das Verglühen 12 Stunden, während der Garbrand noch 14 Stunden erfordert.
Nur recht wenige von den gebrannten Stücken befriedigen übrigens durchaus alle an sie gestellten Anforderungen. Wenn man Malereien aufträgt, so läßt sich freilich ein guter Teil der Fehler noch verdecken. Wie aber geschieht dies? Man hat zwei Arten von Farben für das Porzellan: Die Scharffeuerfarben, deren es verhältnismäßig wenige giebt, vertragen die volle Glut des Garbrandes, die meisten aber, die sogenannten Muffelfarben müssen nach demselben auf die Glasur auf- getragen und in einem nachfolgendem Brande bei geringerer Hitze in Muffeln eingebrannt werden. Meistens verwendet man Metalloxyde zum Brennen. Das lange Zeit ein Geheimnis des Reiches der Mitte gewesene Chinesischrot ist vor wenigen Jahren durch Prof. Seger in Berlin als vornehmlich in Kupferoxydul bestehend erkannt worden. Die Porzellanmalerei, ursprünglich im fernen Osten heimisch, hat die Kunstindustrie des Abendlandes in den letzten Jahrzehnten besonders beschäftigt. Bis vor kurzem wurde es als ein großer Übelstand empfunden, daß die meisten Farben in der vollen Hitze des Ofens sich nicht aufbrennen ließen, weil die Metalloxyde durch dieselbe in ihre Bestandteile, das Metall und den Sauerstoff getrennt wurden. Deshalb hat nun Seger eine neue Porzellanmasse angegeben, welche eine weit geringere Hitze zum Garbrennen verlangt (1450°), bei der die meisten Farben noch bestehen können. Er mischt dazu den Thon in einem anderen Verhältnis mit den Flußmitteln; auch die Glasur ist dabei eine leichter schmelzbare. Damit ist der keramischen Kunst ein neues Feld eröffnet worden. In Frankreich und England hat man auch lange Zeit bis auf den heutigen Tag ein leichter flüssiges Porzellan, das Frittenporzellan erzeugt, welches dieselben Vorzüge hat. Das französische, bereits am Ende des 17. Jahrhunderts erfunden und in Sevres besonders gepflegt, ist freilich kein Thonprodukt, sondern ähnelt vielmehr dem Glase in seiner Hervorbringung. Das englische, dem gewöhnlich Knochenasche als Flußmittel beigegeben wird, ist da- gegen eine echte Thonware. Die Kunstindustrie ist durch die Erfindung dieser beiden Thonwaren besonders gefördert worden. Das neueste Erzeugnis der französischen Manufaktur, die sogenannten "pate sur pate," erhält man durch Auftragung und Modellierung einer weißen Thon- schicht als Relief auf einen farbigen Thongrund und nachheriges Brennen. Die Erzeugnisse sind den antiken Kameen täuschend ähnlich. In England ist die Porzellanindustrie und besonders dieser Zweig derselben im Pottery-Bezirk am Trent so entwickelt, daß der Künstler das Pfund Thon zum Werte eines Pfundes Gold erhebt. In Berlin sind durch Seger noch die gerissenen, sogenannten Kraqueleglasuren mit mehreren übereinanderliegenden Farbentönen zur Blüte gebracht worden.
Wer kennt nicht die thönernen Bierkrüge, die schöngeformten und unter der Glasur bunt bemalten Urnen? Sie sind aus einer Masse
Die dichten Thonwaren.
das Verglühen 12 Stunden, während der Garbrand noch 14 Stunden erfordert.
Nur recht wenige von den gebrannten Stücken befriedigen übrigens durchaus alle an ſie geſtellten Anforderungen. Wenn man Malereien aufträgt, ſo läßt ſich freilich ein guter Teil der Fehler noch verdecken. Wie aber geſchieht dies? Man hat zwei Arten von Farben für das Porzellan: Die Scharffeuerfarben, deren es verhältnismäßig wenige giebt, vertragen die volle Glut des Garbrandes, die meiſten aber, die ſogenannten Muffelfarben müſſen nach demſelben auf die Glaſur auf- getragen und in einem nachfolgendem Brande bei geringerer Hitze in Muffeln eingebrannt werden. Meiſtens verwendet man Metalloxyde zum Brennen. Das lange Zeit ein Geheimnis des Reiches der Mitte geweſene Chineſiſchrot iſt vor wenigen Jahren durch Prof. Seger in Berlin als vornehmlich in Kupferoxydul beſtehend erkannt worden. Die Porzellanmalerei, urſprünglich im fernen Oſten heimiſch, hat die Kunſtinduſtrie des Abendlandes in den letzten Jahrzehnten beſonders beſchäftigt. Bis vor kurzem wurde es als ein großer Übelſtand empfunden, daß die meiſten Farben in der vollen Hitze des Ofens ſich nicht aufbrennen ließen, weil die Metalloxyde durch dieſelbe in ihre Beſtandteile, das Metall und den Sauerſtoff getrennt wurden. Deshalb hat nun Seger eine neue Porzellanmaſſe angegeben, welche eine weit geringere Hitze zum Garbrennen verlangt (1450°), bei der die meiſten Farben noch beſtehen können. Er miſcht dazu den Thon in einem anderen Verhältnis mit den Flußmitteln; auch die Glaſur iſt dabei eine leichter ſchmelzbare. Damit iſt der keramiſchen Kunſt ein neues Feld eröffnet worden. In Frankreich und England hat man auch lange Zeit bis auf den heutigen Tag ein leichter flüſſiges Porzellan, das Frittenporzellan erzeugt, welches dieſelben Vorzüge hat. Das franzöſiſche, bereits am Ende des 17. Jahrhunderts erfunden und in Sèvres beſonders gepflegt, iſt freilich kein Thonprodukt, ſondern ähnelt vielmehr dem Glaſe in ſeiner Hervorbringung. Das engliſche, dem gewöhnlich Knochenaſche als Flußmittel beigegeben wird, iſt da- gegen eine echte Thonware. Die Kunſtinduſtrie iſt durch die Erfindung dieſer beiden Thonwaren beſonders gefördert worden. Das neueſte Erzeugnis der franzöſiſchen Manufaktur, die ſogenannten „pâte sur pâte,“ erhält man durch Auftragung und Modellierung einer weißen Thon- ſchicht als Relief auf einen farbigen Thongrund und nachheriges Brennen. Die Erzeugniſſe ſind den antiken Kameen täuſchend ähnlich. In England iſt die Porzellaninduſtrie und beſonders dieſer Zweig derſelben im Pottery-Bezirk am Trent ſo entwickelt, daß der Künſtler das Pfund Thon zum Werte eines Pfundes Gold erhebt. In Berlin ſind durch Seger noch die geriſſenen, ſogenannten Kraqueléglaſuren mit mehreren übereinanderliegenden Farbentönen zur Blüte gebracht worden.
