lehrter. Die ganze Woche arbeitet er, und nur Sonn- tags geht er aufs Land oder in Gesellschaft.
Hrn. Prof. Ramler, schon in Jahren, schreibt jetzt keine Oden mehr, nur manchmal eine Nänie. Von Wieland denkt er wie ich, nennt aber ihn und Les- sing unsre besten Beaux-Esprits. Er sagte, die Mes- siade habe er nicht ganz lesen können. Er spottet über Kl. Oden und Gel. Rep. und meint, Kl. sei nie vor- wärts, sondern immer rückwärts gegangen, an vielen Orten schreibe er Nonsense.
Hrn. Medailleur Abraham Abramson, der Sohn eines Juden *), aber im cultu externo nicht Jude, noch jung und ledig. Die Ideen und die Inschriften zu seinen Medaillen auf berühmte Leute gibt ihm Ram- ler an. Wieland's Stempel hat gelitten, sonst hätt ich die Medaille genommen. Jedes Stück kostet 3. Thaler, und die ganze Suite 30.-40. Thaler. Von Mendelssohn, sagte er, wären wohl 500. abgegangen, von andern Gelehrten etwa 50. Der wackere Künstler ist willens, eine Reise zu machen.
Hrn. Prof. Engel am Joachimsthaler Gymna- sium, ein Mann von etwa 40. Jahren. Seine ver- stopfte Leber macht ihn krank und hypochondrisch. Den Minister, Baron Zedlitz, lobt er sehr, er thue sehr viel, habe viel Bereitwilligkeit. Auf Herdern war er nicht zu sprechen. Ich erfuhr auch von ihm, daß der Mini- ster Zedlitz dem Hrn. Adelung in Leipzig aufgetragen habe, eine deutsche Grammatik für die preussischen Schu-
len
*) Der Vater Jakob Abraham ist ein Petschierstecher und Stempelschneider bei der Königl. Münze.
lehrter. Die ganze Woche arbeitet er, und nur Sonn- tags geht er aufs Land oder in Geſellſchaft.
Hrn. Prof. Ramler, ſchon in Jahren, ſchreibt jetzt keine Oden mehr, nur manchmal eine Naͤnie. Von Wieland denkt er wie ich, nennt aber ihn und Leſ- ſing unſre beſten Beaux-Eſprits. Er ſagte, die Meſ- ſiade habe er nicht ganz leſen koͤnnen. Er ſpottet uͤber Kl. Oden und Gel. Rep. und meint, Kl. ſei nie vor- waͤrts, ſondern immer ruͤckwaͤrts gegangen, an vielen Orten ſchreibe er Nonſenſe.
Hrn. Medailleur Abraham Abramſon, der Sohn eines Juden *), aber im cultu externo nicht Jude, noch jung und ledig. Die Ideen und die Inſchriften zu ſeinen Medaillen auf beruͤhmte Leute gibt ihm Ram- ler an. Wieland’s Stempel hat gelitten, ſonſt haͤtt ich die Medaille genommen. Jedes Stuͤck koſtet 3. Thaler, und die ganze Suite 30.-40. Thaler. Von Mendelsſohn, ſagte er, waͤren wohl 500. abgegangen, von andern Gelehrten etwa 50. Der wackere Kuͤnſtler iſt willens, eine Reiſe zu machen.
Hrn. Prof. Engel am Joachimsthaler Gymna- ſium, ein Mann von etwa 40. Jahren. Seine ver- ſtopfte Leber macht ihn krank und hypochondriſch. Den Miniſter, Baron Zedlitz, lobt er ſehr, er thue ſehr viel, habe viel Bereitwilligkeit. Auf Herdern war er nicht zu ſprechen. Ich erfuhr auch von ihm, daß der Mini- ſter Zedlitz dem Hrn. Adelung in Leipzig aufgetragen habe, eine deutſche Grammatik fuͤr die preuſſiſchen Schu-
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*) Der Vater Jakob Abraham iſt ein Petſchierſtecher und Stempelſchneider bei der Koͤnigl. Muͤnze.
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lehrter. Die ganze Woche arbeitet er, und nur Sonn-
tags geht er aufs Land oder in Geſellſchaft.
Hrn. Prof. Ramler, ſchon in Jahren, ſchreibt jetzt
keine Oden mehr, nur manchmal eine Naͤnie. Von
Wieland denkt er wie ich, nennt aber ihn und Leſ-
ſing unſre beſten Beaux-Eſprits. Er ſagte, die Meſ-
ſiade habe er nicht ganz leſen koͤnnen. Er ſpottet uͤber
Kl. Oden und Gel. Rep. und meint, Kl. ſei nie vor-
waͤrts, ſondern immer ruͤckwaͤrts gegangen, an vielen
Orten ſchreibe er Nonſenſe.
Hrn. Medailleur Abraham Abramſon, der Sohn
eines Juden *), aber im cultu externo nicht Jude,
noch jung und ledig. Die Ideen und die Inſchriften
zu ſeinen Medaillen auf beruͤhmte Leute gibt ihm Ram-
ler an. Wieland’s Stempel hat gelitten, ſonſt haͤtt
ich die Medaille genommen. Jedes Stuͤck koſtet 3.
Thaler, und die ganze Suite 30.-40. Thaler. Von
Mendelsſohn, ſagte er, waͤren wohl 500. abgegangen,
von andern Gelehrten etwa 50. Der wackere Kuͤnſtler
iſt willens, eine Reiſe zu machen.
Hrn. Prof. Engel am Joachimsthaler Gymna-
ſium, ein Mann von etwa 40. Jahren. Seine ver-
ſtopfte Leber macht ihn krank und hypochondriſch. Den
Miniſter, Baron Zedlitz, lobt er ſehr, er thue ſehr viel,
habe viel Bereitwilligkeit. Auf Herdern war er nicht
zu ſprechen. Ich erfuhr auch von ihm, daß der Mini-
ſter Zedlitz dem Hrn. Adelung in Leipzig aufgetragen
habe, eine deutſche Grammatik fuͤr die preuſſiſchen Schu-
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*) Der Vater Jakob Abraham iſt ein Petſchierſtecher
und Stempelſchneider bei der Koͤnigl. Muͤnze.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/222>, abgerufen am 26.11.2024.
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