Mann kennen gelernt zu haben, dem die Natur, indem sie ihre Schätze aufschliest, und ihre Schönheiten sehen läst, auch zugleich das Herz veredelt, und einen Karak- ter gibt, in dem die Menschlichkeit, die Geselligkeit und Güte die Hauptzüge sind.
Bemerkungen.
In der Rue St. Honore sah ich heute die Wache, welche beständig patroullirt, einen Menschen fort- schleppen, der vermuthlich irgendwo stehlen wollte, und erwischt wurde. Man sahs ihm an, daß er ein Fremder und kein Franzos war. Der Kerl hatte ihn vorne an der Brust gefaßt, und führte ihn so, umringt von den andern, ohne Hut im Regenwetter neben sich her, und zog ihn ziemlich ernstlich fort, über alles was im Weg war. Der Gefangne sah noch frech aus, und schnaubte gegen seinen Bändiger. Wie abscheulich ist das Laster, wenns nicht einmahl Laster seyn will!
Noch immer wird der unglückliche Desroues in den elendesten Kupferstichen herum getragen, und hängt an allen Ständen, neben dem König, der Königin und dem Kaiser. So erhält der schlechtdenkende Theil der Deutschen eben so lang das Andenken an Werther, der Verachtung und Vergessenheit verdient. --
Ich habe hier Leute kennen gelernt, die mich versi- cherten, daß sie oft in 5. 6. -- 8. Wochen nicht aus ihrem Quartier kämen, sich alles was sie brauchen, holen liessen, und von oben herab dem Pariser Leben zu- sähen. -- Was für sonderbare Menschen es doch in der Welt gibt! Einigen wird wehe, wenn sie eine Stunde
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Mann kennen gelernt zu haben, dem die Natur, indem ſie ihre Schaͤtze aufſchlieſt, und ihre Schoͤnheiten ſehen laͤſt, auch zugleich das Herz veredelt, und einen Karak- ter gibt, in dem die Menſchlichkeit, die Geſelligkeit und Guͤte die Hauptzuͤge ſind.
Bemerkungen.
In der Rue St. Honoré ſah ich heute die Wache, welche beſtaͤndig patroullirt, einen Menſchen fort- ſchleppen, der vermuthlich irgendwo ſtehlen wollte, und erwiſcht wurde. Man ſahs ihm an, daß er ein Fremder und kein Franzos war. Der Kerl hatte ihn vorne an der Bruſt gefaßt, und fuͤhrte ihn ſo, umringt von den andern, ohne Hut im Regenwetter neben ſich her, und zog ihn ziemlich ernſtlich fort, uͤber alles was im Weg war. Der Gefangne ſah noch frech aus, und ſchnaubte gegen ſeinen Baͤndiger. Wie abſcheulich iſt das Laſter, wenns nicht einmahl Laſter ſeyn will!
Noch immer wird der ungluͤckliche Desroues in den elendeſten Kupferſtichen herum getragen, und haͤngt an allen Staͤnden, neben dem Koͤnig, der Koͤnigin und dem Kaiſer. So erhaͤlt der ſchlechtdenkende Theil der Deutſchen eben ſo lang das Andenken an Werther, der Verachtung und Vergeſſenheit verdient. —
Ich habe hier Leute kennen gelernt, die mich verſi- cherten, daß ſie oft in 5. 6. — 8. Wochen nicht aus ihrem Quartier kaͤmen, ſich alles was ſie brauchen, holen lieſſen, und von oben herab dem Pariſer Leben zu- ſaͤhen. — Was fuͤr ſonderbare Menſchen es doch in der Welt gibt! Einigen wird wehe, wenn ſie eine Stunde
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Mann kennen gelernt zu haben, dem die Natur, indem
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laͤſt, auch zugleich das Herz veredelt, und einen Karak-
ter gibt, in dem die Menſchlichkeit, die Geſelligkeit und
Guͤte die Hauptzuͤge ſind.
Bemerkungen.
In der Rue St. Honoré ſah ich heute die Wache,
welche beſtaͤndig patroullirt, einen Menſchen fort-
ſchleppen, der vermuthlich irgendwo ſtehlen wollte, und
erwiſcht wurde. Man ſahs ihm an, daß er ein Fremder
und kein Franzos war. Der Kerl hatte ihn vorne an
der Bruſt gefaßt, und fuͤhrte ihn ſo, umringt von den
andern, ohne Hut im Regenwetter neben ſich her, und
zog ihn ziemlich ernſtlich fort, uͤber alles was im Weg
war. Der Gefangne ſah noch frech aus, und ſchnaubte
gegen ſeinen Baͤndiger. Wie abſcheulich iſt das Laſter,
wenns nicht einmahl Laſter ſeyn will!
Noch immer wird der ungluͤckliche Desroues in den
elendeſten Kupferſtichen herum getragen, und haͤngt an
allen Staͤnden, neben dem Koͤnig, der Koͤnigin und
dem Kaiſer. So erhaͤlt der ſchlechtdenkende Theil der
Deutſchen eben ſo lang das Andenken an Werther, der
Verachtung und Vergeſſenheit verdient. —
Ich habe hier Leute kennen gelernt, die mich verſi-
cherten, daß ſie oft in 5. 6. — 8. Wochen nicht aus
ihrem Quartier kaͤmen, ſich alles was ſie brauchen,
holen lieſſen, und von oben herab dem Pariſer Leben zu-
ſaͤhen. — Was fuͤr ſonderbare Menſchen es doch in der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/280>, abgerufen am 22.11.2024.
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