Wer kennt nicht die thönernen Bierkrüge, die ſchöngeformten und unter der Glaſur bunt bemalten Urnen? Sie ſind aus einer Maſſe
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Die dichten Thonwaren.
das Verglühen 12 Stunden, während der Garbrand noch 14 Stunden
erfordert.
Nur recht wenige von den gebrannten Stücken befriedigen übrigens
durchaus alle an ſie geſtellten Anforderungen. Wenn man Malereien
aufträgt, ſo läßt ſich freilich ein guter Teil der Fehler noch verdecken.
Wie aber geſchieht dies? Man hat zwei Arten von Farben für das
Porzellan: Die Scharffeuerfarben, deren es verhältnismäßig wenige
giebt, vertragen die volle Glut des Garbrandes, die meiſten aber, die
ſogenannten Muffelfarben müſſen nach demſelben auf die Glaſur auf-
getragen und in einem nachfolgendem Brande bei geringerer Hitze in
Muffeln eingebrannt werden. Meiſtens verwendet man Metalloxyde
zum Brennen. Das lange Zeit ein Geheimnis des Reiches der Mitte
geweſene Chineſiſchrot iſt vor wenigen Jahren durch Prof. Seger in
Berlin als vornehmlich in Kupferoxydul beſtehend erkannt worden.
Die Porzellanmalerei, urſprünglich im fernen Oſten heimiſch, hat die
Kunſtinduſtrie des Abendlandes in den letzten Jahrzehnten beſonders
beſchäftigt. Bis vor kurzem wurde es als ein großer Übelſtand
empfunden, daß die meiſten Farben in der vollen Hitze des Ofens
ſich nicht aufbrennen ließen, weil die Metalloxyde durch dieſelbe in
ihre Beſtandteile, das Metall und den Sauerſtoff getrennt wurden.
Deshalb hat nun Seger eine neue Porzellanmaſſe angegeben, welche
eine weit geringere Hitze zum Garbrennen verlangt (1450°), bei der
die meiſten Farben noch beſtehen können. Er miſcht dazu den Thon
in einem anderen Verhältnis mit den Flußmitteln; auch die Glaſur
iſt dabei eine leichter ſchmelzbare. Damit iſt der keramiſchen Kunſt
ein neues Feld eröffnet worden. In Frankreich und England
hat man auch lange Zeit bis auf den heutigen Tag ein leichter flüſſiges
Porzellan, das Frittenporzellan erzeugt, welches dieſelben Vorzüge hat.
Das franzöſiſche, bereits am Ende des 17. Jahrhunderts erfunden
und in Sèvres beſonders gepflegt, iſt freilich kein Thonprodukt, ſondern
ähnelt vielmehr dem Glaſe in ſeiner Hervorbringung. Das engliſche,
dem gewöhnlich Knochenaſche als Flußmittel beigegeben wird, iſt da-
gegen eine echte Thonware. Die Kunſtinduſtrie iſt durch die Erfindung
dieſer beiden Thonwaren beſonders gefördert worden. Das neueſte
Erzeugnis der franzöſiſchen Manufaktur, die ſogenannten „pâte sur pâte,“
erhält man durch Auftragung und Modellierung einer weißen Thon-
ſchicht als Relief auf einen farbigen Thongrund und nachheriges
Brennen. Die Erzeugniſſe ſind den antiken Kameen täuſchend ähnlich.
In England iſt die Porzellaninduſtrie und beſonders dieſer Zweig
derſelben im Pottery-Bezirk am Trent ſo entwickelt, daß der Künſtler
das Pfund Thon zum Werte eines Pfundes Gold erhebt. In Berlin
ſind durch Seger noch die geriſſenen, ſogenannten Kraqueléglaſuren mit
mehreren übereinanderliegenden Farbentönen zur Blüte gebracht worden.
Wer kennt nicht die thönernen Bierkrüge, die ſchöngeformten und
unter der Glaſur bunt bemalten Urnen? Sie ſind aus einer Maſſe
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 879. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/897>, abgerufen am 24.11.2024.
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