Die Nitroglycerinpräparate mit chemisch wirksamem Aufsaugestoff sind sehr zahlreich. Die unter den Namen Lithofrakteur, Dualin, Lignose, Cellulosedynamit, Gelatinedynamit, Sprenggelatine bekannten Substanzen gehören hierher. Das wichtigste und kräftigste Mittel unter ihnen ist die Sprenggelatine, dadurch erhalten, daß man Schießwolle mit Nitro- glycerin gelatiniert. Es ist eine gummiartige Masse, welche das Nitro- glycerin auch unter dem stärksten Druck nicht frei giebt. Nobel hat diesen Sprengstoff in regelmäßig geformte Stücke zerschnitten und als Kanonenpulver verwendet. Genau so, wie bei dem neuen Gewehr- pulver, ist man durch Beimischung indifferenter Substanzen imstande, die Kraftleistung dieses Pulvers nach Belieben zu regulieren. Es wird hierdurch auch fähig, zur Füllung von Granaten zu dienen und hält den Stoß beim Abfeuern aus, ohne zu explodieren.
Die Pikrinsäurepräparate.
Gerade so, wie man durch Nitrierung der Cellulose die Schieß- wolle, des Glycerins das Nitroglycerin erhält, entsteht durch Behandeln von Phenol (Karbolsäure) mit starker Salpetersäure ein Sprengstoff, welcher als Trinitrophenol oder Pikrinsäure bezeichnet wird. Bereits im Jahre 1771 durch Behandeln von Indigo mit Salpetersäure ge- wonnen, wurde sie zuerst von Laurent nach dem oben angegebenen Verfahren aus Phenol dargestellt. Die Pikrinsäure kristallisiert in gold- gelben Blättchen, welche Stoffe schön gelb färben, bei 117° schmelzen und bei rascher Erhitzung sehr heftig explodieren. Noch viel explosiver sind ihre Verbindungen mit Metallen, die pikrinsauren Salze. Im Jahre 1869 flog durch Explosion von Kaliumpikrat ein ganzes Häuser- viertel in Paris in die Luft, und dieses Unglück schreckte die Techniker eine Zeitlang vor weiteren Versuchen zurück. Trotzdem versuchte man wiederholt die Pikrinsäureverbindungen zu Kriegszwecken, besonders zu Granatfüllungen zu verwenden. Das schon oben erwähnte Poudre B. des Lebelgewehrs ist ein neueres Produkt solcher Bestrebungen; hierher gehört auch das Melinit, welches durch die vielen Reklamen, welche für diesen Sprengstoff gemacht wurden, sowie in neuester Zeit durch den Turpinprozeß viel von sich reden machte. Da die reine Pikrin- säure weniger leicht explodiert, als ihre Salze, und, wie wiederum Nobel nachwies, selbst bei einem Wassergehalt von 15 % durch einen kräftigen Initialstoß noch detoniert werden kann, so lenkte sich die Aufmerksamkeit am meisten auf sie. Trotzdem die Rolle des Melinits, als eines Spreng- stoffes von sehr zweifelhafter Haltbarkeit, ausgespielt sein dürfte, so ist es doch zweifellos, daß die meisten europäischen Staaten die Versuche, ihre Hohlgeschosse mit Pikratpulvern zu füllen, nicht nur nicht aufgegeben, sondern zum Teil zu einem erfolgreichen Ende geführt haben. Indessen dürften, gerade so wie bei den neuen Waffen, welche wir oben schilderten, erst künftige Kriege und länger andauernde Einführung über die Brauch- barkeit dieser neuen Sprengmittel entscheiden.
Das Nitroglycerin. — Die Pikrinſäurepräparate.
