Verwendung ist um so mehr zu beklagen, als sie ja bekanntlich haupt- sächlich von den ärmeren Klassen konsumiert wird, und diese von den zu ihrer Ernährung bestimmten Geldern nichts zum Fortwerfen haben. Crismann nennt daher sehr treffend den Gebrauch der Cichorie "ein nationalökonomisches Unglück, indem sie den Leuten, die sich Milch und Mehlsuppe anschaffen sollten, ein gemeines Spülwasser liefert, das nicht einmal den Gaumen reizt"! Der Ausdruck "nationalökonomisches Un- glück" ist durchaus kein übertriebener, denn die Statistik ergiebt in Bezug auf den Konsum der Cichorie, daß nach Abzug der exportierten Mengen in Deutschland allein jährlich über 20000000 Mark für Cichorie verausgabt werden, wenn man annimmt, daß der Konsument beim Einkauf das Pfund Cichorie mit Mk. 0,20 bezahlt. Ist nun die freiwillige Verwendung der Cichorie als thöricht zu bezeichnen, so kann es doch vorkommen, daß wir sie auch gegen unsern Willen erhalten und zwar, wenn sie beim Einkauf von bereits gemahlenem Kaffee unter diesen gemischt wurde, und in diesem Falle ist sie dann eine Ver- fälschung. Hat man Verdacht, daß gemahlener Kaffee mit Cichorie gefälscht sei, so darf man zur Untersuchung desselben ihn nur in ein Glas kaltes Wasser schütten. Reiner Kaffee wird dieses Wasser nicht särben und sich eine Zeit lang an der Oberfläche halten, während die Cichorie sofort zu Boden sinkt und das Wasser mehr oder weniger braun färbt. Auch bei mikroskopischer Untersuchung des Kaffeesatzes kann die Verfälschung mit Cichorie, wie auch mit anderen Materialien leicht erkannt werden. Fig. 305 zeigt den Kaffeesatz von reinem Kaffee unter dem Mikroskop. Fig. 306 den Kaffeesatz mit Cichorie und
[Abbildung]
Fig. 305.
Kaffeesatz von reinem Kaffee.
Eichelpulver gefälscht, beide bei 140 maliger Vergrößerung.
Zwei Arten von Ver- fälschungen des Kaffees indes sind jetzt so üblich und besonders die letztere in allerneuester Zeit so häufig geworden, daß es unbedingt notwendig ist, diese Verfälschungen ein- gehend zu behandeln. Bei der ersteren handelt es sich um eine be- trügerische Verbesserung gewisser Rohkaffees, bei der zweiten um eine höchst verwerfliche Ma- nipulation beim Rösten beliebiger Kaffeesorten.
Nahrungs- und Genußmittel.
Verwendung iſt um ſo mehr zu beklagen, als ſie ja bekanntlich haupt- ſächlich von den ärmeren Klaſſen konſumiert wird, und dieſe von den zu ihrer Ernährung beſtimmten Geldern nichts zum Fortwerfen haben. Crismann nennt daher ſehr treffend den Gebrauch der Cichorie „ein nationalökonomiſches Unglück, indem ſie den Leuten, die ſich Milch und Mehlſuppe anſchaffen ſollten, ein gemeines Spülwaſſer liefert, das nicht einmal den Gaumen reizt“! Der Ausdruck „nationalökonomiſches Un- glück“ iſt durchaus kein übertriebener, denn die Statiſtik ergiebt in Bezug auf den Konſum der Cichorie, daß nach Abzug der exportierten Mengen in Deutſchland allein jährlich über 20000000 Mark für Cichorie verausgabt werden, wenn man annimmt, daß der Konſument beim Einkauf das Pfund Cichorie mit Mk. 0,20 bezahlt. Iſt nun die freiwillige Verwendung der Cichorie als thöricht zu bezeichnen, ſo kann es doch vorkommen, daß wir ſie auch gegen unſern Willen erhalten und zwar, wenn ſie beim Einkauf von bereits gemahlenem Kaffee unter dieſen gemiſcht wurde, und in dieſem Falle iſt ſie dann eine Ver- fälſchung. Hat man Verdacht, daß gemahlener Kaffee mit Cichorie gefälſcht ſei, ſo darf man zur Unterſuchung desſelben ihn nur in ein Glas kaltes Waſſer ſchütten. Reiner Kaffee wird dieſes Waſſer nicht ſärben und ſich eine Zeit lang an der Oberfläche halten, während die Cichorie ſofort zu Boden ſinkt und das Waſſer mehr oder weniger braun färbt. Auch bei mikroſkopiſcher Unterſuchung des Kaffeeſatzes kann die Verfälſchung mit Cichorie, wie auch mit anderen Materialien leicht erkannt werden. Fig. 305 zeigt den Kaffeeſatz von reinem Kaffee unter dem Mikroſkop. Fig. 306 den Kaffeeſatz mit Cichorie und
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Fig. 305.
