gemildert werden, was naturgemäß eine längere Haltbarkeit der Pflasterung zur Folge hat. Außerdem wird bei starkem Verkehr die Umgebung der Straßen durch das Vorüberfahren bei weitem weniger belästigt, als wenn keine Tragfedern vorhanden sind.
Veredarius führt in seinem interessanten Werke "Das Buch von der Weltpost" die aus dem Jahre 1673 stammende Erfindung des Fürstlich sächsischen Architektur-Direktors u. s. w. Erhard Weigel zu Jena an, welche darauf abzielte, durch künstliche Polsterung eine Milderung der Püffe und Stöße der schlechten Wege herbeizuführen. Auch sollte der nach den Prinzipien des Erfinders konstruierte Wagen nicht umfallen können, weil die in demselben Sitzenden durch ent- sprechende Verlegung ihres Sitzes und durch Hinüberneigen auf die Gegenseite jederzeit das Gleichgewicht herzustellen vermöchten. Vor allem anderen ist nachstehender Satz der Weigelschen Schrift hoch er- götzlich: "Ja wenn auch durch Verwahrlosung des Knechtes der Wagen ausser dem Geleist oder über einen hohen Stein und Hügel geführet, nothwendig ümbfallen müste, zumahl an einer Seite des Berges: so können dennoch die drinnen sitzenden ohne Schaden des mit ümbfallens seyn. Denn die zur andren Seiten können den Schlag geschwind auf- machen, zugleich alle mit einander heraus springen (welches in den gemeinen Kutschen nicht möglich), die bei der fallenden Seiten aber können sich bald umbwenden, zugleich nach jenen herausspringen oder in dem ümbfallenden Wagen nur contra weltzen, so werden sie von dem Wagen frey." Man sieht, daß dieser als so sehr vollkommen gerühmte Reisewagen, der, wie der Erfinder an andrer Stelle sich ausdrückt "das Schuttern in ein lieblich Hetzschen verwandelte", doch seine Schattenseiten besaß.
Übrigens bildeten die aus der schlechten Beschaffenheit der Verkehrs- mittel entspringenden Beschädigungen von Menschen, Tieren und Sachen eine keineswegs zu mißachtende Einnahmequelle der Straßenanwohner. Als man in England mit der Verbesserung der Straßen und Fuhr- werke im achtzehnten Jahrhundert vorzugehen begann, erfolgten daher zahlreiche Vorstellungen an die Regierung, in welchen diese darauf hingewiesen wurde, daß ein großer Teil der Bevölkerung der an den Haupt-Landstraßen liegenden Städte und Ortschaften durch eine Ver- besserung der Wege dem Hungertode ausgeliefert werden würde, da ihnen die bisherige Einnahme, welche ihnen aus ihrer Beschäftigung als Feldschere, Hufschmiede und Wagenbauer entsprungen sei, entzogen werden würde. Nicht minder beklagten sich die Pferdezüchter und Pferdehändler, da der bisherige starke Verbrauch an Pferden bei besserer Beschaffenheit der Wege sich stark vermindern würde.
Für Deutschland wird der Eintritt einer entscheidenden Wendung zum Bessern durch die einheitliche Ausbildung des Postwesens bezeichnet, welche dieses durch die Familie Thurn und Taxis erfuhr. Bis zu den Zeiten Maximilian I. erfolgte die Beförderung von Briefschaften
Der Verkehr zu Lande.
gemildert werden, was naturgemäß eine längere Haltbarkeit der Pflaſterung zur Folge hat. Außerdem wird bei ſtarkem Verkehr die Umgebung der Straßen durch das Vorüberfahren bei weitem weniger beläſtigt, als wenn keine Tragfedern vorhanden ſind.
Veredarius führt in ſeinem intereſſanten Werke „Das Buch von der Weltpoſt“ die aus dem Jahre 1673 ſtammende Erfindung des Fürſtlich ſächſiſchen Architektur-Direktors u. ſ. w. Erhard Weigel zu Jena an, welche darauf abzielte, durch künſtliche Polſterung eine Milderung der Püffe und Stöße der ſchlechten Wege herbeizuführen. Auch ſollte der nach den Prinzipien des Erfinders konſtruierte Wagen nicht umfallen können, weil die in demſelben Sitzenden durch ent- ſprechende Verlegung ihres Sitzes und durch Hinüberneigen auf die Gegenſeite jederzeit das Gleichgewicht herzuſtellen vermöchten. Vor allem anderen iſt nachſtehender Satz der Weigelſchen Schrift hoch er- götzlich: „Ja wenn auch durch Verwahrloſung des Knechtes der Wagen auſſer dem Geleiſt oder über einen hohen Stein und Hügel geführet, nothwendig ümbfallen müſte, zumahl an einer Seite des Berges: ſo können dennoch die drinnen ſitzenden ohne Schaden des mit ümbfallens ſeyn. Denn die zur andren Seiten können den Schlag geſchwind auf- machen, zugleich alle mit einander heraus ſpringen (welches in den gemeinen Kutſchen nicht möglich), die bei der fallenden Seiten aber können ſich bald umbwenden, zugleich nach jenen herausſpringen oder in dem ümbfallenden Wagen nur contra weltzen, ſo werden ſie von dem Wagen frey.“ Man ſieht, daß dieſer als ſo ſehr vollkommen gerühmte Reiſewagen, der, wie der Erfinder an andrer Stelle ſich ausdrückt „das Schuttern in ein lieblich Hetzſchen verwandelte“, doch ſeine Schattenſeiten beſaß.