Die Nitroglycerinpräparate mit chemiſch wirkſamem Aufſaugeſtoff ſind ſehr zahlreich. Die unter den Namen Lithofrakteur, Dualin, Lignoſe, Celluloſedynamit, Gelatinedynamit, Sprenggelatine bekannten Subſtanzen gehören hierher. Das wichtigſte und kräftigſte Mittel unter ihnen iſt die Sprenggelatine, dadurch erhalten, daß man Schießwolle mit Nitro- glycerin gelatiniert. Es iſt eine gummiartige Maſſe, welche das Nitro- glycerin auch unter dem ſtärkſten Druck nicht frei giebt. Nobel hat dieſen Sprengſtoff in regelmäßig geformte Stücke zerſchnitten und als Kanonenpulver verwendet. Genau ſo, wie bei dem neuen Gewehr- pulver, iſt man durch Beimiſchung indifferenter Subſtanzen imſtande, die Kraftleiſtung dieſes Pulvers nach Belieben zu regulieren. Es wird hierdurch auch fähig, zur Füllung von Granaten zu dienen und hält den Stoß beim Abfeuern aus, ohne zu explodieren.
Die Pikrinſäurepräparate.
Gerade ſo, wie man durch Nitrierung der Celluloſe die Schieß- wolle, des Glycerins das Nitroglycerin erhält, entſteht durch Behandeln von Phenol (Karbolſäure) mit ſtarker Salpeterſäure ein Sprengſtoff, welcher als Trinitrophenol oder Pikrinſäure bezeichnet wird. Bereits im Jahre 1771 durch Behandeln von Indigo mit Salpeterſäure ge- wonnen, wurde ſie zuerſt von Laurent nach dem oben angegebenen Verfahren aus Phenol dargeſtellt. Die Pikrinſäure kriſtalliſiert in gold- gelben Blättchen, welche Stoffe ſchön gelb färben, bei 117° ſchmelzen und bei raſcher Erhitzung ſehr heftig explodieren. Noch viel exploſiver ſind ihre Verbindungen mit Metallen, die pikrinſauren Salze. Im Jahre 1869 flog durch Exploſion von Kaliumpikrat ein ganzes Häuſer- viertel in Paris in die Luft, und dieſes Unglück ſchreckte die Techniker eine Zeitlang vor weiteren Verſuchen zurück. Trotzdem verſuchte man wiederholt die Pikrinſäureverbindungen zu Kriegszwecken, beſonders zu Granatfüllungen zu verwenden. Das ſchon oben erwähnte Poudre B. des Lebelgewehrs iſt ein neueres Produkt ſolcher Beſtrebungen; hierher gehört auch das Melinit, welches durch die vielen Reklamen, welche für dieſen Sprengſtoff gemacht wurden, ſowie in neueſter Zeit durch den Turpinprozeß viel von ſich reden machte. Da die reine Pikrin- ſäure weniger leicht explodiert, als ihre Salze, und, wie wiederum Nobel nachwies, ſelbſt bei einem Waſſergehalt von 15 % durch einen kräftigen Initialſtoß noch detoniert werden kann, ſo lenkte ſich die Aufmerkſamkeit am meiſten auf ſie. Trotzdem die Rolle des Melinits, als eines Spreng- ſtoffes von ſehr zweifelhafter Haltbarkeit, ausgeſpielt ſein dürfte, ſo iſt es doch zweifellos, daß die meiſten europäiſchen Staaten die Verſuche, ihre Hohlgeſchoſſe mit Pikratpulvern zu füllen, nicht nur nicht aufgegeben, ſondern zum Teil zu einem erfolgreichen Ende geführt haben. Indeſſen dürften, gerade ſo wie bei den neuen Waffen, welche wir oben ſchilderten, erſt künftige Kriege und länger andauernde Einführung über die Brauch- barkeit dieſer neuen Sprengmittel entſcheiden.
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Das Nitroglycerin. — Die Pikrinſäurepräparate.
