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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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sie untereinander, schaft dadurch das Stück, wiewohl
das, was man sieht, was er unter den Händen hat, die
untre falsche Seite ist, wo eine Menge Reste von Fäden
anhängen. Man wundert sich, wie so schöne Stücke so
simpel entstehen können. Von da besucht' ich

Le Chateau Royal de Bicetre. Es liegt eine
kleine halbe Stunde vor der Stadt über den kleinen Bou-
levard,
-- einem schönen Spaziergange, wo nicht
immer ein Denken- und Fühlen-verscheuchendes Getöse,
wie auf den grossen ist. -- Durch schöne Fruchtfelder
und bei einer Menge Windmühlen vorbei, kömmt man
an dieses Gebäude, das Narren-Zucht- und Arbeits-
haus zugleich ist. Es ist helle, geräumig, und hat
schöne breite Gänge, einen gepflasterten mit Hallen einge-
faßten Hof, eine eigne grosse Kirche, eine Kapelle, ein
unterirdisches Gefängnis etc. Beim Eingang ist erst
kürzlich ein eignes Gebäude erbauet worden, für die von
der geilen Seuche angesteckte Weibspersonen, und es ist
beständig mit Personen von diesem Schrot und Korn an-
gefüllt. Auf der einen Seite findet man Pensionärs,
ein ganzes Haus durch alle Stockwerke voll; dies sind
mauvais sujets, oft aus den vornehmsten Familien,
die zur Strafe hierher gethan werden. Die sittenlosen
Kerle schreien und rasen den ganzen Tag, sonderlich so-
bald sie Fremde sehen: sie wetten mit einander, wie viel es
seyn, ob einer werde da bleiben müssen, rufen einander
über die Dächer zu, haben Spiegel, und blenden einan-
der; es ist ein Geschrei, daß man sich unten selbst nicht
mehr versteht. Sie singen und pfeiffen ihre Lieblingslie-
der, und die Aufseher erlauben ihnen das alles, weil sie
sonst keinen Trost, keine Zerstreuung haben, und die Zucht-

meister

ſie untereinander, ſchaft dadurch das Stuͤck, wiewohl
das, was man ſieht, was er unter den Haͤnden hat, die
untre falſche Seite iſt, wo eine Menge Reſte von Faͤden
anhaͤngen. Man wundert ſich, wie ſo ſchoͤne Stuͤcke ſo
ſimpel entſtehen koͤnnen. Von da beſucht’ ich

Le Chateau Royal de Bicêtre. Es liegt eine
kleine halbe Stunde vor der Stadt uͤber den kleinen Bou-
levard,
— einem ſchoͤnen Spaziergange, wo nicht
immer ein Denken- und Fuͤhlen-verſcheuchendes Getoͤſe,
wie auf den groſſen iſt. — Durch ſchoͤne Fruchtfelder
und bei einer Menge Windmuͤhlen vorbei, koͤmmt man
an dieſes Gebaͤude, das Narren-Zucht- und Arbeits-
haus zugleich iſt. Es iſt helle, geraͤumig, und hat
ſchoͤne breite Gaͤnge, einen gepflaſterten mit Hallen einge-
faßten Hof, eine eigne groſſe Kirche, eine Kapelle, ein
unterirdiſches Gefaͤngnis ꝛc. Beim Eingang iſt erſt
kuͤrzlich ein eignes Gebaͤude erbauet worden, fuͤr die von
der geilen Seuche angeſteckte Weibsperſonen, und es iſt
beſtaͤndig mit Perſonen von dieſem Schrot und Korn an-
gefuͤllt. Auf der einen Seite findet man Penſionaͤrs,
ein ganzes Haus durch alle Stockwerke voll; dies ſind
mauvais ſujets, oft aus den vornehmſten Familien,
die zur Strafe hierher gethan werden. Die ſittenloſen
Kerle ſchreien und raſen den ganzen Tag, ſonderlich ſo-
bald ſie Fremde ſehen: ſie wetten mit einander, wie viel es
ſeyn, ob einer werde da bleiben muͤſſen, rufen einander
uͤber die Daͤcher zu, haben Spiegel, und blenden einan-
der; es iſt ein Geſchrei, daß man ſich unten ſelbſt nicht
mehr verſteht. Sie ſingen und pfeiffen ihre Lieblingslie-
der, und die Aufſeher erlauben ihnen das alles, weil ſie
ſonſt keinen Troſt, keine Zerſtreuung haben, und die Zucht-

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[186/0210] ſie untereinander, ſchaft dadurch das Stuͤck, wiewohl das, was man ſieht, was er unter den Haͤnden hat, die untre falſche Seite iſt, wo eine Menge Reſte von Faͤden anhaͤngen. Man wundert ſich, wie ſo ſchoͤne Stuͤcke ſo ſimpel entſtehen koͤnnen. Von da beſucht’ ich Le Chateau Royal de Bicêtre. Es liegt eine kleine halbe Stunde vor der Stadt uͤber den kleinen Bou- levard, — einem ſchoͤnen Spaziergange, wo nicht immer ein Denken- und Fuͤhlen-verſcheuchendes Getoͤſe, wie auf den groſſen iſt. — Durch ſchoͤne Fruchtfelder und bei einer Menge Windmuͤhlen vorbei, koͤmmt man an dieſes Gebaͤude, das Narren-Zucht- und Arbeits- haus zugleich iſt. Es iſt helle, geraͤumig, und hat ſchoͤne breite Gaͤnge, einen gepflaſterten mit Hallen einge- faßten Hof, eine eigne groſſe Kirche, eine Kapelle, ein unterirdiſches Gefaͤngnis ꝛc. Beim Eingang iſt erſt kuͤrzlich ein eignes Gebaͤude erbauet worden, fuͤr die von der geilen Seuche angeſteckte Weibsperſonen, und es iſt beſtaͤndig mit Perſonen von dieſem Schrot und Korn an- gefuͤllt. Auf der einen Seite findet man Penſionaͤrs, ein ganzes Haus durch alle Stockwerke voll; dies ſind mauvais ſujets, oft aus den vornehmſten Familien, die zur Strafe hierher gethan werden. Die ſittenloſen Kerle ſchreien und raſen den ganzen Tag, ſonderlich ſo- bald ſie Fremde ſehen: ſie wetten mit einander, wie viel es ſeyn, ob einer werde da bleiben muͤſſen, rufen einander uͤber die Daͤcher zu, haben Spiegel, und blenden einan- der; es iſt ein Geſchrei, daß man ſich unten ſelbſt nicht mehr verſteht. Sie ſingen und pfeiffen ihre Lieblingslie- der, und die Aufſeher erlauben ihnen das alles, weil ſie ſonſt keinen Troſt, keine Zerſtreuung haben, und die Zucht- meiſter

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/210>, abgerufen am 24.11.2024.