Kaffeeſatz von reinem Kaffee.
Eichelpulver gefälſcht, beide bei 140 maliger Vergrößerung.
Zwei Arten von Ver- fälſchungen des Kaffees indes ſind jetzt ſo üblich und beſonders die letztere in allerneueſter Zeit ſo häufig geworden, daß es unbedingt notwendig iſt, dieſe Verfälſchungen ein- gehend zu behandeln. Bei der erſteren handelt es ſich um eine be- trügeriſche Verbeſſerung gewiſſer Rohkaffees, bei der zweiten um eine höchſt verwerfliche Ma- nipulation beim Röſten beliebiger Kaffeeſorten.
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Nahrungs- und Genußmittel.
Verwendung iſt um ſo mehr zu beklagen, als ſie ja bekanntlich haupt-
ſächlich von den ärmeren Klaſſen konſumiert wird, und dieſe von den
zu ihrer Ernährung beſtimmten Geldern nichts zum Fortwerfen haben.
Crismann nennt daher ſehr treffend den Gebrauch der Cichorie „ein
nationalökonomiſches Unglück, indem ſie den Leuten, die ſich Milch und
Mehlſuppe anſchaffen ſollten, ein gemeines Spülwaſſer liefert, das nicht
einmal den Gaumen reizt“! Der Ausdruck „nationalökonomiſches Un-
glück“ iſt durchaus kein übertriebener, denn die Statiſtik ergiebt in
Bezug auf den Konſum der Cichorie, daß nach Abzug der exportierten
Mengen in Deutſchland allein jährlich über 20000000 Mark für
Cichorie verausgabt werden, wenn man annimmt, daß der Konſument
beim Einkauf das Pfund Cichorie mit Mk. 0,20 bezahlt. Iſt nun die
freiwillige Verwendung der Cichorie als thöricht zu bezeichnen, ſo kann
es doch vorkommen, daß wir ſie auch gegen unſern Willen erhalten
und zwar, wenn ſie beim Einkauf von bereits gemahlenem Kaffee unter
dieſen gemiſcht wurde, und in dieſem Falle iſt ſie dann eine Ver-
fälſchung. Hat man Verdacht, daß gemahlener Kaffee mit Cichorie
gefälſcht ſei, ſo darf man zur Unterſuchung desſelben ihn nur in ein
Glas kaltes Waſſer ſchütten. Reiner Kaffee wird dieſes Waſſer nicht
ſärben und ſich eine Zeit lang an der Oberfläche halten, während die
Cichorie ſofort zu Boden ſinkt und das Waſſer mehr oder weniger
braun färbt. Auch bei mikroſkopiſcher Unterſuchung des Kaffeeſatzes
kann die Verfälſchung mit Cichorie, wie auch mit anderen Materialien
leicht erkannt werden. Fig. 305 zeigt den Kaffeeſatz von reinem Kaffee
unter dem Mikroſkop. Fig. 306 den Kaffeeſatz mit Cichorie und
[Abbildung Fig. 305. Kaffeeſatz von reinem Kaffee.]
Eichelpulver gefälſcht,
beide bei 140 maliger
Vergrößerung.
Zwei Arten von Ver-
fälſchungen des Kaffees
indes ſind jetzt ſo üblich
und beſonders die letztere
in allerneueſter Zeit ſo
häufig geworden, daß es
unbedingt notwendig iſt,
dieſe Verfälſchungen ein-
gehend zu behandeln.
Bei der erſteren handelt
es ſich um eine be-
trügeriſche Verbeſſerung
gewiſſer Rohkaffees, bei
der zweiten um eine
höchſt verwerfliche Ma-
nipulation beim Röſten
beliebiger Kaffeeſorten.
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 526. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/544>, abgerufen am 22.11.2024.
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