zu entkommen gelang und durch sie die Sache offenkundig ward. Bald darauf hatte jedes Land seine eigene Porzellanfabrik. Die erste in Preußen ward 1750 von Wegely zu Berlin eingerichtet, ging aber nach sieben Jahren wieder ein; erst die 1761 von Gotzkowsky gegründete Fabrik in der Leipziger Straße, welche zwei Jahre später der Staat übernahm, hielt sich, es ist die heute noch blühende Königliche Por- zellan-Manufaktur. Am Ende des 17. Jahrhunderts war bereits das weiche Porzellan in Frankreich erfunden worden, und es wurde bis 1740 in St. Cloud, bis 1753 in Vincennes und von da an in der berühmten Fabrik zu Sevres fabriziert.
Was die Erfindung des Porzellans im Auslande hintanhielt, das war der Mangel des geeigneten Materials. Dieses ist der reinste Thon, die Porzellanerde oder das Kaolin, welches unvermischt in Europa nicht eben häufig vorkommt, und bei dem Stande der chemi- schen Kenntnisse im Anfange des vorigen Jahrhunderts nur schwer zu entdecken war. Das Lager bei Meißen versah die sächsische, dasjenige bei Halle die preußische Manufaktur. Um diesen für sich unschmelz- baren Stoff beim Brande zur Sinterung zu bringen, mußte man ihm die geeigneten Flußmittel zusetzen, als welche die Chinesen längst Gips und Feuerstein erkannt hatten, während z. B. in Berlin Feldspat und Quarz verwendet werden. Das gute Berliner und Meißener Porzellan enthält nur verhältnismäßig wenig Flußmittel, braucht daher eine sehr hohe Temperatur, um gar zu brennen. Es zeichnet sich dafür durch eine große Widerstandsfähigkeit gegen rasche Temperaturveränderungen aus, es ist gewaltig hart, und da in dünnen Schichten die ungeschmolzenen Teilchen nicht auffallen, durchscheinend. Bevor es mit der Glasur ver- sehen wird, muß es zunächst bei einer Wärme von 1000° C geglüht werden. Die Glasur hat eine ganz ähnliche Zusammensetzung, wie der Scherben, nur daß sie ein wenig mehr Flußmittel enthält, also daß sie zwar etwas leichter schmilzt, aber auch bei ungleichmäßiger Erwärmung dem Scherben sich anschmiegt und nicht rissig wird. Nur beim Por- zellan findet das Glasieren und Garbrennen zugleich statt, und das bedingt mit die großen Vorzüge dieses Produkts. Nur wenig Por- zellan wird ohne Glasur gar gebrannt; man nennt dasselbe Biskuit; es ist eine dem Marmor äußerlich ähnliche Masse, aus der man Büsten herstellt. Das Garbrennen geschieht bei einer gewaltigen Glut, welche die Glasur ganz und den Scherben wenigstens teilweise zum Schmelzen bringt und wohl höher als bei 1600° C liegt, eine Hitze, welche das Schmiedeeisen längst verflüssigen würde.
Das Brennen, bei dem es sich sowohl um die Erzielung einer sehr hohen als auch einer möglichst gleichmäßigen Hitze handelt, ge- schieht in besonders für diesen Zweck konstruierten Öfen. Wir bilden in Fig. 473 u. 474 denjenigen ab, der in der Fabrik zu Sevres ange- wendet und für Holzkohlenfeuerung bestimmt war. Der Durchschnitt läßt uns drei Stockwerke erkennen, welche durch Gewölbe von einander
Die Thonwaren.
zu entkommen gelang und durch ſie die Sache offenkundig ward. Bald darauf hatte jedes Land ſeine eigene Porzellanfabrik. Die erſte in Preußen ward 1750 von Wegely zu Berlin eingerichtet, ging aber nach ſieben Jahren wieder ein; erſt die 1761 von Gotzkowsky gegründete Fabrik in der Leipziger Straße, welche zwei Jahre ſpäter der Staat übernahm, hielt ſich, es iſt die heute noch blühende Königliche Por- zellan-Manufaktur. Am Ende des 17. Jahrhunderts war bereits das weiche Porzellan in Frankreich erfunden worden, und es wurde bis 1740 in St. Cloud, bis 1753 in Vincennes und von da an in der berühmten Fabrik zu Sèvres fabriziert.
