gungen, andre ächzten, einige legten den Finger an die Stirne, und schienen das Kommen des Geistes zu erwar- ten, ich wartete noch eine halbe Stunde, aber weder Män- ner noch Frauen wollten anfangen, zuletzt ging ich fort, und muste doch bei mir selbst dem alten Manne, der mich so redlich und simpel an grosse Wahrheiten erinnert hatte, alles Gute wünschen. Wie gros ist Gott! Er hat mit der Blödigkeit der Menschen Geduld, und nimmt das Opfer des Weisen und des Schwachen, des Erleuchteten und des Irrenden gnädig an? Er sieht aufs Herz, obs redlich ist, wir urtheilen immer nach dem Aeusserlichen, und verdammen vielleicht die, welche der Erlöser künftig unter seine Freunde zählen wird. Drauf besah ich
Einige grosse Gebäude, als: das Rondel, das alte Heeren Logement, Zuckerbeckershäuser, Armenhäu- ser, Ostindische Kompagniehäuser etc. Könnt' ichs zäh- len, wie viel hunderttausend Backsteine an so einem Hau- se nur auf einer Seite übereinander gelegt sind. In Deutschland glaubt kein Mensch, daß solche ungeheure Massen auf Pfäle können gebaut werden. Einige sind so hoch, daß man zurücktreten muß, wenn man die Spitze sehen will. Und von unten an, weit in die Erde hinein, bis an den obersten Winkel ist alles mit Waaren, Haus- rath etc. angefüllt. Und die meisten Häuser gehen in der Tiefe von einer Gragt bis zur andern. Unter der Erde sind Keller, Packhäuser, Magazine, Wohnungen, Bou- tiquen -- und alle so voll, daß ich mich in einem nie- dersetzen muste, damit sich der Mann herumdrehen und mir geben konnte, was ich verlangte. Und so siehts aus in den gemeinsten wie in den grösten Häusern. Man kan daraus auf die Menge der Menschen, und auf die
tausend
gungen, andre aͤchzten, einige legten den Finger an die Stirne, und ſchienen das Kommen des Geiſtes zu erwar- ten, ich wartete noch eine halbe Stunde, aber weder Maͤn- ner noch Frauen wollten anfangen, zuletzt ging ich fort, und muſte doch bei mir ſelbſt dem alten Manne, der mich ſo redlich und ſimpel an groſſe Wahrheiten erinnert hatte, alles Gute wuͤnſchen. Wie gros iſt Gott! Er hat mit der Bloͤdigkeit der Menſchen Geduld, und nimmt das Opfer des Weiſen und des Schwachen, des Erleuchteten und des Irrenden gnaͤdig an? Er ſieht aufs Herz, obs redlich iſt, wir urtheilen immer nach dem Aeuſſerlichen, und verdammen vielleicht die, welche der Erloͤſer kuͤnftig unter ſeine Freunde zaͤhlen wird. Drauf beſah ich
Einige groſſe Gebaͤude, als: das Rondel, das alte Heeren Logement, Zuckerbeckershaͤuſer, Armenhaͤu- ſer, Oſtindiſche Kompagniehaͤuſer ꝛc. Koͤnnt’ ichs zaͤh- len, wie viel hunderttauſend Backſteine an ſo einem Hau- ſe nur auf einer Seite uͤbereinander gelegt ſind. In Deutſchland glaubt kein Menſch, daß ſolche ungeheure Maſſen auf Pfaͤle koͤnnen gebaut werden. Einige ſind ſo hoch, daß man zuruͤcktreten muß, wenn man die Spitze ſehen will. Und von unten an, weit in die Erde hinein, bis an den oberſten Winkel iſt alles mit Waaren, Haus- rath ꝛc. angefuͤllt. Und die meiſten Haͤuſer gehen in der Tiefe von einer Gragt bis zur andern. Unter der Erde ſind Keller, Packhaͤuſer, Magazine, Wohnungen, Bou- tiquen — und alle ſo voll, daß ich mich in einem nie- derſetzen muſte, damit ſich der Mann herumdrehen und mir geben konnte, was ich verlangte. Und ſo ſiehts aus in den gemeinſten wie in den groͤſten Haͤuſern. Man kan daraus auf die Menge der Menſchen, und auf die
tauſend
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gungen, andre aͤchzten, einige legten den Finger an die
Stirne, und ſchienen das Kommen des Geiſtes zu erwar-
ten, ich wartete noch eine halbe Stunde, aber weder Maͤn-
ner noch Frauen wollten anfangen, zuletzt ging ich fort,
und muſte doch bei mir ſelbſt dem alten Manne, der mich
ſo redlich und ſimpel an groſſe Wahrheiten erinnert hatte,
alles Gute wuͤnſchen. Wie gros iſt Gott! Er hat mit
der Bloͤdigkeit der Menſchen Geduld, und nimmt das
Opfer des Weiſen und des Schwachen, des Erleuchteten
und des Irrenden gnaͤdig an? Er ſieht aufs Herz, obs
redlich iſt, wir urtheilen immer nach dem Aeuſſerlichen,
und verdammen vielleicht die, welche der Erloͤſer kuͤnftig
unter ſeine Freunde zaͤhlen wird. Drauf beſah ich
Einige groſſe Gebaͤude, als: das Rondel, das
alte Heeren Logement, Zuckerbeckershaͤuſer, Armenhaͤu-
ſer, Oſtindiſche Kompagniehaͤuſer ꝛc. Koͤnnt’ ichs zaͤh-
len, wie viel hunderttauſend Backſteine an ſo einem Hau-
ſe nur auf einer Seite uͤbereinander gelegt ſind. In
Deutſchland glaubt kein Menſch, daß ſolche ungeheure
Maſſen auf Pfaͤle koͤnnen gebaut werden. Einige ſind
ſo hoch, daß man zuruͤcktreten muß, wenn man die Spitze
ſehen will. Und von unten an, weit in die Erde hinein,
bis an den oberſten Winkel iſt alles mit Waaren, Haus-
rath ꝛc. angefuͤllt. Und die meiſten Haͤuſer gehen in der
Tiefe von einer Gragt bis zur andern. Unter der Erde
ſind Keller, Packhaͤuſer, Magazine, Wohnungen, Bou-
tiquen — und alle ſo voll, daß ich mich in einem nie-
derſetzen muſte, damit ſich der Mann herumdrehen
und mir geben konnte, was ich verlangte. Und ſo ſiehts
aus in den gemeinſten wie in den groͤſten Haͤuſern. Man
kan daraus auf die Menge der Menſchen, und auf die
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/574>, abgerufen am 24.11.2024.
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