Schließlich sei noch die Notenschrift erwähnt, die in alter Zeit allerdings nur eine Umbildung der gewöhnlichen Schrift war. Die alten Griechen brauchten, da sie die oktavenmäßige Wiederkehr derselben Töne noch nicht kannten, außerdem für Vokal- und Instrumentalmusik andere Zeichen hatten, nicht weniger als 990 verschiedene Noten, die sie durch zusammengesetzte Anwendung des Alphabets und der Accente und durch Höher- oder Tieferstellung einzelner Buchstaben herstellten. Erst im 6. Jahrhundert nach Chr. Geb. führte Papst Gregor I das heutige Oktavensystem ein und bezeichnete die sieben Töne einer ganzen Oktave mit den 7 ersten Buchstaben des Alphabets, deren verschiedene Schreibweise, später auch auf verschiedenen Parallellinien die ver- schiedenen Oktaven er angab. Das heutige System der Notenschrift mit Punkten, deren Stellung auf einem fünffachen Liniensystem die Höhe oder Tiefe des Tones angiebt, ist nachweislich zuerst von Guido v. Arezzo, einem italienischen Mönch, im Anfang des 11. Jahr- hunderts angewandt, vielleicht auch von ihm erfunden worden. Erst im 13. Jahrhundert aber wahrscheinlich wurde auch die Erfindung gemacht, durch die verschiedene Gestaltung der Punkte als Vollpunkte oder offene Ringe mit oder ohne gerade oder krumme Striche die ver- schiedene Dauer des betreffenden Tones zu bezeichnen. Damit war im großen und ganzen unsere heutige Methode der Notenschrift gegeben.
Die Stenographie.
Kehren wir nun zum allgemeinen Schriftwesen zurück, so müssen wir jetzt noch von einem großartigen Fortschritt, dessen dasselbe fähig war, berichten, von der Kurzschrift oder Stenographie. Was der- selben zu Grunde liegt, ist der Wunsch, einerseits die Reden anderer so leserlich nachschreiben zu können, daß man selbst oder andere, des be- treffenden Systems Kundige, das Stenogramm unzweideutig wieder entziffern können, und andererseits auch jedem, der viel zu schreiben hat, diese Mühe durch ein abgekürztes Schriftsystem zu erleichtern. Es ist z. B. für einen Gelehrten von unschätzbarem Vorteil, bei der Kom- position eines Buches in seiner Gedankenfolge nicht immerwährend durch das langdauernde Niederschreiben in gewöhnlicher Schrift gestört zu werden.
Als Erfinder der ältesten bekannten Geschwindschrift dürfen wir wohl den begabten Freigelassenen des berühmten römischen Redners Cicero, den Marcus Tullius Tiro ansehen, der im Jahre 63 v. Chr. Geb. mit mehreren Schülern eine Rede des jüngeren Cato in Rom aufnahm und dadurch dem Gedächtnis der Nachwelt überlieferte. Es ist das die erste bekannte stenographische Leistung. Die Grundlage des tironischen Systems beruht auf einer Verkürzung, Verstümmelung und teilweisen Umformung der damals üblichen großen lateinischen Buch- staben. Das Zeichen
[Abbildung]
gleich QPN z. B. bedeutet bei ihm: Quousque
Das Papier und die vervielfältigenden Künſte.
Schließlich ſei noch die Notenſchrift erwähnt, die in alter Zeit allerdings nur eine Umbildung der gewöhnlichen Schrift war. Die alten Griechen brauchten, da ſie die oktavenmäßige Wiederkehr derſelben Töne noch nicht kannten, außerdem für Vokal- und Inſtrumentalmuſik andere Zeichen hatten, nicht weniger als 990 verſchiedene Noten, die ſie durch zuſammengeſetzte Anwendung des Alphabets und der Accente und durch Höher- oder Tieferſtellung einzelner Buchſtaben herſtellten. Erſt im 6. Jahrhundert nach Chr. Geb. führte Papſt Gregor I das heutige Oktavenſyſtem ein und bezeichnete die ſieben Töne einer ganzen Oktave mit den 7 erſten Buchſtaben des Alphabets, deren verſchiedene Schreibweiſe, ſpäter auch auf verſchiedenen Parallellinien die ver- ſchiedenen Oktaven er angab. Das heutige Syſtem der Notenſchrift mit Punkten, deren Stellung auf einem fünffachen Linienſyſtem die Höhe oder Tiefe des Tones angiebt, iſt nachweislich zuerſt von Guido v. Arezzo, einem italieniſchen Mönch, im Anfang des 11. Jahr- hunderts angewandt, vielleicht auch von ihm erfunden worden. Erſt im 13. Jahrhundert aber wahrſcheinlich wurde auch die Erfindung gemacht, durch die verſchiedene Geſtaltung der Punkte als Vollpunkte oder offene Ringe mit oder ohne gerade oder krumme Striche die ver- ſchiedene Dauer des betreffenden Tones zu bezeichnen. Damit war im großen und ganzen unſere heutige Methode der Notenſchrift gegeben.
Die Stenographie.
