Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite
Den 14ten Aug.

Mein erstes war heute das hiesige berühmte

Waisenhaus zu besuchen, und so machte ich auch
dem Hrn. Prof. Freylinghausen meinen Besuch.
Schon alt aber noch munter. Ein sanfter, gutmüthi-
ger, rechtschaffener Gottesgelehrter.

Hr. Inspektor Fischer führte mich herum, und so
gingen wir zuerst durch die Klassen. Jede ist Gros
und Klein, nur Septima nicht. Selecta existirt gar
nicht. Sie liegen nahe an einander. Ich bemerkte
darin viel Ordnung und Stille, aber auch Verschieden-
heit der Lehrer. In Grossekunda hörte ich eine Dispu-
tation über die Ewigkeit der Höllenstrafen!! --

Die Apotheke ist vortreflich eingerichtet, reichlich
versehen, und gehört mit zu den besten in Deutschland.
Man sagte mir, daß jährlich wohl ein Zentner Rhabar-
ber
und 100. Pfund China verbraucht werde. Erstere
ziehen sie über Lübeck aus Moskau, die Käferthal-
s
che halte sich in der Art nur 3. Jahre.

Das Konviktorium und die Küche. Zum Ko-
fend und Bier braucht man zinnerne Becher. In der
Küche sind grosse kupferne Kessel, in denen eben Schöp-
senfleisch gekocht ward. Das Brod war herrlich. Das
Waisenhaus hat seine eigene grosse Landwirthschaft, und
doch muß noch viel Milch, Butter etc. gekauft werden.
Es werden aber auch wohl an die tausend Menschen hier
ernährt *).

Das
*) Im J. 1771. waren darin 731. Lehrer, Schüler und
181. Studenten, die Unterricht gaben. Siehe Ma-
gazin
Den 14ten Aug.

Mein erſtes war heute das hieſige beruͤhmte

Waiſenhaus zu beſuchen, und ſo machte ich auch
dem Hrn. Prof. Freylinghauſen meinen Beſuch.
Schon alt aber noch munter. Ein ſanfter, gutmuͤthi-
ger, rechtſchaffener Gottesgelehrter.

Hr. Inſpektor Fiſcher fuͤhrte mich herum, und ſo
gingen wir zuerſt durch die Klaſſen. Jede iſt Gros
und Klein, nur Septima nicht. Selecta exiſtirt gar
nicht. Sie liegen nahe an einander. Ich bemerkte
darin viel Ordnung und Stille, aber auch Verſchieden-
heit der Lehrer. In Grosſekunda hoͤrte ich eine Diſpu-
tation uͤber die Ewigkeit der Hoͤllenſtrafen!! —

Die Apotheke iſt vortreflich eingerichtet, reichlich
verſehen, und gehoͤrt mit zu den beſten in Deutſchland.
Man ſagte mir, daß jaͤhrlich wohl ein Zentner Rhabar-
ber
und 100. Pfund China verbraucht werde. Erſtere
ziehen ſie uͤber Luͤbeck aus Moskau, die Kaͤferthal-
ſ
che halte ſich in der Art nur 3. Jahre.

Das Konviktorium und die Kuͤche. Zum Ko-
fend und Bier braucht man zinnerne Becher. In der
Kuͤche ſind groſſe kupferne Keſſel, in denen eben Schoͤp-
ſenfleiſch gekocht ward. Das Brod war herrlich. Das
Waiſenhaus hat ſeine eigene groſſe Landwirthſchaft, und
doch muß noch viel Milch, Butter ꝛc. gekauft werden.
Es werden aber auch wohl an die tauſend Menſchen hier
ernaͤhrt *).

