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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Der Verkehr zu Lande.
setzt sich in Bewegung, wobei die Geschwindigkeit durch Verstellen des
oben erwähnten Hebels den Umständen nach reguliert werden kann.
Die erreichbare Leistung beträgt 16 Kilometer und mehr in der Stunde.
Während der Fahrt erzeugt der Motor selbstständig das erforderliche
Gas. Die Handhabung ist eine sehr leichte und sichere; besonders
ins Gewicht fällt die sofortige Betriebsbereitschaft.

Zur Überwindung von Steigungen ist ein besonderer Bergsteige-
Apparat vorgesehen worden, welcher während der Fahrt beliebig ein-
und ausgeschaltet werden kann.

4. Die Draisinen oder Velocipede.

Im Jahre 1817 erfand der Forstmeister Freiherr von Drais,
geboren 1785 zu Sauerbronn, gestorben 1851 zu Mannheim, ein zwei-
rädriges Fahrzeug zum Selbstfahren. Dasselbe besaß zwei hinter-
einander liegende Räder, die durch ein als Reitsitz dienendes Gestell
miteinander verbunden waren. Der dieses Fahrzeug Benutzende
nahm auf demselben rittlings Platz und bewegte sich durch wechsel-
seitiges Abstoßen der Füße vom Erdboden vorwärts. Bei einer
weiteren Vervollkommnung seiner Fahrvorrichtung ordnete Herr v. Drais
das Vorderrad um seine vertikale Achse drehbar an, um das Fahren
von Kurven zu gestatten. In England wurde die Erfindung Drais'
durch einen gewissen Johnson zum Patent angemeldet und erhielt hier
die volkstümliche Bezeichnung "Dandy-horse", ohne jedoch eine irgend-
wie erhebliche Bedeutung und Verbreitung zu gewinnen.

Erst im Jahre 1862 tauchte die nach ihrem ersten Erfinder als
Draisine bezeichnete Jahrvorrichtung in einer zweckmäßig abgeänderten
Gestalt von neuem auf; zu dieser Zeit war der Franzose Michaux
auf den glücklichen Gedanken gekommen, an dem einen Rade eine
Kurbel anzubringen und diese durch die Füße des Fahrenden betreiben
zu lassen. Im Jahre 1867 erregten die von Michaux konstruierten,
neuartigen Fahrräder auf der Pariser Weltausstellung ein ganz
besonderes Interesse, infolgedessen sich alsbald die Compagnie
Parisienne, ancienne maison Michaux & Comp., zur Ausnutzung der
neuen Erfindung bildete. Die ersten Michauxschen Fahrräder, die
nunmehr die Bezeichnung Velocipede erhielten, waren ganz aus Holz
angefertigt; es hat sich jedoch alsbald ein völliger Umschwung zur
ausschließlichen Anwendung des Stahles vollzogen, und zwar in so
durchgreifendem Maße, daß das Velociped häufig bildlich als Stahl-
roß bezeichnet wird.

In Fig. 407 bringen wir eine Abbildung eines zweirädrigen Velo-
cipeds (Bicycle) der Fahrräder-Fabrik von Dürkopp & Co. in Bielefeld.
Fig. 408 und 409 stellen dreirädrige Velocipede derselben Fabrik dar.

Die Velocipede sind ein sprechendes Beispiel dafür, wie leicht
bei thatsächlich vorliegendem Bedürfnis und bei wirklich vorhandener

Der Verkehr zu Lande.
ſetzt ſich in Bewegung, wobei die Geſchwindigkeit durch Verſtellen des
oben erwähnten Hebels den Umſtänden nach reguliert werden kann.
Die erreichbare Leiſtung beträgt 16 Kilometer und mehr in der Stunde.
Während der Fahrt erzeugt der Motor ſelbſtſtändig das erforderliche
Gas. Die Handhabung iſt eine ſehr leichte und ſichere; beſonders
ins Gewicht fällt die ſofortige Betriebsbereitſchaft.

Zur Überwindung von Steigungen iſt ein beſonderer Bergſteige-
Apparat vorgeſehen worden, welcher während der Fahrt beliebig ein-
und ausgeſchaltet werden kann.

4. Die Draiſinen oder Velocipede.

Im Jahre 1817 erfand der Forſtmeiſter Freiherr von Drais,
geboren 1785 zu Sauerbronn, geſtorben 1851 zu Mannheim, ein zwei-
rädriges Fahrzeug zum Selbſtfahren. Dasſelbe beſaß zwei hinter-
einander liegende Räder, die durch ein als Reitſitz dienendes Geſtell
miteinander verbunden waren. Der dieſes Fahrzeug Benutzende
nahm auf demſelben rittlings Platz und bewegte ſich durch wechſel-
ſeitiges Abſtoßen der Füße vom Erdboden vorwärts. Bei einer
weiteren Vervollkommnung ſeiner Fahrvorrichtung ordnete Herr v. Drais
das Vorderrad um ſeine vertikale Achſe drehbar an, um das Fahren
von Kurven zu geſtatten. In England wurde die Erfindung Drais’
durch einen gewiſſen Johnſon zum Patent angemeldet und erhielt hier
die volkstümliche Bezeichnung „Dandy-horse“, ohne jedoch eine irgend-
wie erhebliche Bedeutung und Verbreitung zu gewinnen.

