Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

Feld, Wiesen, Weideplatz und Waldungen. Aber je
näher man jenem Städtchen kommt, je rauher wird die
Luft, je rauher wird der Wind. Man kan auch He-
chingen
als den Anfang des Schwarzwaldes ansehen.
Die Sprache ist schlecht, aber die Leute sind höflich, wohl
gesitteter, als man vermuthen sollte: ohne Zweifel, weil
ein kleiner Hof, und etwas Handel hier ist. Gegen-
wärtig lagen etwa 40. Mann Soldaten in Hechingen.
Das Land ist zur Jagd sehr bequem, und der Fürst liebt
sie. Es gibt hier auch wilde Fasanen. Die Residenz
ist so bergicht, und so schlecht gepflastert, daß der Reiter
immer für seines Pferdes Füsse besorgt seyn muß. We-
nigstens können sie die Hufeisen darin verreissen, oder bre-
chen. Aber die Bürger sind es gewohnt, und klettern si-
cher Tag und Nacht, wie Katzen auf den steilen Wegen
herum. Sobald der geringste Regen fällt, so hat man
in Hechingen kein gutes Wasser meht, es wird gleich
trübe. Ich sah einen unvollendeten Kirchenbau, den
der Fürst, die Stadt, und einige Pfleger zu gros ange-
fangen haben, daher ist der Bau jetzt ins Stecken gera-
then. Der Baustein ist ein weislichter Sandstein aus
lauter feinen Quarzkörnern. Im Schlosse sind etwa
vierzig Bedienten: so sagte man mir, wer aber in dieser
Zahl mit begriffen ist, oder nicht, weis ich nicht. Der
Fürst hält einen Kanzler, zwei Hofräthe, einen Gehei-
menrath, der Finanzminister ist, und einige Sekretäre.
Man hatte eben am Ostermontage, wiewohl es Feiertag
war, Jahrmarkt. Dazu kamen viele Menschen und
Vieh weit her, viele Krämer von Reutlingen, Ro-
thenburg
etc. Ueberhaupt ist hier eine starke Passage
nach Schaffhausen und Zurzach etc. Ausser dem
Schlosse und dem Amthause wird man das Städtchen

freilich

Feld, Wieſen, Weideplatz und Waldungen. Aber je
naͤher man jenem Staͤdtchen kommt, je rauher wird die
Luft, je rauher wird der Wind. Man kan auch He-
chingen
als den Anfang des Schwarzwaldes anſehen.
Die Sprache iſt ſchlecht, aber die Leute ſind hoͤflich, wohl
geſitteter, als man vermuthen ſollte: ohne Zweifel, weil
ein kleiner Hof, und etwas Handel hier iſt. Gegen-
waͤrtig lagen etwa 40. Mann Soldaten in Hechingen.
Das Land iſt zur Jagd ſehr bequem, und der Fuͤrſt liebt
ſie. Es gibt hier auch wilde Faſanen. Die Reſidenz
iſt ſo bergicht, und ſo ſchlecht gepflaſtert, daß der Reiter
immer fuͤr ſeines Pferdes Fuͤſſe beſorgt ſeyn muß. We-
nigſtens koͤnnen ſie die Hufeiſen darin verreiſſen, oder bre-
chen. Aber die Buͤrger ſind es gewohnt, und klettern ſi-
cher Tag und Nacht, wie Katzen auf den ſteilen Wegen
herum. Sobald der geringſte Regen faͤllt, ſo hat man
in Hechingen kein gutes Waſſer meht, es wird gleich
truͤbe. Ich ſah einen unvollendeten Kirchenbau, den
der Fuͤrſt, die Stadt, und einige Pfleger zu gros ange-
fangen haben, daher iſt der Bau jetzt ins Stecken gera-
then. Der Bauſtein iſt ein weislichter Sandſtein aus
lauter feinen Quarzkoͤrnern. Im Schloſſe ſind etwa
vierzig Bedienten: ſo ſagte man mir, wer aber in dieſer
Zahl mit begriffen iſt, oder nicht, weis ich nicht. Der
Fuͤrſt haͤlt einen Kanzler, zwei Hofraͤthe, einen Gehei-
menrath, der Finanzminiſter iſt, und einige Sekretaͤre.
Man hatte eben am Oſtermontage, wiewohl es Feiertag
war, Jahrmarkt. Dazu kamen viele Menſchen und
Vieh weit her, viele Kraͤmer von Reutlingen, Ro-
thenburg
ꝛc. Ueberhaupt iſt hier eine ſtarke Paſſage
nach Schaffhauſen und Zurzach ꝛc. Auſſer dem
Schloſſe und dem Amthauſe wird man das Staͤdtchen