Das
*) Im J. 1771. waren darin 731. Lehrer, Schuͤler und
181. Studenten, die Unterricht gaben. Siehe Ma-
gazin
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0160" n="122"/>
          <div n="3">
            <head>Den 14ten Aug.</head><lb/>
            <p>Mein er&#x017F;tes war heute das hie&#x017F;ige beru&#x0364;hmte</p><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Wai&#x017F;enhaus</hi> zu be&#x017F;uchen, und &#x017F;o machte ich auch<lb/>
dem Hrn. Prof. <hi rendition="#fr">Freylinghau&#x017F;en</hi> meinen Be&#x017F;uch.<lb/>
Schon alt aber noch munter. Ein &#x017F;anfter, gutmu&#x0364;thi-<lb/>
ger, recht&#x017F;chaffener Gottesgelehrter.</p><lb/>
            <p>Hr. In&#x017F;pektor <hi rendition="#fr">Fi&#x017F;cher</hi> fu&#x0364;hrte mich herum, und &#x017F;o<lb/>
gingen wir zuer&#x017F;t durch die <hi rendition="#fr">Kla&#x017F;&#x017F;en.</hi> Jede i&#x017F;t <hi rendition="#fr">Gros</hi><lb/>
und <hi rendition="#fr">Klein,</hi> nur <hi rendition="#aq">Septima</hi> nicht. <hi rendition="#aq">Selecta</hi> exi&#x017F;tirt gar<lb/>
nicht. Sie liegen nahe an einander. Ich bemerkte<lb/>
darin viel Ordnung und Stille, aber auch Ver&#x017F;chieden-<lb/>
heit der Lehrer. In Gros&#x017F;ekunda ho&#x0364;rte ich eine Di&#x017F;pu-<lb/>
tation u&#x0364;ber die Ewigkeit der Ho&#x0364;llen&#x017F;trafen!! &#x2014;</p><lb/>
            <p>Die <hi rendition="#fr">Apotheke</hi> i&#x017F;t vortreflich eingerichtet, reichlich<lb/>
ver&#x017F;ehen, und geho&#x0364;rt mit zu den be&#x017F;ten in <hi rendition="#fr">Deut&#x017F;chland.</hi><lb/>
Man &#x017F;agte mir, daß ja&#x0364;hrlich wohl ein Zentner <hi rendition="#fr">Rhabar-<lb/>
ber</hi> und 100. Pfund <hi rendition="#fr">China</hi> verbraucht werde. Er&#x017F;tere<lb/>
ziehen &#x017F;ie u&#x0364;ber <hi rendition="#fr">Lu&#x0364;beck</hi> aus <hi rendition="#fr">Moskau,</hi> die <hi rendition="#fr">Ka&#x0364;ferthal-<lb/>
&#x017F;</hi>che halte &#x017F;ich in der Art nur 3. Jahre.</p><lb/>
            <p>Das <hi rendition="#fr">Konviktorium</hi> und die <hi rendition="#fr">Ku&#x0364;che.</hi> Zum Ko-<lb/>
fend und Bier braucht man zinnerne Becher. In der<lb/>
Ku&#x0364;che &#x017F;ind gro&#x017F;&#x017F;e kupferne Ke&#x017F;&#x017F;el, in denen eben Scho&#x0364;p-<lb/>
&#x017F;enflei&#x017F;ch gekocht ward. Das Brod war herrlich. Das<lb/>
Wai&#x017F;enhaus hat &#x017F;eine eigene gro&#x017F;&#x017F;e Landwirth&#x017F;chaft, und<lb/>
doch muß noch viel Milch, Butter &#xA75B;c. gekauft werden.<lb/>
Es werden aber auch wohl an die tau&#x017F;end Men&#x017F;chen hier<lb/>
erna&#x0364;hrt <note xml:id="fn5" next="#nfn5" place="foot" n="*)">Im J. 1771. waren darin 731. Lehrer, Schu&#x0364;ler und<lb/>
181. Studenten, die Unterricht gaben. Siehe Ma-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gazin</fw></note>.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Das</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0160] Den 14ten Aug. Mein erſtes war heute das hieſige beruͤhmte Waiſenhaus zu beſuchen, und ſo machte ich auch dem Hrn. Prof. Freylinghauſen meinen Beſuch. Schon alt aber noch munter. Ein ſanfter, gutmuͤthi- ger, rechtſchaffener Gottesgelehrter. Hr. Inſpektor Fiſcher fuͤhrte mich herum, und ſo gingen wir zuerſt durch die Klaſſen. Jede iſt Gros und Klein, nur Septima nicht. Selecta exiſtirt gar nicht. Sie liegen nahe an einander. Ich bemerkte darin viel Ordnung und Stille, aber auch Verſchieden- heit der Lehrer. In Grosſekunda hoͤrte ich eine Diſpu- tation uͤber die Ewigkeit der Hoͤllenſtrafen!! — Die Apotheke iſt vortreflich eingerichtet, reichlich verſehen, und gehoͤrt mit zu den beſten in Deutſchland. Man ſagte mir, daß jaͤhrlich wohl ein Zentner Rhabar- ber und 100. Pfund China verbraucht werde. Erſtere ziehen ſie uͤber Luͤbeck aus Moskau, die Kaͤferthal- ſche halte ſich in der Art nur 3. Jahre. Das Konviktorium und die Kuͤche. Zum Ko- fend und Bier braucht man zinnerne Becher. In der Kuͤche ſind groſſe kupferne Keſſel, in denen eben Schoͤp- ſenfleiſch gekocht ward. Das Brod war herrlich. Das Waiſenhaus hat ſeine eigene groſſe Landwirthſchaft, und doch muß noch viel Milch, Butter ꝛc. gekauft werden. Es werden aber auch wohl an die tauſend Menſchen hier ernaͤhrt *). Das *) Im J. 1771. waren darin 731. Lehrer, Schuͤler und 181. Studenten, die Unterricht gaben. Siehe Ma- gazin

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/160
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/160>, abgerufen am 24.11.2024.