Die Nitroglycerinpräparate mit chemiſch wirkſamem Aufſaugeſtoff ſind
ſehr zahlreich. Die unter den Namen Lithofrakteur, Dualin, Lignoſe,
Celluloſedynamit, Gelatinedynamit, Sprenggelatine bekannten Subſtanzen
gehören hierher. Das wichtigſte und kräftigſte Mittel unter ihnen iſt
die Sprenggelatine, dadurch erhalten, daß man Schießwolle mit Nitro-
glycerin gelatiniert. Es iſt eine gummiartige Maſſe, welche das Nitro-
glycerin auch unter dem ſtärkſten Druck nicht frei giebt. Nobel hat
dieſen Sprengſtoff in regelmäßig geformte Stücke zerſchnitten und als
Kanonenpulver verwendet. Genau ſo, wie bei dem neuen Gewehr-
pulver, iſt man durch Beimiſchung indifferenter Subſtanzen imſtande,
die Kraftleiſtung dieſes Pulvers nach Belieben zu regulieren. Es wird
hierdurch auch fähig, zur Füllung von Granaten zu dienen und hält
den Stoß beim Abfeuern aus, ohne zu explodieren.
Die Pikrinſäurepräparate.
Gerade ſo, wie man durch Nitrierung der Celluloſe die Schieß-
wolle, des Glycerins das Nitroglycerin erhält, entſteht durch Behandeln
von Phenol (Karbolſäure) mit ſtarker Salpeterſäure ein Sprengſtoff,
welcher als Trinitrophenol oder Pikrinſäure bezeichnet wird. Bereits
im Jahre 1771 durch Behandeln von Indigo mit Salpeterſäure ge-
wonnen, wurde ſie zuerſt von Laurent nach dem oben angegebenen
Verfahren aus Phenol dargeſtellt. Die Pikrinſäure kriſtalliſiert in gold-
gelben Blättchen, welche Stoffe ſchön gelb färben, bei 117° ſchmelzen
und bei raſcher Erhitzung ſehr heftig explodieren. Noch viel exploſiver
ſind ihre Verbindungen mit Metallen, die pikrinſauren Salze. Im
Jahre 1869 flog durch Exploſion von Kaliumpikrat ein ganzes Häuſer-
viertel in Paris in die Luft, und dieſes Unglück ſchreckte die Techniker
eine Zeitlang vor weiteren Verſuchen zurück. Trotzdem verſuchte man
wiederholt die Pikrinſäureverbindungen zu Kriegszwecken, beſonders zu
Granatfüllungen zu verwenden. Das ſchon oben erwähnte Poudre B.
des Lebelgewehrs iſt ein neueres Produkt ſolcher Beſtrebungen; hierher
gehört auch das Melinit, welches durch die vielen Reklamen, welche
für dieſen Sprengſtoff gemacht wurden, ſowie in neueſter Zeit durch
den Turpinprozeß viel von ſich reden machte. Da die reine Pikrin-
ſäure weniger leicht explodiert, als ihre Salze, und, wie wiederum Nobel
nachwies, ſelbſt bei einem Waſſergehalt von 15 % durch einen kräftigen
Initialſtoß noch detoniert werden kann, ſo lenkte ſich die Aufmerkſamkeit
am meiſten auf ſie. Trotzdem die Rolle des Melinits, als eines Spreng-
ſtoffes von ſehr zweifelhafter Haltbarkeit, ausgeſpielt ſein dürfte, ſo iſt es
doch zweifellos, daß die meiſten europäiſchen Staaten die Verſuche, ihre
Hohlgeſchoſſe mit Pikratpulvern zu füllen, nicht nur nicht aufgegeben,
ſondern zum Teil zu einem erfolgreichen Ende geführt haben. Indeſſen
dürften, gerade ſo wie bei den neuen Waffen, welche wir oben ſchilderten,
erſt künftige Kriege und länger andauernde Einführung über die Brauch-
barkeit dieſer neuen Sprengmittel entſcheiden.
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 715. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/733>, abgerufen am 22.11.2024.
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