Übrigens bildeten die aus der ſchlechten Beſchaffenheit der Verkehrs- mittel entſpringenden Beſchädigungen von Menſchen, Tieren und Sachen eine keineswegs zu mißachtende Einnahmequelle der Straßenanwohner. Als man in England mit der Verbeſſerung der Straßen und Fuhr- werke im achtzehnten Jahrhundert vorzugehen begann, erfolgten daher zahlreiche Vorſtellungen an die Regierung, in welchen dieſe darauf hingewieſen wurde, daß ein großer Teil der Bevölkerung der an den Haupt-Landſtraßen liegenden Städte und Ortſchaften durch eine Ver- beſſerung der Wege dem Hungertode ausgeliefert werden würde, da ihnen die bisherige Einnahme, welche ihnen aus ihrer Beſchäftigung als Feldſchere, Hufſchmiede und Wagenbauer entſprungen ſei, entzogen werden würde. Nicht minder beklagten ſich die Pferdezüchter und Pferdehändler, da der bisherige ſtarke Verbrauch an Pferden bei beſſerer Beſchaffenheit der Wege ſich ſtark vermindern würde.
Für Deutſchland wird der Eintritt einer entſcheidenden Wendung zum Beſſern durch die einheitliche Ausbildung des Poſtweſens bezeichnet, welche dieſes durch die Familie Thurn und Taxis erfuhr. Bis zu den Zeiten Maximilian I. erfolgte die Beförderung von Briefſchaften
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0746"n="728"/><fwplace="top"type="header">Der Verkehr zu Lande.</fw><lb/>
gemildert werden, was naturgemäß eine längere Haltbarkeit der<lb/>
Pflaſterung zur Folge hat. Außerdem wird bei ſtarkem Verkehr die<lb/>
Umgebung der Straßen durch das Vorüberfahren bei weitem weniger<lb/>
beläſtigt, als wenn keine Tragfedern vorhanden ſind.</p><lb/><p>Veredarius führt in ſeinem intereſſanten Werke „Das Buch von<lb/>
der Weltpoſt“ die aus dem Jahre 1673 ſtammende Erfindung des<lb/>
Fürſtlich ſächſiſchen Architektur-Direktors u. ſ. w. Erhard Weigel zu<lb/>
Jena an, welche darauf abzielte, durch künſtliche Polſterung eine<lb/>
Milderung der Püffe und Stöße der ſchlechten Wege herbeizuführen.<lb/>
Auch ſollte der nach den Prinzipien des Erfinders konſtruierte Wagen<lb/>
nicht umfallen können, weil die in demſelben Sitzenden durch ent-<lb/>ſprechende Verlegung ihres Sitzes und durch Hinüberneigen auf die<lb/>
Gegenſeite jederzeit das Gleichgewicht herzuſtellen vermöchten. Vor<lb/>
allem anderen iſt nachſtehender Satz der Weigelſchen Schrift hoch er-<lb/>
götzlich: „Ja wenn auch durch Verwahrloſung des Knechtes der Wagen<lb/>
auſſer dem Geleiſt oder über einen hohen Stein und Hügel geführet,<lb/>
nothwendig ümbfallen müſte, zumahl an einer Seite des Berges: ſo<lb/>
können dennoch die drinnen ſitzenden ohne Schaden des mit ümbfallens<lb/>ſeyn. Denn die zur andren Seiten können den Schlag geſchwind auf-<lb/>
machen, zugleich alle mit einander heraus ſpringen (welches in den<lb/>
gemeinen Kutſchen nicht möglich), die bei der fallenden Seiten aber<lb/>
können ſich bald umbwenden, zugleich nach jenen herausſpringen oder<lb/>
in dem ümbfallenden Wagen nur <hirendition="#aq">contra</hi> weltzen, ſo werden ſie von<lb/>
dem Wagen frey.“ Man ſieht, daß dieſer als ſo ſehr vollkommen<lb/>
gerühmte Reiſewagen, der, wie der Erfinder an andrer Stelle ſich<lb/>
ausdrückt „das Schuttern in ein lieblich Hetzſchen verwandelte“, doch<lb/>ſeine Schattenſeiten beſaß.</p><lb/><p>Übrigens bildeten die aus der ſchlechten Beſchaffenheit der Verkehrs-<lb/>
mittel entſpringenden Beſchädigungen von Menſchen, Tieren und Sachen<lb/>
eine keineswegs zu mißachtende Einnahmequelle der Straßenanwohner.<lb/>
Als man in England mit der Verbeſſerung der Straßen und Fuhr-<lb/>
werke im achtzehnten Jahrhundert vorzugehen begann, erfolgten daher<lb/>
zahlreiche Vorſtellungen an die Regierung, in welchen dieſe darauf<lb/>
hingewieſen wurde, daß ein großer Teil der Bevölkerung der an den<lb/>
Haupt-Landſtraßen liegenden Städte und Ortſchaften durch eine Ver-<lb/>
beſſerung der Wege dem Hungertode ausgeliefert werden würde, da<lb/>
ihnen die bisherige Einnahme, welche ihnen aus ihrer Beſchäftigung<lb/>
als Feldſchere, Hufſchmiede und Wagenbauer entſprungen ſei, entzogen<lb/>
werden würde. Nicht minder beklagten ſich die Pferdezüchter und<lb/>
Pferdehändler, da der bisherige ſtarke Verbrauch an Pferden bei<lb/>
beſſerer Beſchaffenheit der Wege ſich ſtark vermindern würde.</p><lb/><p>Für Deutſchland wird der Eintritt einer entſcheidenden Wendung<lb/>
zum Beſſern durch die einheitliche Ausbildung des Poſtweſens bezeichnet,<lb/>
welche dieſes durch die Familie Thurn und Taxis erfuhr. Bis zu<lb/>
den Zeiten Maximilian <hirendition="#aq">I.</hi> erfolgte die Beförderung von Briefſchaften<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[728/0746]
Der Verkehr zu Lande.
