da aus werden die sonst schönen Chausseen durch die schweren Güterwagen, die nach Strasburg gehen, beständig verdorben, und nicht wieder reparirt. Je- mehr man sich Kehl nähert, destomehr sieht man an- sehnliche grosse Bauerhöfe, doch sind die Häuser meist ganz von Holz, und bestehen aus Riegelwänden mit Thon ausgefüllt. Kehl ist ein beträchtliches, langaus- gedehntes Dorf, wo viele Krambuden und Handwerker sind. Es hat seinen eignen Amtmann, und Pfarrer. Die Festung Kehl ist halb zerstört, und hat jezt auch ihren eigenen lutherischen und katholischen Pfarrer. Von da ists für den Fußgänger noch eine Stunde bis zur Stadt. Man passirt die Rheinbrücke, und zahlt ein hohes Brückengeld. Sie ist nicht so breit und nicht so schön als die Baseler, man findet auch keine Boutiquen dar- auf; sie ist ganz von Holz, und hat in der Mitte eine, aber unbeträchtliche, Erweiterung. Bald darauf folgt eine andre, aber viel kleinere. Sie führt nur über einen Arm des Rheins. Kehl ist der Sammelplatz aller Betrüger, und Bankerutirer, die sich jenseits der Brücke nicht mehr sehen lassen dürfen, und sich schnell von Strasburg retiriren müssen. Die Franzosen sind des- wegen dem Orte gar nicht gut. Und eben wegen dieser Colluvies hominum lassen sich auch wenig gute Ord- nungen in Kehl einführen. Die Festung Kehl hat der Marggraf von Baaden zu einer Stadt erhoben, und den ersten lutherischen Prediger da bestellt. Im Dorfe Kehl ist ein Condominat von sieben Herren, Baaden, Nassau, dem Stifte Frauenhaus in Strasburg etc.
Auf-
da aus werden die ſonſt ſchoͤnen Chauſſeen durch die ſchweren Guͤterwagen, die nach Strasburg gehen, beſtaͤndig verdorben, und nicht wieder reparirt. Je- mehr man ſich Kehl naͤhert, deſtomehr ſieht man an- ſehnliche groſſe Bauerhoͤfe, doch ſind die Haͤuſer meiſt ganz von Holz, und beſtehen aus Riegelwaͤnden mit Thon ausgefuͤllt. Kehl iſt ein betraͤchtliches, langaus- gedehntes Dorf, wo viele Krambuden und Handwerker ſind. Es hat ſeinen eignen Amtmann, und Pfarrer. Die Feſtung Kehl iſt halb zerſtoͤrt, und hat jezt auch ihren eigenen lutheriſchen und katholiſchen Pfarrer. Von da iſts fuͤr den Fußgaͤnger noch eine Stunde bis zur Stadt. Man paſſirt die Rheinbruͤcke, und zahlt ein hohes Bruͤckengeld. Sie iſt nicht ſo breit und nicht ſo ſchoͤn als die Baſeler, man findet auch keine Boutiquen dar- auf; ſie iſt ganz von Holz, und hat in der Mitte eine, aber unbetraͤchtliche, Erweiterung. Bald darauf folgt eine andre, aber viel kleinere. Sie fuͤhrt nur uͤber einen Arm des Rheins. Kehl iſt der Sammelplatz aller Betruͤger, und Bankerutirer, die ſich jenſeits der Bruͤcke nicht mehr ſehen laſſen duͤrfen, und ſich ſchnell von Strasburg retiriren muͤſſen. Die Franzoſen ſind des- wegen dem Orte gar nicht gut. Und eben wegen dieſer Colluvies hominum laſſen ſich auch wenig gute Ord- nungen in Kehl einfuͤhren. Die Feſtung Kehl hat der Marggraf von Baaden zu einer Stadt erhoben, und den erſten lutheriſchen Prediger da beſtellt. Im Dorfe Kehl iſt ein Condominat von ſieben Herren, Baaden, Naſſau, dem Stifte Frauenhaus in Strasburg ꝛc.
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da aus werden die ſonſt ſchoͤnen Chauſſeen durch die
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beſtaͤndig verdorben, und nicht wieder reparirt. Je-
mehr man ſich Kehl naͤhert, deſtomehr ſieht man an-
ſehnliche groſſe Bauerhoͤfe, doch ſind die Haͤuſer meiſt
ganz von Holz, und beſtehen aus Riegelwaͤnden mit
Thon ausgefuͤllt. Kehl iſt ein betraͤchtliches, langaus-
gedehntes Dorf, wo viele Krambuden und Handwerker
ſind. Es hat ſeinen eignen Amtmann, und Pfarrer. Die
Feſtung Kehl iſt halb zerſtoͤrt, und hat jezt auch ihren
eigenen lutheriſchen und katholiſchen Pfarrer. Von da
iſts fuͤr den Fußgaͤnger noch eine Stunde bis zur Stadt.
Man paſſirt die Rheinbruͤcke, und zahlt ein hohes
Bruͤckengeld. Sie iſt nicht ſo breit und nicht ſo ſchoͤn
als die Baſeler, man findet auch keine Boutiquen dar-
auf; ſie iſt ganz von Holz, und hat in der Mitte eine,
aber unbetraͤchtliche, Erweiterung. Bald darauf folgt
eine andre, aber viel kleinere. Sie fuͤhrt nur uͤber einen
Arm des Rheins. Kehl iſt der Sammelplatz aller
Betruͤger, und Bankerutirer, die ſich jenſeits der Bruͤcke
nicht mehr ſehen laſſen duͤrfen, und ſich ſchnell von
Strasburg retiriren muͤſſen. Die Franzoſen ſind des-
wegen dem Orte gar nicht gut. Und eben wegen dieſer
Colluvies hominum laſſen ſich auch wenig gute Ord-
nungen in Kehl einfuͤhren. Die Feſtung Kehl hat
der Marggraf von Baaden zu einer Stadt erhoben, und
den erſten lutheriſchen Prediger da beſtellt. Im Dorfe
Kehl iſt ein Condominat von ſieben Herren, Baaden,
Naſſau, dem Stifte Frauenhaus in Strasburg ꝛc.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/28>, abgerufen am 21.11.2024.
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