F;chungen der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft zu folgen,<lb/>
als auch die&#x017F;elben in der Praxis zu verwerten, bez. die&#x017F;e wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft-<lb/>
lichen For&#x017F;chungen durch prakti&#x017F;che Feld- und Vegetationsver&#x017F;uche zu<lb/>
unter&#x017F;tützen.</p><lb/>
          <p>In den er&#x017F;ten Jahrzehnten die&#x017F;es Jahrhunderts war es, wo die<lb/>
&#x017F;tetig abnehmenden Erträge des Bodens &#x017F;ich endlich in &#x017F;o ein&#x017F;chneidender<lb/>
Wei&#x017F;e bemerkbar machten, daß die Aufmerk&#x017F;amkeit der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft<lb/>
darauf hingelenkt wurde, und kein geringerer, als der berühmte Chemiker<lb/>
Ju&#x017F;tus v. Liebig bahnbrechend vorging, um Abhilfe zu &#x017F;chaffen; heute<lb/>
&#x017F;ehen wir ein gewaltiges Heer von bedeutenden For&#x017F;chern und in-<lb/>
telligenten Landwirten die damals betretene Bahn weiter verfolgen.<lb/>
Fa&#x017F;t &#x017F;o alt die Landwirt&#x017F;chaft i&#x017F;t, &#x017F;o lange wußte man, daß der Boden<lb/>
mehr Nähr&#x017F;toffe für die Pflanze bedarf, als er an und für &#x017F;ich hat,<lb/>
um bei dem kontinuierlichen Aufbrauch durch die Ernten gleichmäßig<lb/>
hohe Ernteerträge zu liefern; man begnügte &#x017F;ich aber damit, dem Acker<lb/>
den produzierten Dung wiederzugeben, und glaubte nun neben mehr<lb/>
oder weniger genügender mechani&#x017F;cher Bearbeitung des Bodens &#x017F;eine<lb/>
Pflicht gethan zu haben. Das war ein folgen&#x017F;chwerer Irrtum, der,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[418]/0436] V. Ernährung. 1. Die künſtlichen Düngeſtoffe und die Chemie des Bodens in Bezug auf die Pflanzenernährung. Wenn als unbeſtritten angenommen werden darf, daß es eine der vornehmſten Aufgaben eines jeden Landes iſt, ſeine Einwohner zu er- nähren, ſo iſt damit gleichzeitig die hohe Bedeutung der Landwirtſchaft gekennzeichnet. Früher, als der wenig ausgenützte Boden noch eine große Anſammlung der ſog. „alten Kraft“ beſaß, war die Löſung dieſer Aufgabe einfacher, heute iſt ſie durch Jahrhunderte lang fort- geſetzte Entziehung einzelner Bodenbeſtandteile — ohne, daß man gleichzeitig für genügenden Erſatz derſelben ſorgte — ſo ſchwierig ge- worden, daß ſie nur durch eine ganz intenſive Kultur gelöſt werden kann. Dieſe ſetzt wiederum einen ſehr intelligenten Landwirt voraus, der ſowohl verſteht den neueſten Forſchungen der Wiſſenſchaft zu folgen, als auch dieſelben in der Praxis zu verwerten, bez. dieſe wiſſenſchaft- lichen Forſchungen durch praktiſche Feld- und Vegetationsverſuche zu unterſtützen. In den erſten Jahrzehnten dieſes Jahrhunderts war es, wo die ſtetig abnehmenden Erträge des Bodens ſich endlich in ſo einſchneidender Weiſe bemerkbar machten, daß die Aufmerkſamkeit der Wiſſenſchaft darauf hingelenkt wurde, und kein geringerer, als der berühmte Chemiker Juſtus v. Liebig bahnbrechend vorging, um Abhilfe zu ſchaffen; heute ſehen wir ein gewaltiges Heer von bedeutenden Forſchern und in- telligenten Landwirten die damals betretene Bahn weiter verfolgen. Faſt ſo alt die Landwirtſchaft iſt, ſo lange wußte man, daß der Boden mehr Nährſtoffe für die Pflanze bedarf, als er an und für ſich hat, um bei dem kontinuierlichen Aufbrauch durch die Ernten gleichmäßig hohe Ernteerträge zu liefern; man begnügte ſich aber damit, dem Acker den produzierten Dung wiederzugeben, und glaubte nun neben mehr oder weniger genügender mechaniſcher Bearbeitung des Bodens ſeine Pflicht gethan zu haben. Das war ein folgenſchwerer Irrtum, der,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/436
Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. [418]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/436>, abgerufen am 22.11.2024.