durch die Bekanntschaft mit der Welt erlangt; seine Gespräche wußte er durch eingestreute Anek- doten, kleine Erzählungen und treffende Anmer- kungen anziehend zu machen. Man ward nie müde ihn zu hören, und seine Unterredungen nahmen fast immer eine ernsthafte Wendung. Er war höflich ohne Ceremonie, heiter ohne Ausgelassenheit, anständig ohne Zwang, und freymüthig ohne Unbescheidenheit. Rang, Ti- tel und Reichthümer machten keinen Eindruck auf sein Herz, und man ward es bald gewahr, daß er im Umgange mit den Großen nie seine menschliche und christliche Würde verleugnete. Je mehr man ihn sah und sprechen hörte, je mehr mußte man ihn hochachten und liebgewinnen. Er erkundigte sich nach allem, bemerkte alles mit dem feinsten Beobachtungsgeiste, und mußte von allem, was er sah und bemerkte, einen schnellen Gebrauch zu machen. Häufige Beyspiele davon findet man in seinen Schriften. Er deklamirte vortreflich, und muß als Redner große Wirkung hervorgebracht haben. In Wien hörte man ihn mit Entzücken, und seine neuerlich herausge- kommenen Predigten enthalten herrliche Stellen. Von Mosheim war er ein großer Verehrer, und war für die magern und von allem redneri-
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durch die Bekanntſchaft mit der Welt erlangt; ſeine Geſpraͤche wußte er durch eingeſtreute Anek- doten, kleine Erzaͤhlungen und treffende Anmer- kungen anziehend zu machen. Man ward nie muͤde ihn zu hoͤren, und ſeine Unterredungen nahmen faſt immer eine ernſthafte Wendung. Er war hoͤflich ohne Ceremonie, heiter ohne Ausgelaſſenheit, anſtaͤndig ohne Zwang, und freymuͤthig ohne Unbeſcheidenheit. Rang, Ti- tel und Reichthuͤmer machten keinen Eindruck auf ſein Herz, und man ward es bald gewahr, daß er im Umgange mit den Großen nie ſeine menſchliche und chriſtliche Wuͤrde verleugnete. Je mehr man ihn ſah und ſprechen hoͤrte, je mehr mußte man ihn hochachten und liebgewinnen. Er erkundigte ſich nach allem, bemerkte alles mit dem feinſten Beobachtungsgeiſte, und mußte von allem, was er ſah und bemerkte, einen ſchnellen Gebrauch zu machen. Haͤufige Beyſpiele davon findet man in ſeinen Schriften. Er deklamirte vortreflich, und muß als Redner große Wirkung hervorgebracht haben. In Wien hoͤrte man ihn mit Entzuͤcken, und ſeine neuerlich herausge- kommenen Predigten enthalten herrliche Stellen. Von Mosheim war er ein großer Verehrer, und war fuͤr die magern und von allem redneri-
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[XXII/0028]
durch die Bekanntſchaft mit der Welt erlangt;
ſeine Geſpraͤche wußte er durch eingeſtreute Anek-
doten, kleine Erzaͤhlungen und treffende Anmer-
kungen anziehend zu machen. Man ward nie
muͤde ihn zu hoͤren, und ſeine Unterredungen
nahmen faſt immer eine ernſthafte Wendung.
Er war hoͤflich ohne Ceremonie, heiter ohne
Ausgelaſſenheit, anſtaͤndig ohne Zwang, und
freymuͤthig ohne Unbeſcheidenheit. Rang, Ti-
tel und Reichthuͤmer machten keinen Eindruck
auf ſein Herz, und man ward es bald gewahr,
daß er im Umgange mit den Großen nie ſeine
menſchliche und chriſtliche Wuͤrde verleugnete.
Je mehr man ihn ſah und ſprechen hoͤrte, je mehr
mußte man ihn hochachten und liebgewinnen.
Er erkundigte ſich nach allem, bemerkte alles mit
dem feinſten Beobachtungsgeiſte, und mußte von
allem, was er ſah und bemerkte, einen ſchnellen
Gebrauch zu machen. Haͤufige Beyſpiele davon
findet man in ſeinen Schriften. Er deklamirte
vortreflich, und muß als Redner große Wirkung
hervorgebracht haben. In Wien hoͤrte man
ihn mit Entzuͤcken, und ſeine neuerlich herausge-
kommenen Predigten enthalten herrliche Stellen.
Von Mosheim war er ein großer Verehrer,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. XXII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/28>, abgerufen am 21.11.2024.
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