paria L. Dieser herrliche Baum trug jetzt seine schö- nen Früchte. Die Erndte fing erst an, aber manches war auch überreif.
Anspach präsentirt sich von weitem sehr gut. Die Stadt ist gros, hat aber enge, krumme Gassen; Alleen gibts indes doch hin und wieder in der Stadt. Das Schloß ist im alten Geschmack. Das Gymnasium ist ein herrliches Gebäude. Ich fand die Leute hier sehr höflich etc. Und so kam ich
Den 29sten Jul.
über Kloster Hailsbronn nach
Nürnberg, und trat im rothen Hahne auf dem Kornmarkte ab. Der Sandboden um die Stadt wird durch Blut, Knochen, Haare, Urin etc. durch alles was die Bauern aus der Stadt hohlen, sehr gut gedüngt und fruchtbar gemacht. Man pflanzt auch viel Tobak. Die Stadt ist bergicht und hat meist krumme und winklichte Strassen. Die meisten Häuser sind mit allerhand Far- ben angestrichen. Im Ganzen sieht diese bunte Male- rei doch gut genug aus, ohne dies wäre die Stadt noch viel finstrer. Ueberhaupt herrscht hier viel Reichsstädti- scher Ton. Schneider, Schuster und mehrere Hand- werker tragen noch schwarze, blaue, violette Mäntel beim Ausgehen. Man ist im Umgange noch sehr feierlich, und macht viel steife Komplimente. Sonst aber sind die Einwohner warlich herzgute Leute.
Mein
E 4
paria L. Dieſer herrliche Baum trug jetzt ſeine ſchoͤ- nen Fruͤchte. Die Erndte fing erſt an, aber manches war auch uͤberreif.
Anſpach praͤſentirt ſich von weitem ſehr gut. Die Stadt iſt gros, hat aber enge, krumme Gaſſen; Alleen gibts indes doch hin und wieder in der Stadt. Das Schloß iſt im alten Geſchmack. Das Gymnaſium iſt ein herrliches Gebaͤude. Ich fand die Leute hier ſehr hoͤflich ꝛc. Und ſo kam ich
Den 29ſten Jul.
uͤber Kloſter Hailsbronn nach
Nuͤrnberg, und trat im rothen Hahne auf dem Kornmarkte ab. Der Sandboden um die Stadt wird durch Blut, Knochen, Haare, Urin ꝛc. durch alles was die Bauern aus der Stadt hohlen, ſehr gut geduͤngt und fruchtbar gemacht. Man pflanzt auch viel Tobak. Die Stadt iſt bergicht und hat meiſt krumme und winklichte Straſſen. Die meiſten Haͤuſer ſind mit allerhand Far- ben angeſtrichen. Im Ganzen ſieht dieſe bunte Male- rei doch gut genug aus, ohne dies waͤre die Stadt noch viel finſtrer. Ueberhaupt herrſcht hier viel Reichsſtaͤdti- ſcher Ton. Schneider, Schuſter und mehrere Hand- werker tragen noch ſchwarze, blaue, violette Maͤntel beim Ausgehen. Man iſt im Umgange noch ſehr feierlich, und macht viel ſteife Komplimente. Sonſt aber ſind die Einwohner warlich herzgute Leute.
Mein
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paria L. Dieſer herrliche Baum trug jetzt ſeine ſchoͤ-
nen Fruͤchte. Die Erndte fing erſt an, aber manches
war auch uͤberreif.
Anſpach praͤſentirt ſich von weitem ſehr gut. Die
Stadt iſt gros, hat aber enge, krumme Gaſſen; Alleen
gibts indes doch hin und wieder in der Stadt. Das
Schloß iſt im alten Geſchmack. Das Gymnaſium iſt
ein herrliches Gebaͤude. Ich fand die Leute hier ſehr
hoͤflich ꝛc. Und ſo kam ich
Den 29ſten Jul.
uͤber Kloſter Hailsbronn nach
Nuͤrnberg, und trat im rothen Hahne auf dem
Kornmarkte ab. Der Sandboden um die Stadt wird
durch Blut, Knochen, Haare, Urin ꝛc. durch alles was
die Bauern aus der Stadt hohlen, ſehr gut geduͤngt und
fruchtbar gemacht. Man pflanzt auch viel Tobak. Die
Stadt iſt bergicht und hat meiſt krumme und winklichte
Straſſen. Die meiſten Haͤuſer ſind mit allerhand Far-
ben angeſtrichen. Im Ganzen ſieht dieſe bunte Male-
rei doch gut genug aus, ohne dies waͤre die Stadt noch
viel finſtrer. Ueberhaupt herrſcht hier viel Reichsſtaͤdti-
ſcher Ton. Schneider, Schuſter und mehrere Hand-
werker tragen noch ſchwarze, blaue, violette Maͤntel beim
Ausgehen. Man iſt im Umgange noch ſehr feierlich, und
macht viel ſteife Komplimente. Sonſt aber ſind die
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/109>, abgerufen am 25.11.2024.
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