Was die Erfindung des Porzellans im Auslande hintanhielt, das war der Mangel des geeigneten Materials. Dieſes iſt der reinſte Thon, die Porzellanerde oder das Kaolin, welches unvermiſcht in Europa nicht eben häufig vorkommt, und bei dem Stande der chemi- ſchen Kenntniſſe im Anfange des vorigen Jahrhunderts nur ſchwer zu entdecken war. Das Lager bei Meißen verſah die ſächſiſche, dasjenige bei Halle die preußiſche Manufaktur. Um dieſen für ſich unſchmelz- baren Stoff beim Brande zur Sinterung zu bringen, mußte man ihm die geeigneten Flußmittel zuſetzen, als welche die Chineſen längſt Gips und Feuerſtein erkannt hatten, während z. B. in Berlin Feldſpat und Quarz verwendet werden. Das gute Berliner und Meißener Porzellan enthält nur verhältnismäßig wenig Flußmittel, braucht daher eine ſehr hohe Temperatur, um gar zu brennen. Es zeichnet ſich dafür durch eine große Widerſtandsfähigkeit gegen raſche Temperaturveränderungen aus, es iſt gewaltig hart, und da in dünnen Schichten die ungeſchmolzenen Teilchen nicht auffallen, durchſcheinend. Bevor es mit der Glaſur ver- ſehen wird, muß es zunächſt bei einer Wärme von 1000° C geglüht werden. Die Glaſur hat eine ganz ähnliche Zuſammenſetzung, wie der Scherben, nur daß ſie ein wenig mehr Flußmittel enthält, alſo daß ſie zwar etwas leichter ſchmilzt, aber auch bei ungleichmäßiger Erwärmung dem Scherben ſich anſchmiegt und nicht riſſig wird. Nur beim Por- zellan findet das Glaſieren und Garbrennen zugleich ſtatt, und das bedingt mit die großen Vorzüge dieſes Produkts. Nur wenig Por- zellan wird ohne Glaſur gar gebrannt; man nennt dasſelbe Biskuit; es iſt eine dem Marmor äußerlich ähnliche Maſſe, aus der man Büſten herſtellt. Das Garbrennen geſchieht bei einer gewaltigen Glut, welche die Glaſur ganz und den Scherben wenigſtens teilweiſe zum Schmelzen bringt und wohl höher als bei 1600° C liegt, eine Hitze, welche das Schmiedeeiſen längſt verflüſſigen würde.
Das Brennen, bei dem es ſich ſowohl um die Erzielung einer ſehr hohen als auch einer möglichſt gleichmäßigen Hitze handelt, ge- ſchieht in beſonders für dieſen Zweck konſtruierten Öfen. Wir bilden in Fig. 473 u. 474 denjenigen ab, der in der Fabrik zu Sèvres ange- wendet und für Holzkohlenfeuerung beſtimmt war. Der Durchſchnitt läßt uns drei Stockwerke erkennen, welche durch Gewölbe von einander
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[876/0894]
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darauf hatte jedes Land ſeine eigene Porzellanfabrik. Die erſte in
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ſieben Jahren wieder ein; erſt die 1761 von Gotzkowsky gegründete
Fabrik in der Leipziger Straße, welche zwei Jahre ſpäter der Staat
übernahm, hielt ſich, es iſt die heute noch blühende Königliche Por-
zellan-Manufaktur. Am Ende des 17. Jahrhunderts war bereits das
weiche Porzellan in Frankreich erfunden worden, und es wurde bis 1740
in St. Cloud, bis 1753 in Vincennes und von da an in der berühmten
Fabrik zu Sèvres fabriziert.
Was die Erfindung des Porzellans im Auslande hintanhielt, das
war der Mangel des geeigneten Materials. Dieſes iſt der reinſte
Thon, die Porzellanerde oder das Kaolin, welches unvermiſcht in
Europa nicht eben häufig vorkommt, und bei dem Stande der chemi-
ſchen Kenntniſſe im Anfange des vorigen Jahrhunderts nur ſchwer zu
entdecken war. Das Lager bei Meißen verſah die ſächſiſche, dasjenige
bei Halle die preußiſche Manufaktur. Um dieſen für ſich unſchmelz-
baren Stoff beim Brande zur Sinterung zu bringen, mußte man ihm
die geeigneten Flußmittel zuſetzen, als welche die Chineſen längſt Gips
und Feuerſtein erkannt hatten, während z. B. in Berlin Feldſpat und
Quarz verwendet werden. Das gute Berliner und Meißener Porzellan
enthält nur verhältnismäßig wenig Flußmittel, braucht daher eine ſehr
hohe Temperatur, um gar zu brennen. Es zeichnet ſich dafür durch eine
große Widerſtandsfähigkeit gegen raſche Temperaturveränderungen aus,
es iſt gewaltig hart, und da in dünnen Schichten die ungeſchmolzenen
Teilchen nicht auffallen, durchſcheinend. Bevor es mit der Glaſur ver-
ſehen wird, muß es zunächſt bei einer Wärme von 1000° C geglüht
werden. Die Glaſur hat eine ganz ähnliche Zuſammenſetzung, wie der
Scherben, nur daß ſie ein wenig mehr Flußmittel enthält, alſo daß ſie
zwar etwas leichter ſchmilzt, aber auch bei ungleichmäßiger Erwärmung
dem Scherben ſich anſchmiegt und nicht riſſig wird. Nur beim Por-
zellan findet das Glaſieren und Garbrennen zugleich ſtatt, und das
bedingt mit die großen Vorzüge dieſes Produkts. Nur wenig Por-
zellan wird ohne Glaſur gar gebrannt; man nennt dasſelbe Biskuit;
es iſt eine dem Marmor äußerlich ähnliche Maſſe, aus der man Büſten
herſtellt. Das Garbrennen geſchieht bei einer gewaltigen Glut, welche
die Glaſur ganz und den Scherben wenigſtens teilweiſe zum Schmelzen
bringt und wohl höher als bei 1600° C liegt, eine Hitze, welche das
Schmiedeeiſen längſt verflüſſigen würde.
Das Brennen, bei dem es ſich ſowohl um die Erzielung einer
ſehr hohen als auch einer möglichſt gleichmäßigen Hitze handelt, ge-
ſchieht in beſonders für dieſen Zweck konſtruierten Öfen. Wir bilden
in Fig. 473 u. 474 denjenigen ab, der in der Fabrik zu Sèvres ange-
wendet und für Holzkohlenfeuerung beſtimmt war. Der Durchſchnitt
läßt uns drei Stockwerke erkennen, welche durch Gewölbe von einander
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 876. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/894>, abgerufen am 25.11.2024.
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