ein Unterbett von blauem Parchent. In jedem Saal sind Wandkasten für die Arzneien, und einige Bettkasten, wo man die, bei denen die Ansteckung am schrecklichsten ist, hineinlegt. Man sieht ein Gemälde von einer Frau, die zweimahl die Pest hatte, alle 2. Stunden ein Viertel Bier austrank, zweimahl kurirt ward, das drittemahl aber mit dem Bierglase in der Hand starb. Auch ist ei- ne Kapitains Frau in einer obern Stube abgemahlt, die, um Leyden zu sehen, hierher kam, gleich blaue Flecken auf der Brust kriegte, und starb. Gottlob! seit 1689. ist die Pest nicht mehr hier gewesen. Hinter dem Hause sind im Viereck herum Spaziergänge zwischen Kolonna- den. Sonderbar ist es, daß man das Haus nur brau- chen will, wenn die Pest kommt. Als ich von da zurück kam, ging ich aufs
Naturalienkabinet der Universität. Prof. Al- lemand hats gröstentheils gesammelt, und hatte selber die Gütigkeit, es mir zu zeigen. Es besteht aus einem einzigen Zimmer, enthält aus allen Fächern etwas, ist schlecht rangirt, hat keinen einzigen Zettel etc. Das Merkwürdigste, was ich sah, war: 1) Ein Hydroco- rax indicus. Er hat einen schwarzgelben sonderbaren Schnabel. 2) Camelopardalis. -- Das Thier hat einen sehr langen Hals, noch längere Vorderfüsse, und hatte doch noch bei weitem seine ganze Grösse nicht. Am Schwanze ist unten ein Flock schwarzer Haare. Sonst ist die Farbe über den ganzen Leib weisröthlich. Die Hörner entstehen aus verhärteten Haaren, wie man an der Spitze sieht. 3) Hörner vom Condoma, die 21/2. Schuh weit an der Extremität von einander standen. 4) Ein Straus im Ei, nahe am Ausschlüpfen, in
Weingeist;
ein Unterbett von blauem Parchent. In jedem Saal ſind Wandkaſten fuͤr die Arzneien, und einige Bettkaſten, wo man die, bei denen die Anſteckung am ſchrecklichſten iſt, hineinlegt. Man ſieht ein Gemaͤlde von einer Frau, die zweimahl die Peſt hatte, alle 2. Stunden ein Viertel Bier austrank, zweimahl kurirt ward, das drittemahl aber mit dem Bierglaſe in der Hand ſtarb. Auch iſt ei- ne Kapitains Frau in einer obern Stube abgemahlt, die, um Leyden zu ſehen, hierher kam, gleich blaue Flecken auf der Bruſt kriegte, und ſtarb. Gottlob! ſeit 1689. iſt die Peſt nicht mehr hier geweſen. Hinter dem Hauſe ſind im Viereck herum Spaziergaͤnge zwiſchen Kolonna- den. Sonderbar iſt es, daß man das Haus nur brau- chen will, wenn die Peſt kommt. Als ich von da zuruͤck kam, ging ich aufs
Naturalienkabinet der Univerſitaͤt. Prof. Al- lemand hats groͤſtentheils geſammelt, und hatte ſelber die Guͤtigkeit, es mir zu zeigen. Es beſteht aus einem einzigen Zimmer, enthaͤlt aus allen Faͤchern etwas, iſt ſchlecht rangirt, hat keinen einzigen Zettel ꝛc. Das Merkwuͤrdigſte, was ich ſah, war: 1) Ein Hydroco- rax indicus. Er hat einen ſchwarzgelben ſonderbaren Schnabel. 2) Camelopardalis. — Das Thier hat einen ſehr langen Hals, noch laͤngere Vorderfuͤſſe, und hatte doch noch bei weitem ſeine ganze Groͤſſe nicht. Am Schwanze iſt unten ein Flock ſchwarzer Haare. Sonſt iſt die Farbe uͤber den ganzen Leib weisroͤthlich. Die Hoͤrner entſtehen aus verhaͤrteten Haaren, wie man an der Spitze ſieht. 3) Hoͤrner vom Condoma, die 2½. Schuh weit an der Extremitaͤt von einander ſtanden. 4) Ein Straus im Ei, nahe am Ausſchluͤpfen, in
Weingeiſt;
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ein Unterbett von blauem Parchent. In jedem Saal
ſind Wandkaſten fuͤr die Arzneien, und einige Bettkaſten,
wo man die, bei denen die Anſteckung am ſchrecklichſten
iſt, hineinlegt. Man ſieht ein Gemaͤlde von einer Frau,
die zweimahl die Peſt hatte, alle 2. Stunden ein Viertel
Bier austrank, zweimahl kurirt ward, das drittemahl
aber mit dem Bierglaſe in der Hand ſtarb. Auch iſt ei-
ne Kapitains Frau in einer obern Stube abgemahlt, die,
um Leyden zu ſehen, hierher kam, gleich blaue Flecken
auf der Bruſt kriegte, und ſtarb. Gottlob! ſeit 1689.
iſt die Peſt nicht mehr hier geweſen. Hinter dem Hauſe
ſind im Viereck herum Spaziergaͤnge zwiſchen Kolonna-
den. Sonderbar iſt es, daß man das Haus nur brau-
chen will, wenn die Peſt kommt. Als ich von da zuruͤck
kam, ging ich aufs
Naturalienkabinet der Univerſitaͤt. Prof. Al-
lemand hats groͤſtentheils geſammelt, und hatte ſelber
die Guͤtigkeit, es mir zu zeigen. Es beſteht aus einem
einzigen Zimmer, enthaͤlt aus allen Faͤchern etwas, iſt
ſchlecht rangirt, hat keinen einzigen Zettel ꝛc. Das
Merkwuͤrdigſte, was ich ſah, war: 1) Ein Hydroco-
rax indicus. Er hat einen ſchwarzgelben ſonderbaren
Schnabel. 2) Camelopardalis. — Das Thier hat
einen ſehr langen Hals, noch laͤngere Vorderfuͤſſe, und
hatte doch noch bei weitem ſeine ganze Groͤſſe nicht. Am
Schwanze iſt unten ein Flock ſchwarzer Haare. Sonſt
iſt die Farbe uͤber den ganzen Leib weisroͤthlich. Die
Hoͤrner entſtehen aus verhaͤrteten Haaren, wie man an
der Spitze ſieht. 3) Hoͤrner vom Condoma, die
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 526. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/550>, abgerufen am 24.11.2024.
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