gemildert werden, was naturgemäß eine längere Haltbarkeit der
Pflaſterung zur Folge hat. Außerdem wird bei ſtarkem Verkehr die
Umgebung der Straßen durch das Vorüberfahren bei weitem weniger
beläſtigt, als wenn keine Tragfedern vorhanden ſind.
Veredarius führt in ſeinem intereſſanten Werke „Das Buch von
der Weltpoſt“ die aus dem Jahre 1673 ſtammende Erfindung des
Fürſtlich ſächſiſchen Architektur-Direktors u. ſ. w. Erhard Weigel zu
Jena an, welche darauf abzielte, durch künſtliche Polſterung eine
Milderung der Püffe und Stöße der ſchlechten Wege herbeizuführen.
Auch ſollte der nach den Prinzipien des Erfinders konſtruierte Wagen
nicht umfallen können, weil die in demſelben Sitzenden durch ent-
ſprechende Verlegung ihres Sitzes und durch Hinüberneigen auf die
Gegenſeite jederzeit das Gleichgewicht herzuſtellen vermöchten. Vor
allem anderen iſt nachſtehender Satz der Weigelſchen Schrift hoch er-
götzlich: „Ja wenn auch durch Verwahrloſung des Knechtes der Wagen
auſſer dem Geleiſt oder über einen hohen Stein und Hügel geführet,
nothwendig ümbfallen müſte, zumahl an einer Seite des Berges: ſo
können dennoch die drinnen ſitzenden ohne Schaden des mit ümbfallens
ſeyn. Denn die zur andren Seiten können den Schlag geſchwind auf-
machen, zugleich alle mit einander heraus ſpringen (welches in den
gemeinen Kutſchen nicht möglich), die bei der fallenden Seiten aber
können ſich bald umbwenden, zugleich nach jenen herausſpringen oder
in dem ümbfallenden Wagen nur contra weltzen, ſo werden ſie von
dem Wagen frey.“ Man ſieht, daß dieſer als ſo ſehr vollkommen
gerühmte Reiſewagen, der, wie der Erfinder an andrer Stelle ſich
ausdrückt „das Schuttern in ein lieblich Hetzſchen verwandelte“, doch
ſeine Schattenſeiten beſaß.
Übrigens bildeten die aus der ſchlechten Beſchaffenheit der Verkehrs-
mittel entſpringenden Beſchädigungen von Menſchen, Tieren und Sachen
eine keineswegs zu mißachtende Einnahmequelle der Straßenanwohner.
Als man in England mit der Verbeſſerung der Straßen und Fuhr-
werke im achtzehnten Jahrhundert vorzugehen begann, erfolgten daher
zahlreiche Vorſtellungen an die Regierung, in welchen dieſe darauf
hingewieſen wurde, daß ein großer Teil der Bevölkerung der an den
Haupt-Landſtraßen liegenden Städte und Ortſchaften durch eine Ver-
beſſerung der Wege dem Hungertode ausgeliefert werden würde, da
ihnen die bisherige Einnahme, welche ihnen aus ihrer Beſchäftigung
als Feldſchere, Hufſchmiede und Wagenbauer entſprungen ſei, entzogen
werden würde. Nicht minder beklagten ſich die Pferdezüchter und
Pferdehändler, da der bisherige ſtarke Verbrauch an Pferden bei
beſſerer Beſchaffenheit der Wege ſich ſtark vermindern würde.
Für Deutſchland wird der Eintritt einer entſcheidenden Wendung
zum Beſſern durch die einheitliche Ausbildung des Poſtweſens bezeichnet,
welche dieſes durch die Familie Thurn und Taxis erfuhr. Bis zu
den Zeiten Maximilian I. erfolgte die Beförderung von Briefſchaften
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 728. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/746>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.