Erſt im Jahre 1862 tauchte die nach ihrem erſten Erfinder als
Draiſine bezeichnete Jahrvorrichtung in einer zweckmäßig abgeänderten
Geſtalt von neuem auf; zu dieſer Zeit war der Franzoſe Michaux
auf den glücklichen Gedanken gekommen, an dem einen Rade eine
Kurbel anzubringen und dieſe durch die Füße des Fahrenden betreiben
zu laſſen. Im Jahre 1867 erregten die von Michaux konſtruierten,
neuartigen Fahrräder auf der Pariſer Weltausſtellung ein ganz
beſonderes Intereſſe, infolgedeſſen ſich alsbald die Compagnie
Pariſienne, ancienne maison Michaux & Comp., zur Ausnutzung der
neuen Erfindung bildete. Die erſten Michauxſchen Fahrräder, die
nunmehr die Bezeichnung Velocipede erhielten, waren ganz aus Holz
angefertigt; es hat ſich jedoch alsbald ein völliger Umſchwung zur
ausſchließlichen Anwendung des Stahles vollzogen, und zwar in ſo
durchgreifendem Maße, daß das Velociped häufig bildlich als Stahl-
roß bezeichnet wird.

In Fig. 407 bringen wir eine Abbildung eines zweirädrigen Velo-
cipeds (Bicycle) der Fahrräder-Fabrik von Dürkopp & Co. in Bielefeld.
Fig. 408 und 409 ſtellen dreirädrige Velocipede derſelben Fabrik dar.

Die Velocipede ſind ein ſprechendes Beiſpiel dafür, wie leicht
bei thatſächlich vorliegendem Bedürfnis und bei wirklich vorhandener

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[734/0752] Der Verkehr zu Lande. ſetzt ſich in Bewegung, wobei die Geſchwindigkeit durch Verſtellen des oben erwähnten Hebels den Umſtänden nach reguliert werden kann. Die erreichbare Leiſtung beträgt 16 Kilometer und mehr in der Stunde. Während der Fahrt erzeugt der Motor ſelbſtſtändig das erforderliche Gas. Die Handhabung iſt eine ſehr leichte und ſichere; beſonders ins Gewicht fällt die ſofortige Betriebsbereitſchaft. Zur Überwindung von Steigungen iſt ein beſonderer Bergſteige- Apparat vorgeſehen worden, welcher während der Fahrt beliebig ein- und ausgeſchaltet werden kann. 4. Die Draiſinen oder Velocipede. Im Jahre 1817 erfand der Forſtmeiſter Freiherr von Drais, geboren 1785 zu Sauerbronn, geſtorben 1851 zu Mannheim, ein zwei- rädriges Fahrzeug zum Selbſtfahren. Dasſelbe beſaß zwei hinter- einander liegende Räder, die durch ein als Reitſitz dienendes Geſtell miteinander verbunden waren. Der dieſes Fahrzeug Benutzende nahm auf demſelben rittlings Platz und bewegte ſich durch wechſel- ſeitiges Abſtoßen der Füße vom Erdboden vorwärts. Bei einer weiteren Vervollkommnung ſeiner Fahrvorrichtung ordnete Herr v. Drais das Vorderrad um ſeine vertikale Achſe drehbar an, um das Fahren von Kurven zu geſtatten. In England wurde die Erfindung Drais’ durch einen gewiſſen Johnſon zum Patent angemeldet und erhielt hier die volkstümliche Bezeichnung „Dandy-horse“, ohne jedoch eine irgend- wie erhebliche Bedeutung und Verbreitung zu gewinnen. Erſt im Jahre 1862 tauchte die nach ihrem erſten Erfinder als Draiſine bezeichnete Jahrvorrichtung in einer zweckmäßig abgeänderten Geſtalt von neuem auf; zu dieſer Zeit war der Franzoſe Michaux auf den glücklichen Gedanken gekommen, an dem einen Rade eine Kurbel anzubringen und dieſe durch die Füße des Fahrenden betreiben zu laſſen. Im Jahre 1867 erregten die von Michaux konſtruierten, neuartigen Fahrräder auf der Pariſer Weltausſtellung ein ganz beſonderes Intereſſe, infolgedeſſen ſich alsbald die Compagnie Pariſienne, ancienne maison Michaux & Comp., zur Ausnutzung der neuen Erfindung bildete. Die erſten Michauxſchen Fahrräder, die nunmehr die Bezeichnung Velocipede erhielten, waren ganz aus Holz angefertigt; es hat ſich jedoch alsbald ein völliger Umſchwung zur ausſchließlichen Anwendung des Stahles vollzogen, und zwar in ſo durchgreifendem Maße, daß das Velociped häufig bildlich als Stahl- roß bezeichnet wird. In Fig. 407 bringen wir eine Abbildung eines zweirädrigen Velo- cipeds (Bicycle) der Fahrräder-Fabrik von Dürkopp & Co. in Bielefeld. Fig. 408 und 409 ſtellen dreirädrige Velocipede derſelben Fabrik dar. Die Velocipede ſind ein ſprechendes Beiſpiel dafür, wie leicht bei thatſächlich vorliegendem Bedürfnis und bei wirklich vorhandener

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 734. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/752>, abgerufen am 22.11.2024.