den ersteren wird das Seil gleichzeitig mit der Last bewegt. Bei den letzteren liegt das die Wagen führende Seil fest und werden die Wagen auf diesem durch ein zweites Seil dahingezogen.
Wir übergehen eine Anzahl hier und da aufgetauchter Vorschläge, so z. B. die Einschienenbahn Lartigues und das nach Art der bekannten Rutschbahnen geplante Gravity-System von Thompson, um uns zu- nächst noch kurz mit der Girardschen gleitenden Eisenbahn zu be- schäftigen, ehe wir dann zu der letzten Gattung der Bahnen, der pneumatischen Eisenbahn, übergehen. Die gleitende Eisenbahn Girards erregte auf der letzten Pariser Weltausstellung mit Recht allgemeines Erstaunen, ob sie aber berufen sein wird, einmal thatsächlich Aufnahme unter den Verkehrsmitteln zu finden, bleibt höchst zweifelhaft.
Es handelt sich bei dieser Eisenbahn um nichts Geringeres, als um die Beseitigung der Räder und der Lokomotiven. Dieselbe erfolgt in der Weise, daß die einzelnen Wagen auf Schlitten gesetzt werden, welche hohl sind und von einem Reservoir mittels Luftdrucks mit Wasser von hoher Spannung gefüllt werden. Unter dem Einfluß des im Innern der Schlitten herrschenden hohen Wasserdruckes heben sich die Fahrzeuge um 1/2 Millimeter, und es strömt ein freier Wasserstrahl auf die Fahrbahn aus. Hierdurch wird erreicht, daß die der Be- wegung der Fahrzeuge sich entgegenstellende Reibung auf ein Minimum sich verringert, so daß naturgemäß nur eine außerordentlich geringe motorische Kraft zur Fortbewegung des aus derartigen Wagen zu- sammengesetzten Zuges erforderlich ist. Bei Thalfahrten kann einfach durch Benutzung des Gefälles eine sehr hohe Geschwindigkeit erzielt werden. Soll der Zug zum Stillstand kommen, so wird der Zufluß des Druckwassers zu den Gleitschuhen abgesperrt.
Der Antrieb des Zuges erfolgt ebenfalls durch Wasserkraft. Zu diesem Zwecke befindet sich in den Schienen der Eisenbahn gleichfalls Druckwasser, welches durch Ventile, welche in gewissen Entfernungen angeordnet sind, zum Ausströmen gebracht werden kann. Der aus- tretende, hoch gespannte Wasserstrahl schlägt gegen Schaufeln, welche ähnlich einer Zahnstange an der Unterseite der Wagen angebracht sind, und schiebt die Wagen vorwärts. Die Ventile werden beim Heran- nahen des Zuges durch diesen selbstthätig geöffnet und nach dessen Passieren in gleicher Weise wieder geschlossen.
Die Erwartungen, welche man an diese höchst eigenartige neue Eisenbahn knüpft, sind zum Teil außerordentlich weitgehende; so wurde in französischen Blättern behauptet, daß man bei derselben eine Zug- geschwindigkeit von 200 km in der Stunde, das wäre mehr als das Doppelte derjenigen unserer schnellsten Expreßzüge, erreichen könne.
Girard selbst ist während des deutsch-französischen Krieges gefallen; die vorliegende Fortsetzung seiner Idee rührt von einem Ingenieur, Namens Barre her. Es ist nicht das erste Mal, daß die gleitende Eisenbahn Girards die Runde durch die technischen Blätter macht. So
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Außergewöhnliche Eiſenbahnſyſteme.
den erſteren wird das Seil gleichzeitig mit der Laſt bewegt. Bei den letzteren liegt das die Wagen führende Seil feſt und werden die Wagen auf dieſem durch ein zweites Seil dahingezogen.
Wir übergehen eine Anzahl hier und da aufgetauchter Vorſchläge, ſo z. B. die Einſchienenbahn Lartigues und das nach Art der bekannten Rutſchbahnen geplante Gravity-Syſtem von Thompſon, um uns zu- nächſt noch kurz mit der Girardſchen gleitenden Eiſenbahn zu be- ſchäftigen, ehe wir dann zu der letzten Gattung der Bahnen, der pneumatiſchen Eiſenbahn, übergehen. Die gleitende Eiſenbahn Girards erregte auf der letzten Pariſer Weltausſtellung mit Recht allgemeines Erſtaunen, ob ſie aber berufen ſein wird, einmal thatſächlich Aufnahme unter den Verkehrsmitteln zu finden, bleibt höchſt zweifelhaft.
Es handelt ſich bei dieſer Eiſenbahn um nichts Geringeres, als um die Beſeitigung der Räder und der Lokomotiven. Dieſelbe erfolgt in der Weiſe, daß die einzelnen Wagen auf Schlitten geſetzt werden, welche hohl ſind und von einem Reſervoir mittels Luftdrucks mit Waſſer von hoher Spannung gefüllt werden. Unter dem Einfluß des im Innern der Schlitten herrſchenden hohen Waſſerdruckes heben ſich die Fahrzeuge um ½ Millimeter, und es ſtrömt ein freier Waſſerſtrahl auf die Fahrbahn aus. Hierdurch wird erreicht, daß die der Be- wegung der Fahrzeuge ſich entgegenſtellende Reibung auf ein Minimum ſich verringert, ſo daß naturgemäß nur eine außerordentlich geringe motoriſche Kraft zur Fortbewegung des aus derartigen Wagen zu- ſammengeſetzten Zuges erforderlich iſt. Bei Thalfahrten kann einfach durch Benutzung des Gefälles eine ſehr hohe Geſchwindigkeit erzielt werden. Soll der Zug zum Stillſtand kommen, ſo wird der Zufluß des Druckwaſſers zu den Gleitſchuhen abgeſperrt.
