Chalons. Der Marktplatz hier wird schön, wenn das neue Hotel de Vi le fertig ist. Im Wirthshaus heissen die Zimmer wie die grossen Städte Europens, Petersburg, London, Frankfurt etc. Vor der Stadt sind schöne Promenaden mit Orangerie. Weit vor der Stadt liegen die Maisons de Campagne des Bischofs. Die Bauart ist alt, eng, hoch hinauf gebaut, von Holz, alles hängt an einander etc. Die Musik, die wir zu hören bekamen, war herzlich schlecht. Auch lau- fen sehr viele wüste, ungestaltete, Leute in dieser Stadt herum. Die Grenze dieser Provinz ist ein artiges Städtchen, Chateau Thierry.
Isle de France ist nicht so schön wie Champa- gne. Sie ist ganz bergicht und steinicht, bis man über Meaux hinaus ist. In den Bergen brechen herr- liche Achate. Hier geht die Chaussee du Roi an. Das mittelste Stück der sehr breiten Strasse ist, afin- qu'elle ne soit pas mangee par l'eau, mit Felssteinen gepflastert. Das gibt freilich immer guten Weg; es ist aber ein beständiges Rasseln und Lärmen, daß einem der Kopf betäubt wird. Wein wächst hier herum nicht viel. Lichte und ausgehauene Wälder sieht man überall. Die Dörfer sind schlecht, Kost und Lager ebenfalls. Eper- nay und Meaux sind ganz artig, und alsdann werden die Gegenden wieder angenehmer, aber die Strassen, je näher man der Hauptstadt kömt, wegen der unaufhör- lichen Karossen, Diligencen, Voituren und Chariots aller Art, immer schlechter.
Man braucht die Esel sehr stark zum Tragen und zum Reiten, sonderlich bedienen sich ihrer die Weibsper- sonen. Sie sind klein, und doch muntrer als bei uns, spitzen die Ohren wie die Pferde, haben aber nicht alle cruce
atra
Chalons. Der Marktplatz hier wird ſchoͤn, wenn das neue Hôtel de Vi le fertig iſt. Im Wirthshaus heiſſen die Zimmer wie die groſſen Staͤdte Europens, Petersburg, London, Frankfurt ꝛc. Vor der Stadt ſind ſchoͤne Promenaden mit Orangerie. Weit vor der Stadt liegen die Maiſons de Campagne des Biſchofs. Die Bauart iſt alt, eng, hoch hinauf gebaut, von Holz, alles haͤngt an einander ꝛc. Die Muſik, die wir zu hoͤren bekamen, war herzlich ſchlecht. Auch lau- fen ſehr viele wuͤſte, ungeſtaltete, Leute in dieſer Stadt herum. Die Grenze dieſer Provinz iſt ein artiges Staͤdtchen, Chateau Thierry.
Isle de France iſt nicht ſo ſchoͤn wie Champa- gne. Sie iſt ganz bergicht und ſteinicht, bis man uͤber Meaux hinaus iſt. In den Bergen brechen herr- liche Achate. Hier geht die Chauſſeé du Roi an. Das mittelſte Stuͤck der ſehr breiten Straſſe iſt, àfin- qu’elle ne ſoit pas mangée par l’eau, mit Felsſteinen gepflaſtert. Das gibt freilich immer guten Weg; es iſt aber ein beſtaͤndiges Raſſeln und Laͤrmen, daß einem der Kopf betaͤubt wird. Wein waͤchſt hier herum nicht viel. Lichte und ausgehauene Waͤlder ſieht man uͤberall. Die Doͤrfer ſind ſchlecht, Koſt und Lager ebenfalls. Eper- nay und Meaux ſind ganz artig, und alsdann werden die Gegenden wieder angenehmer, aber die Straſſen, je naͤher man der Hauptſtadt koͤmt, wegen der unaufhoͤr- lichen Karoſſen, Diligencen, Voituren und Chariots aller Art, immer ſchlechter.
Man braucht die Eſel ſehr ſtark zum Tragen und zum Reiten, ſonderlich bedienen ſich ihrer die Weibsper- ſonen. Sie ſind klein, und doch muntrer als bei uns, ſpitzen die Ohren wie die Pferde, haben aber nicht alle cruce
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Chalons. Der Marktplatz hier wird ſchoͤn, wenn
das neue Hôtel de Vi le fertig iſt. Im Wirthshaus
heiſſen die Zimmer wie die groſſen Staͤdte Europens,
Petersburg, London, Frankfurt ꝛc. Vor der
Stadt ſind ſchoͤne Promenaden mit Orangerie. Weit
vor der Stadt liegen die Maiſons de Campagne des
Biſchofs. Die Bauart iſt alt, eng, hoch hinauf gebaut,
von Holz, alles haͤngt an einander ꝛc. Die Muſik, die
wir zu hoͤren bekamen, war herzlich ſchlecht. Auch lau-
fen ſehr viele wuͤſte, ungeſtaltete, Leute in dieſer Stadt
herum. Die Grenze dieſer Provinz iſt ein artiges
Staͤdtchen, Chateau Thierry.
Isle de France iſt nicht ſo ſchoͤn wie Champa-
gne. Sie iſt ganz bergicht und ſteinicht, bis man uͤber
Meaux hinaus iſt. In den Bergen brechen herr-
liche Achate. Hier geht die Chauſſeé du Roi an.
Das mittelſte Stuͤck der ſehr breiten Straſſe iſt, àfin-
qu’elle ne ſoit pas mangée par l’eau, mit Felsſteinen
gepflaſtert. Das gibt freilich immer guten Weg; es iſt
aber ein beſtaͤndiges Raſſeln und Laͤrmen, daß einem der
Kopf betaͤubt wird. Wein waͤchſt hier herum nicht viel.
Lichte und ausgehauene Waͤlder ſieht man uͤberall. Die
Doͤrfer ſind ſchlecht, Koſt und Lager ebenfalls. Eper-
nay und Meaux ſind ganz artig, und alsdann werden
die Gegenden wieder angenehmer, aber die Straſſen, je
naͤher man der Hauptſtadt koͤmt, wegen der unaufhoͤr-
lichen Karoſſen, Diligencen, Voituren und Chariots
aller Art, immer ſchlechter.
Man braucht die Eſel ſehr ſtark zum Tragen und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/50>, abgerufen am 21.11.2024.
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