Mein Freund Büsch von Hamburg, war heute nachgekommen, und sah das alles mit mir.
Die Erzählung meines Aufenthalts in Leyden fing ich mit dem Gedanken an Boerhave an, der von dieser Stadt aus aufs ganze Menschengeschlecht wirkte, und da- mit will ich sie auch beschliessen. Denn wie sollte ich Leyden verlassen können, ohne wenigstens auf der Asche dieses grossen Mannes gestanden zu haben, da mich die Vorsehung später, als er lebte, gebohren werden lies? Zweimahl bin ich da gewesen, wo sein sterblicher Rest ruht. Boerhave hat ein Grabmahl in der grossen Peterskirche nahe beim Eingange. Edel und simpel, wie ers verdient! Hemsterhuys im Haag hat es ange- geben und entworfen *). Auf einem Fußgestelle aus schwarzem Marmor steht eine Urne aus weissem Mar- mor, um die ein Kranz gewunden ist, an dem Boerha- ve's Medaillon hängt, mit der Umschrift: Simplex veri sigillum. An der vordern Seite des Fußgestel- les steht mit goldenen Buchstaben die herrliche Inschrift: Salutifero Boerhavii Genio sacrum, und ganz un- ten auf der einen Seite das Geburts- auf der andern das Sterbejahr. Geb. 1668. gest. 1738. -- Siebzig Jah- re ward er also alt, der grosse Mann, das Geschenk, das Gott vom Himmel herabgab, um seinen Menschen wohl zu thun! Wie ward mir in der Nachbarfchaft dieses Edeln und Weisen! Ach, daß er auch sterblich war, wie ich! Zwar die Erde ist nicht das Land der grossen Seelen;
sie
*) Eine reiche Wittwe aus seiner Familie hat es ihm 1762. setzen lassen. Herausgeber.
Mein Freund Buͤſch von Hamburg, war heute nachgekommen, und ſah das alles mit mir.
Die Erzaͤhlung meines Aufenthalts in Leyden fing ich mit dem Gedanken an Boerhave an, der von dieſer Stadt aus aufs ganze Menſchengeſchlecht wirkte, und da- mit will ich ſie auch beſchlieſſen. Denn wie ſollte ich Leyden verlaſſen koͤnnen, ohne wenigſtens auf der Aſche dieſes groſſen Mannes geſtanden zu haben, da mich die Vorſehung ſpaͤter, als er lebte, gebohren werden lies? Zweimahl bin ich da geweſen, wo ſein ſterblicher Reſt ruht. Boerhave hat ein Grabmahl in der groſſen Peterskirche nahe beim Eingange. Edel und ſimpel, wie ers verdient! Hemſterhuys im Haag hat es ange- geben und entworfen *). Auf einem Fußgeſtelle aus ſchwarzem Marmor ſteht eine Urne aus weiſſem Mar- mor, um die ein Kranz gewunden iſt, an dem Boerha- ve’s Medaillon haͤngt, mit der Umſchrift: Simplex veri ſigillum. An der vordern Seite des Fußgeſtel- les ſteht mit goldenen Buchſtaben die herrliche Inſchrift: Salutifero Boerhavii Genio ſacrum, und ganz un- ten auf der einen Seite das Geburts- auf der andern das Sterbejahr. Geb. 1668. geſt. 1738. — Siebzig Jah- re ward er alſo alt, der groſſe Mann, das Geſchenk, das Gott vom Himmel herabgab, um ſeinen Menſchen wohl zu thun! Wie ward mir in der Nachbarfchaft dieſes Edeln und Weiſen! Ach, daß er auch ſterblich war, wie ich! Zwar die Erde iſt nicht das Land der groſſen Seelen;
ſie
*) Eine reiche Wittwe aus ſeiner Familie hat es ihm 1762. ſetzen laſſen. Herausgeber.
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Mein Freund Buͤſch von Hamburg, war heute
nachgekommen, und ſah das alles mit mir.
Die Erzaͤhlung meines Aufenthalts in Leyden fing
ich mit dem Gedanken an Boerhave an, der von dieſer
Stadt aus aufs ganze Menſchengeſchlecht wirkte, und da-
mit will ich ſie auch beſchlieſſen. Denn wie ſollte ich
Leyden verlaſſen koͤnnen, ohne wenigſtens auf der Aſche
dieſes groſſen Mannes geſtanden zu haben, da mich die
Vorſehung ſpaͤter, als er lebte, gebohren werden lies?
Zweimahl bin ich da geweſen, wo ſein ſterblicher Reſt
ruht. Boerhave hat ein Grabmahl in der groſſen
Peterskirche nahe beim Eingange. Edel und ſimpel,
wie ers verdient! Hemſterhuys im Haag hat es ange-
geben und entworfen *). Auf einem Fußgeſtelle aus
ſchwarzem Marmor ſteht eine Urne aus weiſſem Mar-
mor, um die ein Kranz gewunden iſt, an dem Boerha-
ve’s Medaillon haͤngt, mit der Umſchrift: Simplex
veri ſigillum. An der vordern Seite des Fußgeſtel-
les ſteht mit goldenen Buchſtaben die herrliche Inſchrift:
Salutifero Boerhavii Genio ſacrum, und ganz un-
ten auf der einen Seite das Geburts- auf der andern das
Sterbejahr. Geb. 1668. geſt. 1738. — Siebzig Jah-
re ward er alſo alt, der groſſe Mann, das Geſchenk, das
Gott vom Himmel herabgab, um ſeinen Menſchen wohl
zu thun! Wie ward mir in der Nachbarfchaft dieſes Edeln
und Weiſen! Ach, daß er auch ſterblich war, wie ich!
Zwar die Erde iſt nicht das Land der groſſen Seelen;
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*) Eine reiche Wittwe aus ſeiner Familie hat es ihm
1762. ſetzen laſſen.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 530. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/554>, abgerufen am 24.11.2024.
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