24. Stüber. Ueberall weidet das schönste Vieh. Es sind meist schwarz und weisgefleckte sehr grosse. Ochsen und Kühe, doch sollen sie in Friesland und Nordhol- land noch schöner seyn. Auf den Weiden stecken die Leute hin und wieder Wallfischrippen hin, damit sichs Vieh dran reiben soll. An den Bäumen und Sträuchen hingen Schnecken zu Tausenden, und frassen das Laub ab. Ueberall sieht man schöne Buitenplaatse oder Landhäuser, wo der holländische Kapitalist seine Zeit töd- tet. Aus diesem Gehölze ging ich in den
Blumengarten des Myn Heer van Campen. Harlem ist bekanntlich das Land der Blumen, und die- ser van Campen ist anjetzt hier einer der grösten Blu- misten. Ich hätte aber im April kommen müssen, wenn ich seine ganze Schätze hätte sehen wollen. Die Zwie- beln von Tulpen, Ranunkeln, Hyäcirithen, lagen alle fortirt mit Zetteln in ungeheurer Menge auf Bretern in Schuppen übereinander. Die Nelken aber standen in der Blüte, und van Campen selbst führte mich überall herum. Jetzt fällt der Geschmack auf die Bisarden mit Rosenblättern und rothen Bändern auf einem weissen Grunde. Couleur de Puce war auch hier unter den Blumen eine Modefarbe. Blaue, die van Campen Purpur nennt, hat man nicht viele. Mit Silbergrau war nur eine einzige da. Von den Gelben gestand er gern, daß wir in Deutschland einige hier seltne Arten hätten, die aber die deutschen Gärtner nicht einzupacken wüßten. Er hatte etwa 2000. Nelken und 1400. Ra- nunkeln etc. das Stück kostet fast durchgängig 1. hollän- dischen Gulden. Der Mann ist über die Sphäre der gemeinen Gärtner erhaben, und spricht mit, wann vom
Geschlecht
24. Stuͤber. Ueberall weidet das ſchoͤnſte Vieh. Es ſind meiſt ſchwarz und weisgefleckte ſehr groſſe. Ochſen und Kuͤhe, doch ſollen ſie in Friesland und Nordhol- land noch ſchoͤner ſeyn. Auf den Weiden ſtecken die Leute hin und wieder Wallfiſchrippen hin, damit ſichs Vieh dran reiben ſoll. An den Baͤumen und Straͤuchen hingen Schnecken zu Tauſenden, und fraſſen das Laub ab. Ueberall ſieht man ſchoͤne Buitenplaatſe oder Landhaͤuſer, wo der hollaͤndiſche Kapitaliſt ſeine Zeit toͤd- tet. Aus dieſem Gehoͤlze ging ich in den
Blumengarten des Myn Heer van Campen. Harlem iſt bekanntlich das Land der Blumen, und die- ſer van Campen iſt anjetzt hier einer der groͤſten Blu- miſten. Ich haͤtte aber im April kommen muͤſſen, wenn ich ſeine ganze Schaͤtze haͤtte ſehen wollen. Die Zwie- beln von Tulpen, Ranunkeln, Hyaͤcirithen, lagen alle fortirt mit Zetteln in ungeheurer Menge auf Bretern in Schuppen uͤbereinander. Die Nelken aber ſtanden in der Bluͤte, und van Campen ſelbſt fuͤhrte mich uͤberall herum. Jetzt faͤllt der Geſchmack auf die Biſarden mit Roſenblaͤttern und rothen Baͤndern auf einem weiſſen Grunde. Couleur de Puce war auch hier unter den Blumen eine Modefarbe. Blaue, die van Campen Purpur nennt, hat man nicht viele. Mit Silbergrau war nur eine einzige da. Von den Gelben geſtand er gern, daß wir in Deutſchland einige hier ſeltne Arten haͤtten, die aber die deutſchen Gaͤrtner nicht einzupacken wuͤßten. Er hatte etwa 2000. Nelken und 1400. Ra- nunkeln ꝛc. das Stuͤck koſtet faſt durchgaͤngig 1. hollaͤn- diſchen Gulden. Der Mann iſt uͤber die Sphaͤre der gemeinen Gaͤrtner erhaben, und ſpricht mit, wann vom
Geſchlecht
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24. Stuͤber. Ueberall weidet das ſchoͤnſte Vieh. Es
ſind meiſt ſchwarz und weisgefleckte ſehr groſſe. Ochſen
und Kuͤhe, doch ſollen ſie in Friesland und Nordhol-
land noch ſchoͤner ſeyn. Auf den Weiden ſtecken die
Leute hin und wieder Wallfiſchrippen hin, damit ſichs
Vieh dran reiben ſoll. An den Baͤumen und Straͤuchen
hingen Schnecken zu Tauſenden, und fraſſen das Laub
ab. Ueberall ſieht man ſchoͤne Buitenplaatſe oder
Landhaͤuſer, wo der hollaͤndiſche Kapitaliſt ſeine Zeit toͤd-
tet. Aus dieſem Gehoͤlze ging ich in den
Blumengarten des Myn Heer van Campen.
Harlem iſt bekanntlich das Land der Blumen, und die-
ſer van Campen iſt anjetzt hier einer der groͤſten Blu-
miſten. Ich haͤtte aber im April kommen muͤſſen, wenn
ich ſeine ganze Schaͤtze haͤtte ſehen wollen. Die Zwie-
beln von Tulpen, Ranunkeln, Hyaͤcirithen, lagen alle
fortirt mit Zetteln in ungeheurer Menge auf Bretern in
Schuppen uͤbereinander. Die Nelken aber ſtanden in
der Bluͤte, und van Campen ſelbſt fuͤhrte mich uͤberall
herum. Jetzt faͤllt der Geſchmack auf die Biſarden mit
Roſenblaͤttern und rothen Baͤndern auf einem weiſſen
Grunde. Couleur de Puce war auch hier unter den
Blumen eine Modefarbe. Blaue, die van Campen
Purpur nennt, hat man nicht viele. Mit Silbergrau
war nur eine einzige da. Von den Gelben geſtand er
gern, daß wir in Deutſchland einige hier ſeltne Arten
haͤtten, die aber die deutſchen Gaͤrtner nicht einzupacken
wuͤßten. Er hatte etwa 2000. Nelken und 1400. Ra-
nunkeln ꝛc. das Stuͤck koſtet faſt durchgaͤngig 1. hollaͤn-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/562>, abgerufen am 24.11.2024.
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