Kehren wir nun zum allgemeinen Schriftweſen zurück, ſo müſſen wir jetzt noch von einem großartigen Fortſchritt, deſſen dasſelbe fähig war, berichten, von der Kurzſchrift oder Stenographie. Was der- ſelben zu Grunde liegt, iſt der Wunſch, einerſeits die Reden anderer ſo leſerlich nachſchreiben zu können, daß man ſelbſt oder andere, des be- treffenden Syſtems Kundige, das Stenogramm unzweideutig wieder entziffern können, und andererſeits auch jedem, der viel zu ſchreiben hat, dieſe Mühe durch ein abgekürztes Schriftſyſtem zu erleichtern. Es iſt z. B. für einen Gelehrten von unſchätzbarem Vorteil, bei der Kom- poſition eines Buches in ſeiner Gedankenfolge nicht immerwährend durch das langdauernde Niederſchreiben in gewöhnlicher Schrift geſtört zu werden.
Als Erfinder der älteſten bekannten Geſchwindſchrift dürfen wir wohl den begabten Freigelaſſenen des berühmten römiſchen Redners Cicero, den Marcus Tullius Tiro anſehen, der im Jahre 63 v. Chr. Geb. mit mehreren Schülern eine Rede des jüngeren Cato in Rom aufnahm und dadurch dem Gedächtnis der Nachwelt überlieferte. Es iſt das die erſte bekannte ſtenographiſche Leiſtung. Die Grundlage des tironiſchen Syſtems beruht auf einer Verkürzung, Verſtümmelung und teilweiſen Umformung der damals üblichen großen lateiniſchen Buch- ſtaben. Das Zeichen
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gleich QPN z. B. bedeutet bei ihm: Quousque
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Das Papier und die vervielfältigenden Künſte.
Schließlich ſei noch die Notenſchrift erwähnt, die in alter Zeit
allerdings nur eine Umbildung der gewöhnlichen Schrift war. Die
alten Griechen brauchten, da ſie die oktavenmäßige Wiederkehr derſelben
Töne noch nicht kannten, außerdem für Vokal- und Inſtrumentalmuſik
andere Zeichen hatten, nicht weniger als 990 verſchiedene Noten, die
ſie durch zuſammengeſetzte Anwendung des Alphabets und der Accente
und durch Höher- oder Tieferſtellung einzelner Buchſtaben herſtellten.
Erſt im 6. Jahrhundert nach Chr. Geb. führte Papſt Gregor I das
heutige Oktavenſyſtem ein und bezeichnete die ſieben Töne einer ganzen
Oktave mit den 7 erſten Buchſtaben des Alphabets, deren verſchiedene
Schreibweiſe, ſpäter auch auf verſchiedenen Parallellinien die ver-
ſchiedenen Oktaven er angab. Das heutige Syſtem der Notenſchrift mit
Punkten, deren Stellung auf einem fünffachen Linienſyſtem die Höhe
oder Tiefe des Tones angiebt, iſt nachweislich zuerſt von Guido
v. Arezzo, einem italieniſchen Mönch, im Anfang des 11. Jahr-
hunderts angewandt, vielleicht auch von ihm erfunden worden. Erſt
im 13. Jahrhundert aber wahrſcheinlich wurde auch die Erfindung
gemacht, durch die verſchiedene Geſtaltung der Punkte als Vollpunkte
oder offene Ringe mit oder ohne gerade oder krumme Striche die ver-
ſchiedene Dauer des betreffenden Tones zu bezeichnen. Damit war im
großen und ganzen unſere heutige Methode der Notenſchrift gegeben.
Die Stenographie.
Kehren wir nun zum allgemeinen Schriftweſen zurück, ſo müſſen
wir jetzt noch von einem großartigen Fortſchritt, deſſen dasſelbe fähig
war, berichten, von der Kurzſchrift oder Stenographie. Was der-
ſelben zu Grunde liegt, iſt der Wunſch, einerſeits die Reden anderer ſo
leſerlich nachſchreiben zu können, daß man ſelbſt oder andere, des be-
treffenden Syſtems Kundige, das Stenogramm unzweideutig wieder
entziffern können, und andererſeits auch jedem, der viel zu ſchreiben
hat, dieſe Mühe durch ein abgekürztes Schriftſyſtem zu erleichtern. Es
iſt z. B. für einen Gelehrten von unſchätzbarem Vorteil, bei der Kom-
poſition eines Buches in ſeiner Gedankenfolge nicht immerwährend
durch das langdauernde Niederſchreiben in gewöhnlicher Schrift geſtört
zu werden.
Als Erfinder der älteſten bekannten Geſchwindſchrift dürfen wir
wohl den begabten Freigelaſſenen des berühmten römiſchen Redners
Cicero, den Marcus Tullius Tiro anſehen, der im Jahre 63 v. Chr.
Geb. mit mehreren Schülern eine Rede des jüngeren Cato in Rom
aufnahm und dadurch dem Gedächtnis der Nachwelt überlieferte. Es
iſt das die erſte bekannte ſtenographiſche Leiſtung. Die Grundlage
des tironiſchen Syſtems beruht auf einer Verkürzung, Verſtümmelung
und teilweiſen Umformung der damals üblichen großen lateiniſchen Buch-
ſtaben. Das Zeichen
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 940. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/958>, abgerufen am 22.11.2024.
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