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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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In jedem von diesen 4. Seitennavaten, die mit einander
communiciren, findet man neue Königl. Pracht, neue
Meisterstücke der Kunst. Gold, Farben, Arbeit, De-
likatesse, alles ist hier recht verschwendet. In der Mitte
über dem oben genannten prächtigen Stern ist wiederum
so ein kostbares Deckenstück, das fast den ganzen mittlern
Kreis einnimmt. Ringsherum stehen Büsten von Kö-
nigen und Kriegshelden. Am hohen Altar sind gedrehte
Säulen und alles ist mit Gold überzogen. Zuletzt kan
man den Kopf nicht mehr in die Höhe strecken, das Auge
leidet von dem Glase, und dem überall entgegen schim-
mernden Golde und Glühen der Farben. Und so-
bald man das Auge von diesen Kostbarkeiten wegwen-
det; so erblickt man vorne in der Kirche Bilder des
menschlichen Elends; -- alte abgelebte Krieger, --
zitternde Greise, -- wandelnde Gerippe, -- Denkmä-
ler des verwüstenden Krieges, -- Menschen, die mit
geheimer Freude an vormahlige Feldzüge zurückdenken,
ihre verstümmelten Glieder, ihre Krücken, alle Tage
herumschleppen, in frommer Einfalt, auch aus Langer-
weile, den Rosenkranz beten, ihren Kameraden erzählen,
was sie ihnen schon tausendmahl erzählt haben, sich an
ihre umgekommene Freunde erinnern, zuweilen gegen
Fremde mit Thränen im Auge die Gnade ihres Königs
und die ihnen verschafte Ruhe im Vergleich der ausge-
standenen Gefahren rühmen, gröstentheils der Welt schon
abgestorben sind, und nun unter ihren Brüdern den Tod
erwarten, der sie im Gewühl der Schlacht nicht fand.
Ein alter, ehrwürdiger Greis, dem meine Jugendfarbe
gefiel, wie mir sein unterm Kriegshute graugewordenes
Haar, fragte mich, was ich zu dieser Anstalt sagte, und
gab mir dabei mit einem Tone, der mehr die Sprache

eines

In jedem von dieſen 4. Seitennavaten, die mit einander
communiciren, findet man neue Koͤnigl. Pracht, neue
Meiſterſtuͤcke der Kunſt. Gold, Farben, Arbeit, De-
likateſſe, alles iſt hier recht verſchwendet. In der Mitte
uͤber dem oben genannten praͤchtigen Stern iſt wiederum
ſo ein koſtbares Deckenſtuͤck, das faſt den ganzen mittlern
Kreis einnimmt. Ringsherum ſtehen Buͤſten von Koͤ-
nigen und Kriegshelden. Am hohen Altar ſind gedrehte
Saͤulen und alles iſt mit Gold uͤberzogen. Zuletzt kan
man den Kopf nicht mehr in die Hoͤhe ſtrecken, das Auge
leidet von dem Glaſe, und dem uͤberall entgegen ſchim-
mernden Golde und Gluͤhen der Farben. Und ſo-
bald man das Auge von dieſen Koſtbarkeiten wegwen-
det; ſo erblickt man vorne in der Kirche Bilder des
menſchlichen Elends; — alte abgelebte Krieger, —
zitternde Greiſe, — wandelnde Gerippe, — Denkmaͤ-
ler des verwuͤſtenden Krieges, — Menſchen, die mit
geheimer Freude an vormahlige Feldzuͤge zuruͤckdenken,
ihre verſtuͤmmelten Glieder, ihre Kruͤcken, alle Tage
herumſchleppen, in frommer Einfalt, auch aus Langer-
weile, den Roſenkranz beten, ihren Kameraden erzaͤhlen,
was ſie ihnen ſchon tauſendmahl erzaͤhlt haben, ſich an
ihre umgekommene Freunde erinnern, zuweilen gegen
Fremde mit Thraͤnen im Auge die Gnade ihres Koͤnigs
und die ihnen verſchafte Ruhe im Vergleich der ausge-
ſtandenen Gefahren ruͤhmen, groͤſtentheils der Welt ſchon
abgeſtorben ſind, und nun unter ihren Bruͤdern den Tod
erwarten, der ſie im Gewuͤhl der Schlacht nicht fand.
Ein alter, ehrwuͤrdiger Greis, dem meine Jugendfarbe
gefiel, wie mir ſein unterm Kriegshute graugewordenes
Haar, fragte mich, was ich zu dieſer Anſtalt ſagte, und
gab mir dabei mit einem Tone, der mehr die Sprache

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[164/0188] In jedem von dieſen 4. Seitennavaten, die mit einander communiciren, findet man neue Koͤnigl. Pracht, neue Meiſterſtuͤcke der Kunſt. Gold, Farben, Arbeit, De- likateſſe, alles iſt hier recht verſchwendet. In der Mitte uͤber dem oben genannten praͤchtigen Stern iſt wiederum ſo ein koſtbares Deckenſtuͤck, das faſt den ganzen mittlern Kreis einnimmt. Ringsherum ſtehen Buͤſten von Koͤ- nigen und Kriegshelden. Am hohen Altar ſind gedrehte Saͤulen und alles iſt mit Gold uͤberzogen. Zuletzt kan man den Kopf nicht mehr in die Hoͤhe ſtrecken, das Auge leidet von dem Glaſe, und dem uͤberall entgegen ſchim- mernden Golde und Gluͤhen der Farben. Und ſo- bald man das Auge von dieſen Koſtbarkeiten wegwen- det; ſo erblickt man vorne in der Kirche Bilder des menſchlichen Elends; — alte abgelebte Krieger, — zitternde Greiſe, — wandelnde Gerippe, — Denkmaͤ- ler des verwuͤſtenden Krieges, — Menſchen, die mit geheimer Freude an vormahlige Feldzuͤge zuruͤckdenken, ihre verſtuͤmmelten Glieder, ihre Kruͤcken, alle Tage herumſchleppen, in frommer Einfalt, auch aus Langer- weile, den Roſenkranz beten, ihren Kameraden erzaͤhlen, was ſie ihnen ſchon tauſendmahl erzaͤhlt haben, ſich an ihre umgekommene Freunde erinnern, zuweilen gegen Fremde mit Thraͤnen im Auge die Gnade ihres Koͤnigs und die ihnen verſchafte Ruhe im Vergleich der ausge- ſtandenen Gefahren ruͤhmen, groͤſtentheils der Welt ſchon abgeſtorben ſind, und nun unter ihren Bruͤdern den Tod erwarten, der ſie im Gewuͤhl der Schlacht nicht fand. Ein alter, ehrwuͤrdiger Greis, dem meine Jugendfarbe gefiel, wie mir ſein unterm Kriegshute graugewordenes Haar, fragte mich, was ich zu dieſer Anſtalt ſagte, und gab mir dabei mit einem Tone, der mehr die Sprache eines

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/188>, abgerufen am 21.11.2024.