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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Erfindung der Zeitmeßapparate.
Zeit, welche eine Schwingung erfordert, dieselbe bleibt, ob nun die
Spirale wenig oder weit aus ihrer Ruhelage entfernt wurde. Freilich
ist dazu erforderlich, daß die Spirale gerade eine ganz bestimmte Länge
habe, eine Länge, die sich indessen durch eine Anzahl von Versuchen
leicht finden läßt. Ferner würde sich allerdings diese Schwingungszeit
verändern, wenn die Größe der Unruhe sich änderte; wenn das Rad
der Unruhe sich z. B. durch Verlängerung seiner Speichen weiter von
der Achse entfernte, so würde die Zeit der Schwingungen verlangsamt
werden. Wir erkennen sofort, daß also auch in den Gang der Taschen-
uhren die Wärme als störendes Element eingreifen wird, und wir
werden bald erfahren, wie man sich von diesem Übelstande freimachen
kann. Schon jetzt aber dürfen wir die Spirale -- wenigstens innerhalb
gewisser Grenzen -- als durchaus geeignet ansehen, den Uhrgang zu
regeln, wenn sie sich mit einer Hemmung verbindet. Die fortschreitende
Technik der Taschenuhren hat sehr verschiedene Arten von Hemmungen
gezeugt; die am meisten verwendeten waren und sind noch heute die
Spindel-, Cylinder- und Ankerhemmung, nach denen man auch die
Uhren als Spindel-, Cylinder- und Ankeruhren bezeichnet. Wir er-
wähnen die erstere schon, weil sie als die älteste eine Betrachtung verdient.
Freilich ist sie immer mehr im Verschwinden, aber noch im Jahre 1869
wurden allein im Kanton Bern in der Schweiz 300000 Uhren mit
Spindelhemmung konstruiert.

Die Spindelhemmung ist in Fig. 33 zweimal abgebildet, oben
erblicken wir das Steigrad in senkrechter, unten in wagerechter Stellung.

[Abbildung] Fig. 33.

Die Spindelhemmung.

C C ist die Achse des Balanciers A.
Wir erblicken an derselben zwei Flügel E
und F, die nach verschiedenen Seiten ge-
richtet sind, so daß sie um einen stumpfen
Winkel gegen einander geneigt sind. Bei
den Hin- und Herschwingungen der Un-
ruhe greifen diese Lappen abwechselnd
in die Zähne des Steigrades ein und
hemmen so seine Bewegung. Ist die
Uhr im Gange, so läuft das Steigrad
in der Richtung, die der Pfeil anzeigt,
und der Flügel F wirft sich dem Zahn a
entgegen. Der Stoß, den der Lappen
dabei empfängt, trägt dabei zur Auf-
rechterhaltung der Bewegung der Un-
ruhe bei. Aber bei dem weiteren Schwunge
dieser wird bald der Zahn b vom Lappen E
getroffen werden, und dadurch wird das ganze Steigrad ein wenig zurück-
gedreht werden, so weit, als es die schwache Kraft der Unruhespirale
eben vermag. Dann wird der Flügel E durch die vorwärts schreitende
Bewegung des Hemmungsrades wieder fort gestoßen, bis sich der

Erfindung der Zeitmeßapparate.
Zeit, welche eine Schwingung erfordert, dieſelbe bleibt, ob nun die
Spirale wenig oder weit aus ihrer Ruhelage entfernt wurde. Freilich
iſt dazu erforderlich, daß die Spirale gerade eine ganz beſtimmte Länge
habe, eine Länge, die ſich indeſſen durch eine Anzahl von Verſuchen
leicht finden läßt. Ferner würde ſich allerdings dieſe Schwingungszeit
verändern, wenn die Größe der Unruhe ſich änderte; wenn das Rad
der Unruhe ſich z. B. durch Verlängerung ſeiner Speichen weiter von
der Achſe entfernte, ſo würde die Zeit der Schwingungen verlangſamt
werden. Wir erkennen ſofort, daß alſo auch in den Gang der Taſchen-
uhren die Wärme als ſtörendes Element eingreifen wird, und wir
werden bald erfahren, wie man ſich von dieſem Übelſtande freimachen
kann. Schon jetzt aber dürfen wir die Spirale — wenigſtens innerhalb
gewiſſer Grenzen — als durchaus geeignet anſehen, den Uhrgang zu
regeln, wenn ſie ſich mit einer Hemmung verbindet. Die fortſchreitende
Technik der Taſchenuhren hat ſehr verſchiedene Arten von Hemmungen
gezeugt; die am meiſten verwendeten waren und ſind noch heute die
Spindel-, Cylinder- und Ankerhemmung, nach denen man auch die
Uhren als Spindel-, Cylinder- und Ankeruhren bezeichnet. Wir er-
wähnen die erſtere ſchon, weil ſie als die älteſte eine Betrachtung verdient.
Freilich iſt ſie immer mehr im Verſchwinden, aber noch im Jahre 1869
wurden allein im Kanton Bern in der Schweiz 300000 Uhren mit
Spindelhemmung konſtruiert.

