barkeit nicht in den Nerven, sondern daß seine Irritabi- lität eine Eigenschaft der Faser ist und daß ein Theil reiz- bar und doch nicht empfindlich, und ein andrer empfind- lich und doch nicht reizbar seyn kan! -- Bei den Thei- len der Pflanze unterschied er nur das Mark, das Holz und die Rinde, den Splint (aubier) vergas er. Bei der Rinde machte er die Anmerkung, dies wäre der einzi- ge Theil an der Pflanze, der auf der einen Seite immer trocken sei, weil er beständig der Luft ausgesetzt sei. -- Das war das einzige Neue, was ich gehört habe; und doch scheints mir nicht allgemein wahr zu seyn. Die Pflanzen, die viel Drüsen und Härchen haben, sind auch oft aussen feucht. Wo der Blumenkelch fehle, sei al- lemahl etwas anders da, z. B. Gluma, Spatha, oder sonst so was: -- aber bei der Tuipe und dem Maiblüm- chen erinnere ich mich wenigstens nicht, je was anders gesehen zu haben. Bei den Blättern erzählte er Bon- net's Versuche von den pores absorbans a surface inferieure und pores exhalans a surface supe- rieure. Er nahm eine Art von Kreislauf bei den Pflan- zen an, aber ob's eben derselbige Saft, qui monte et qui descend, und ob's in denselben, oder in verschiede- nen Gefässen geschehe, das habe noch nicht ausgemacht werden können. Von den vielen deutschen und englischen Versuchen, die das Gegentheil ausser allen Zweifel setzen, wuste er also nichts. Er sprach auch über die Geschwin- digkeit, womit der Saft steigt, *) entschied aber nicht, ob's durch innere Attraktion oder Cohäsion, oder durch
äussern
*) In dem Garten an meinem Hause ist im Sommer 1779. eine Sonnenblume in 4. Tagen eine Spanne lang gewachsen.
barkeit nicht in den Nerven, ſondern daß ſeine Irritabi- litaͤt eine Eigenſchaft der Faſer iſt und daß ein Theil reiz- bar und doch nicht empfindlich, und ein andrer empfind- lich und doch nicht reizbar ſeyn kan! — Bei den Thei- len der Pflanze unterſchied er nur das Mark, das Holz und die Rinde, den Splint (aubier) vergas er. Bei der Rinde machte er die Anmerkung, dies waͤre der einzi- ge Theil an der Pflanze, der auf der einen Seite immer trocken ſei, weil er beſtaͤndig der Luft ausgeſetzt ſei. — Das war das einzige Neue, was ich gehoͤrt habe; und doch ſcheints mir nicht allgemein wahr zu ſeyn. Die Pflanzen, die viel Druͤſen und Haͤrchen haben, ſind auch oft auſſen feucht. Wo der Blumenkelch fehle, ſei al- lemahl etwas anders da, z. B. Gluma, Spatha, oder ſonſt ſo was: — aber bei der Tuipe und dem Maibluͤm- chen erinnere ich mich wenigſtens nicht, je was anders geſehen zu haben. Bei den Blaͤttern erzaͤhlte er Bon- net’s Verſuche von den pores abſorbans à ſurface inferieure und pores exhalans à ſurface ſupe- rieure. Er nahm eine Art von Kreislauf bei den Pflan- zen an, aber ob’s eben derſelbige Saft, qui monte et qui deſcend, und ob’s in denſelben, oder in verſchiede- nen Gefaͤſſen geſchehe, das habe noch nicht ausgemacht werden koͤnnen. Von den vielen deutſchen und engliſchen Verſuchen, die das Gegentheil auſſer allen Zweifel ſetzen, wuſte er alſo nichts. Er ſprach auch uͤber die Geſchwin- digkeit, womit der Saft ſteigt, *) entſchied aber nicht, ob’s durch innere Attraktion oder Cohaͤſion, oder durch
aͤuſſern
*) In dem Garten an meinem Hauſe iſt im Sommer 1779. eine Sonnenblume in 4. Tagen eine Spanne lang gewachſen.
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[196/0220]
barkeit nicht in den Nerven, ſondern daß ſeine Irritabi-
litaͤt eine Eigenſchaft der Faſer iſt und daß ein Theil reiz-
bar und doch nicht empfindlich, und ein andrer empfind-
lich und doch nicht reizbar ſeyn kan! — Bei den Thei-
len der Pflanze unterſchied er nur das Mark, das Holz
und die Rinde, den Splint (aubier) vergas er. Bei
der Rinde machte er die Anmerkung, dies waͤre der einzi-
ge Theil an der Pflanze, der auf der einen Seite immer
trocken ſei, weil er beſtaͤndig der Luft ausgeſetzt ſei. —
Das war das einzige Neue, was ich gehoͤrt habe; und
doch ſcheints mir nicht allgemein wahr zu ſeyn. Die
Pflanzen, die viel Druͤſen und Haͤrchen haben, ſind auch
oft auſſen feucht. Wo der Blumenkelch fehle, ſei al-
lemahl etwas anders da, z. B. Gluma, Spatha, oder
ſonſt ſo was: — aber bei der Tuipe und dem Maibluͤm-
chen erinnere ich mich wenigſtens nicht, je was anders
geſehen zu haben. Bei den Blaͤttern erzaͤhlte er Bon-
net’s Verſuche von den pores abſorbans à ſurface
inferieure und pores exhalans à ſurface ſupe-
rieure. Er nahm eine Art von Kreislauf bei den Pflan-
zen an, aber ob’s eben derſelbige Saft, qui monte et
qui deſcend, und ob’s in denſelben, oder in verſchiede-
nen Gefaͤſſen geſchehe, das habe noch nicht ausgemacht
werden koͤnnen. Von den vielen deutſchen und engliſchen
Verſuchen, die das Gegentheil auſſer allen Zweifel ſetzen,
wuſte er alſo nichts. Er ſprach auch uͤber die Geſchwin-
digkeit, womit der Saft ſteigt, *) entſchied aber nicht,
ob’s durch innere Attraktion oder Cohaͤſion, oder durch
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*) In dem Garten an meinem Hauſe iſt im Sommer
1779. eine Sonnenblume in 4. Tagen eine Spanne
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/220>, abgerufen am 24.11.2024.
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