blauen, mit goldenen Lilien gestickten, Sammt beschlagen. Dann sitzt das Heer der Advokaten, ebenfalls schwarz ge- kleidet, mit langen herabhängenden Haaren. Ich hörte einen gewissen Toußaint sehr fliessend, sehr heftig, aber oft sehr schöne Stellen, deklamiren. Die Sache betraf eine Substitution fideicommissaire. Es war ein Sieur Thomas und eine Madem. Brunette in Streit wegen eines Testaments: die Sache muste schon einmahl debattirt worden seyn; denn er berief sich sehr oft auf vo- rige Untersuchungen. Zuweilen las er Gesetze vor, das Lateinische sprach er, wie gewöhnlich, schlecht aus. Nur der, welcher wirklich spricht, steht und hat sein schwarzes steifes Bonnet auf dem Kopf. Alle Augenblicke hört man: Messieurs, j'ose vous dire -- je soutiens, prouverai, -- or Messieurs, ce que les autres -- Mais Mess. vous avez vu -- En second lieu etc. Er sprach eine kleine Stunde, dann fing der Avo- cat general an, die Sache dem Präsidenten zu concen- triren, und proponirte die Sentenz, deren Abfassung ich, weil mir an der Sache nichts gelegen war, nicht abwar- tete. Der Greffier rief sehr oft: Silence, Silence, aber man handelt grade darneben, man plaudert, man spaziert, man baut im Hause, und es ist bei allem Ange- nehmen, was das Plaidiren hat, doch ein erstaunliches Ge- schwätz für den Franzosen, der ohnehin über Alles viel Lee- res zu sagen weis. Die liebe Gerechtigkeit soll auch hier sehr theuer seyn. --
La Sorbonne. Ich unterlies nicht, mich bei Mr. Asselyne einzufinden, und er wies mir dann heute nach seinem Erbieten mit vieler Gefälligkeit, -- so weit es sein trockner Karakter, in dem alle Folgen des Sprachstudiums sichtbar sind, zulies, -- Folgendes:
1) Seine
Q 5
blauen, mit goldenen Lilien geſtickten, Sammt beſchlagen. Dann ſitzt das Heer der Advokaten, ebenfalls ſchwarz ge- kleidet, mit langen herabhaͤngenden Haaren. Ich hoͤrte einen gewiſſen Toußaint ſehr flieſſend, ſehr heftig, aber oft ſehr ſchoͤne Stellen, deklamiren. Die Sache betraf eine Subſtitution fideicommiſſaire. Es war ein Sieur Thomas und eine Madem. Brunette in Streit wegen eines Teſtaments: die Sache muſte ſchon einmahl debattirt worden ſeyn; denn er berief ſich ſehr oft auf vo- rige Unterſuchungen. Zuweilen las er Geſetze vor, das Lateiniſche ſprach er, wie gewoͤhnlich, ſchlecht aus. Nur der, welcher wirklich ſpricht, ſteht und hat ſein ſchwarzes ſteifes Bonnet auf dem Kopf. Alle Augenblicke hoͤrt man: Meſſieurs, j’oſe vous dire — je ſoutiens, prouverai, — or Meſſieurs, ce que les autres — Mais Meſſ. vous avez vu — En ſecond lieu etc. Er ſprach eine kleine Stunde, dann fing der Avo- cat general an, die Sache dem Praͤſidenten zu concen- triren, und proponirte die Sentenz, deren Abfaſſung ich, weil mir an der Sache nichts gelegen war, nicht abwar- tete. Der Greffier rief ſehr oft: Silence, Silence, aber man handelt grade darneben, man plaudert, man ſpaziert, man baut im Hauſe, und es iſt bei allem Ange- nehmen, was das Plaidiren hat, doch ein erſtaunliches Ge- ſchwaͤtz fuͤr den Franzoſen, der ohnehin uͤber Alles viel Lee- res zu ſagen weis. Die liebe Gerechtigkeit ſoll auch hier ſehr theuer ſeyn. —
La Sorbonne. Ich unterlies nicht, mich bei Mr. Aſſelyne einzufinden, und er wies mir dann heute nach ſeinem Erbieten mit vieler Gefaͤlligkeit, — ſo weit es ſein trockner Karakter, in dem alle Folgen des Sprachſtudiums ſichtbar ſind, zulies, — Folgendes:
1) Seine
Q 5
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blauen, mit goldenen Lilien geſtickten, Sammt beſchlagen.
Dann ſitzt das Heer der Advokaten, ebenfalls ſchwarz ge-
kleidet, mit langen herabhaͤngenden Haaren. Ich hoͤrte
einen gewiſſen Toußaint ſehr flieſſend, ſehr heftig, aber
oft ſehr ſchoͤne Stellen, deklamiren. Die Sache betraf
eine Subſtitution fideicommiſſaire. Es war ein
Sieur Thomas und eine Madem. Brunette in Streit
wegen eines Teſtaments: die Sache muſte ſchon einmahl
debattirt worden ſeyn; denn er berief ſich ſehr oft auf vo-
rige Unterſuchungen. Zuweilen las er Geſetze vor, das
Lateiniſche ſprach er, wie gewoͤhnlich, ſchlecht aus. Nur
der, welcher wirklich ſpricht, ſteht und hat ſein ſchwarzes
ſteifes Bonnet auf dem Kopf. Alle Augenblicke hoͤrt
man: Meſſieurs, j’oſe vous dire — je ſoutiens,
prouverai, — or Meſſieurs, ce que les autres
— Mais Meſſ. vous avez vu — En ſecond lieu
etc. Er ſprach eine kleine Stunde, dann fing der Avo-
cat general an, die Sache dem Praͤſidenten zu concen-
triren, und proponirte die Sentenz, deren Abfaſſung ich,
weil mir an der Sache nichts gelegen war, nicht abwar-
tete. Der Greffier rief ſehr oft: Silence, Silence,
aber man handelt grade darneben, man plaudert, man
ſpaziert, man baut im Hauſe, und es iſt bei allem Ange-
nehmen, was das Plaidiren hat, doch ein erſtaunliches Ge-
ſchwaͤtz fuͤr den Franzoſen, der ohnehin uͤber Alles viel Lee-
res zu ſagen weis. Die liebe Gerechtigkeit ſoll auch hier
ſehr theuer ſeyn. —
La Sorbonne. Ich unterlies nicht, mich bei
Mr. Aſſelyne einzufinden, und er wies mir dann heute
nach ſeinem Erbieten mit vieler Gefaͤlligkeit, — ſo
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1) Seine
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/273>, abgerufen am 22.11.2024.
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