Der Antrieb des Zuges erfolgt ebenfalls durch Waſſerkraft. Zu dieſem Zwecke befindet ſich in den Schienen der Eiſenbahn gleichfalls Druckwaſſer, welches durch Ventile, welche in gewiſſen Entfernungen angeordnet ſind, zum Ausſtrömen gebracht werden kann. Der aus- tretende, hoch geſpannte Waſſerſtrahl ſchlägt gegen Schaufeln, welche ähnlich einer Zahnſtange an der Unterſeite der Wagen angebracht ſind, und ſchiebt die Wagen vorwärts. Die Ventile werden beim Heran- nahen des Zuges durch dieſen ſelbſtthätig geöffnet und nach deſſen Paſſieren in gleicher Weiſe wieder geſchloſſen.
Die Erwartungen, welche man an dieſe höchſt eigenartige neue Eiſenbahn knüpft, ſind zum Teil außerordentlich weitgehende; ſo wurde in franzöſiſchen Blättern behauptet, daß man bei derſelben eine Zug- geſchwindigkeit von 200 km in der Stunde, das wäre mehr als das Doppelte derjenigen unſerer ſchnellſten Expreßzüge, erreichen könne.
Girard ſelbſt iſt während des deutſch-franzöſiſchen Krieges gefallen; die vorliegende Fortſetzung ſeiner Idee rührt von einem Ingenieur, Namens Barre her. Es iſt nicht das erſte Mal, daß die gleitende Eiſenbahn Girards die Runde durch die techniſchen Blätter macht. So
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Außergewöhnliche Eiſenbahnſyſteme.
den erſteren wird das Seil gleichzeitig mit der Laſt bewegt. Bei den
letzteren liegt das die Wagen führende Seil feſt und werden die Wagen
auf dieſem durch ein zweites Seil dahingezogen.
Wir übergehen eine Anzahl hier und da aufgetauchter Vorſchläge,
ſo z. B. die Einſchienenbahn Lartigues und das nach Art der bekannten
Rutſchbahnen geplante Gravity-Syſtem von Thompſon, um uns zu-
nächſt noch kurz mit der Girardſchen gleitenden Eiſenbahn zu be-
ſchäftigen, ehe wir dann zu der letzten Gattung der Bahnen, der
pneumatiſchen Eiſenbahn, übergehen. Die gleitende Eiſenbahn Girards
erregte auf der letzten Pariſer Weltausſtellung mit Recht allgemeines
Erſtaunen, ob ſie aber berufen ſein wird, einmal thatſächlich Aufnahme
unter den Verkehrsmitteln zu finden, bleibt höchſt zweifelhaft.
Es handelt ſich bei dieſer Eiſenbahn um nichts Geringeres, als
um die Beſeitigung der Räder und der Lokomotiven. Dieſelbe erfolgt
in der Weiſe, daß die einzelnen Wagen auf Schlitten geſetzt werden,
welche hohl ſind und von einem Reſervoir mittels Luftdrucks mit
Waſſer von hoher Spannung gefüllt werden. Unter dem Einfluß des
im Innern der Schlitten herrſchenden hohen Waſſerdruckes heben ſich
die Fahrzeuge um ½ Millimeter, und es ſtrömt ein freier Waſſerſtrahl
auf die Fahrbahn aus. Hierdurch wird erreicht, daß die der Be-
wegung der Fahrzeuge ſich entgegenſtellende Reibung auf ein Minimum
ſich verringert, ſo daß naturgemäß nur eine außerordentlich geringe
motoriſche Kraft zur Fortbewegung des aus derartigen Wagen zu-
ſammengeſetzten Zuges erforderlich iſt. Bei Thalfahrten kann einfach
durch Benutzung des Gefälles eine ſehr hohe Geſchwindigkeit erzielt
werden. Soll der Zug zum Stillſtand kommen, ſo wird der Zufluß
des Druckwaſſers zu den Gleitſchuhen abgeſperrt.
Der Antrieb des Zuges erfolgt ebenfalls durch Waſſerkraft. Zu
dieſem Zwecke befindet ſich in den Schienen der Eiſenbahn gleichfalls
Druckwaſſer, welches durch Ventile, welche in gewiſſen Entfernungen
angeordnet ſind, zum Ausſtrömen gebracht werden kann. Der aus-
tretende, hoch geſpannte Waſſerſtrahl ſchlägt gegen Schaufeln, welche
ähnlich einer Zahnſtange an der Unterſeite der Wagen angebracht ſind,
und ſchiebt die Wagen vorwärts. Die Ventile werden beim Heran-
nahen des Zuges durch dieſen ſelbſtthätig geöffnet und nach deſſen
Paſſieren in gleicher Weiſe wieder geſchloſſen.
Die Erwartungen, welche man an dieſe höchſt eigenartige neue
Eiſenbahn knüpft, ſind zum Teil außerordentlich weitgehende; ſo wurde
in franzöſiſchen Blättern behauptet, daß man bei derſelben eine Zug-
geſchwindigkeit von 200 km in der Stunde, das wäre mehr als das
Doppelte derjenigen unſerer ſchnellſten Expreßzüge, erreichen könne.
Girard ſelbſt iſt während des deutſch-franzöſiſchen Krieges gefallen;
die vorliegende Fortſetzung ſeiner Idee rührt von einem Ingenieur,
Namens Barre her. Es iſt nicht das erſte Mal, daß die gleitende
Eiſenbahn Girards die Runde durch die techniſchen Blätter macht. So
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 771. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/789>, abgerufen am 22.11.2024.
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