Die Spindelhemmung iſt in Fig. 33 zweimal abgebildet, oben
erblicken wir das Steigrad in ſenkrechter, unten in wagerechter Stellung.

[Abbildung] Fig. 33.

Die Spindelhemmung.

C C iſt die Achſe des Balanciers A.
Wir erblicken an derſelben zwei Flügel E
und F, die nach verſchiedenen Seiten ge-
richtet ſind, ſo daß ſie um einen ſtumpfen
Winkel gegen einander geneigt ſind. Bei
den Hin- und Herſchwingungen der Un-
ruhe greifen dieſe Lappen abwechſelnd
in die Zähne des Steigrades ein und
hemmen ſo ſeine Bewegung. Iſt die
Uhr im Gange, ſo läuft das Steigrad
in der Richtung, die der Pfeil anzeigt,
und der Flügel F wirft ſich dem Zahn a
entgegen. Der Stoß, den der Lappen
dabei empfängt, trägt dabei zur Auf-
rechterhaltung der Bewegung der Un-
ruhe bei. Aber bei dem weiteren Schwunge
dieſer wird bald der Zahn b vom Lappen E
getroffen werden, und dadurch wird das ganze Steigrad ein wenig zurück-
gedreht werden, ſo weit, als es die ſchwache Kraft der Unruheſpirale
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[44/0062] Erfindung der Zeitmeßapparate. Zeit, welche eine Schwingung erfordert, dieſelbe bleibt, ob nun die Spirale wenig oder weit aus ihrer Ruhelage entfernt wurde. Freilich iſt dazu erforderlich, daß die Spirale gerade eine ganz beſtimmte Länge habe, eine Länge, die ſich indeſſen durch eine Anzahl von Verſuchen leicht finden läßt. Ferner würde ſich allerdings dieſe Schwingungszeit verändern, wenn die Größe der Unruhe ſich änderte; wenn das Rad der Unruhe ſich z. B. durch Verlängerung ſeiner Speichen weiter von der Achſe entfernte, ſo würde die Zeit der Schwingungen verlangſamt werden. Wir erkennen ſofort, daß alſo auch in den Gang der Taſchen- uhren die Wärme als ſtörendes Element eingreifen wird, und wir werden bald erfahren, wie man ſich von dieſem Übelſtande freimachen kann. Schon jetzt aber dürfen wir die Spirale — wenigſtens innerhalb gewiſſer Grenzen — als durchaus geeignet anſehen, den Uhrgang zu regeln, wenn ſie ſich mit einer Hemmung verbindet. Die fortſchreitende Technik der Taſchenuhren hat ſehr verſchiedene Arten von Hemmungen gezeugt; die am meiſten verwendeten waren und ſind noch heute die Spindel-, Cylinder- und Ankerhemmung, nach denen man auch die Uhren als Spindel-, Cylinder- und Ankeruhren bezeichnet. Wir er- wähnen die erſtere ſchon, weil ſie als die älteſte eine Betrachtung verdient. Freilich iſt ſie immer mehr im Verſchwinden, aber noch im Jahre 1869 wurden allein im Kanton Bern in der Schweiz 300000 Uhren mit Spindelhemmung konſtruiert. Die Spindelhemmung iſt in Fig. 33 zweimal abgebildet, oben erblicken wir das Steigrad in ſenkrechter, unten in wagerechter Stellung. [Abbildung Fig. 33. Die Spindelhemmung.] C C iſt die Achſe des Balanciers A. Wir erblicken an derſelben zwei Flügel E und F, die nach verſchiedenen Seiten ge- richtet ſind, ſo daß ſie um einen ſtumpfen Winkel gegen einander geneigt ſind. Bei den Hin- und Herſchwingungen der Un- ruhe greifen dieſe Lappen abwechſelnd in die Zähne des Steigrades ein und hemmen ſo ſeine Bewegung. Iſt die Uhr im Gange, ſo läuft das Steigrad in der Richtung, die der Pfeil anzeigt, und der Flügel F wirft ſich dem Zahn a entgegen. Der Stoß, den der Lappen dabei empfängt, trägt dabei zur Auf- rechterhaltung der Bewegung der Un- ruhe bei. Aber bei dem weiteren Schwunge dieſer wird bald der Zahn b vom Lappen E getroffen werden, und dadurch wird das ganze Steigrad ein wenig zurück- gedreht werden, ſo weit, als es die ſchwache Kraft der Unruheſpirale eben vermag. Dann wird der Flügel E durch die vorwärts ſchreitende Bewegung des Hemmungsrades wieder fort geſtoßen, bis ſich der

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/62>, abgerufen am 24.11.2024.