freilich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0290" n="252"/>
Feld, Wie&#x017F;en, Weideplatz und Waldungen. Aber je<lb/>
na&#x0364;her man jenem Sta&#x0364;dtchen kommt, je rauher wird die<lb/>
Luft, je rauher wird der Wind. Man kan auch <hi rendition="#fr">He-<lb/>
chingen</hi> als den Anfang des <hi rendition="#fr">Schwarzwaldes</hi> an&#x017F;ehen.<lb/>
Die Sprache i&#x017F;t &#x017F;chlecht, aber die Leute &#x017F;ind ho&#x0364;flich, wohl<lb/>
ge&#x017F;itteter, als man vermuthen &#x017F;ollte: ohne Zweifel, weil<lb/>
ein kleiner Hof, und etwas Handel hier i&#x017F;t. Gegen-<lb/>
wa&#x0364;rtig lagen etwa 40. Mann Soldaten in <hi rendition="#fr">Hechingen.</hi><lb/>
Das Land i&#x017F;t zur Jagd &#x017F;ehr bequem, und der Fu&#x0364;r&#x017F;t liebt<lb/>
&#x017F;ie. Es gibt hier auch wilde <hi rendition="#fr">Fa&#x017F;anen.</hi> Die Re&#x017F;idenz<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;o bergicht, und &#x017F;o &#x017F;chlecht gepfla&#x017F;tert, daß der Reiter<lb/>
immer fu&#x0364;r &#x017F;eines Pferdes Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e be&#x017F;orgt &#x017F;eyn muß. We-<lb/>
nig&#x017F;tens ko&#x0364;nnen &#x017F;ie die Hufei&#x017F;en darin verrei&#x017F;&#x017F;en, oder bre-<lb/>
chen. Aber die Bu&#x0364;rger &#x017F;ind es gewohnt, und klettern &#x017F;i-<lb/>
cher Tag und Nacht, wie Katzen auf den &#x017F;teilen Wegen<lb/>
herum. Sobald der gering&#x017F;te Regen fa&#x0364;llt, &#x017F;o hat man<lb/>
in <hi rendition="#fr">Hechingen</hi> kein gutes Wa&#x017F;&#x017F;er meht, es wird gleich<lb/>
tru&#x0364;be. Ich &#x017F;ah einen unvollendeten Kirchenbau, den<lb/>
der Fu&#x0364;r&#x017F;t, die Stadt, und einige Pfleger zu gros ange-<lb/>
fangen haben, daher i&#x017F;t der Bau jetzt ins Stecken gera-<lb/>
then. Der Bau&#x017F;tein i&#x017F;t ein weislichter Sand&#x017F;tein aus<lb/>
lauter feinen Quarzko&#x0364;rnern. Im Schlo&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ind etwa<lb/>
vierzig Bedienten: &#x017F;o &#x017F;agte man mir, wer aber in die&#x017F;er<lb/>
Zahl mit begriffen i&#x017F;t, oder nicht, weis ich nicht. Der<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;t ha&#x0364;lt einen Kanzler, zwei Hofra&#x0364;the, einen Gehei-<lb/>
menrath, der Finanzmini&#x017F;ter i&#x017F;t, und einige Sekreta&#x0364;re.<lb/>
Man hatte eben am O&#x017F;termontage, wiewohl es Feiertag<lb/>
war, Jahrmarkt. Dazu kamen viele Men&#x017F;chen und<lb/>
Vieh weit her, viele Kra&#x0364;mer von <hi rendition="#fr">Reutlingen, Ro-<lb/>
thenburg</hi> &#xA75B;c. Ueberhaupt i&#x017F;t hier eine &#x017F;tarke Pa&#x017F;&#x017F;age<lb/>
nach <hi rendition="#fr">Schaffhau&#x017F;en</hi> und <hi rendition="#fr">Zurzach</hi> &#xA75B;c. Au&#x017F;&#x017F;er dem<lb/>
Schlo&#x017F;&#x017F;e und dem Amthau&#x017F;e wird man das Sta&#x0364;dtchen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">freilich</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[252/0290] Feld, Wieſen, Weideplatz und Waldungen. Aber je naͤher man jenem Staͤdtchen kommt, je rauher wird die Luft, je rauher wird der Wind. Man kan auch He- chingen als den Anfang des Schwarzwaldes anſehen. Die Sprache iſt ſchlecht, aber die Leute ſind hoͤflich, wohl geſitteter, als man vermuthen ſollte: ohne Zweifel, weil ein kleiner Hof, und etwas Handel hier iſt. Gegen- waͤrtig lagen etwa 40. Mann Soldaten in Hechingen. Das Land iſt zur Jagd ſehr bequem, und der Fuͤrſt liebt ſie. Es gibt hier auch wilde Faſanen. Die Reſidenz iſt ſo bergicht, und ſo ſchlecht gepflaſtert, daß der Reiter immer fuͤr ſeines Pferdes Fuͤſſe beſorgt ſeyn muß. We- nigſtens koͤnnen ſie die Hufeiſen darin verreiſſen, oder bre- chen. Aber die Buͤrger ſind es gewohnt, und klettern ſi- cher Tag und Nacht, wie Katzen auf den ſteilen Wegen herum. Sobald der geringſte Regen faͤllt, ſo hat man in Hechingen kein gutes Waſſer meht, es wird gleich truͤbe. Ich ſah einen unvollendeten Kirchenbau, den der Fuͤrſt, die Stadt, und einige Pfleger zu gros ange- fangen haben, daher iſt der Bau jetzt ins Stecken gera- then. Der Bauſtein iſt ein weislichter Sandſtein aus lauter feinen Quarzkoͤrnern. Im Schloſſe ſind etwa vierzig Bedienten: ſo ſagte man mir, wer aber in dieſer Zahl mit begriffen iſt, oder nicht, weis ich nicht. Der Fuͤrſt haͤlt einen Kanzler, zwei Hofraͤthe, einen Gehei- menrath, der Finanzminiſter iſt, und einige Sekretaͤre. Man hatte eben am Oſtermontage, wiewohl es Feiertag war, Jahrmarkt. Dazu kamen viele Menſchen und Vieh weit her, viele Kraͤmer von Reutlingen, Ro- thenburg ꝛc. Ueberhaupt iſt hier eine ſtarke Paſſage nach Schaffhauſen und Zurzach ꝛc. Auſſer dem Schloſſe und dem Amthauſe wird man das Staͤdtchen freilich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/290
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/290>, abgerufen am 24.11.2024.