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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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ist, als möglich, und unten in den Kopf von einem Thier,
das ich für einen Ziegenbock erkennen muste, (aber es ist
mit Fleiß so schlecht als möglich gemacht) ausläuft.
Der gemeine niedrig@ Pöbel sieht das Unbild für Hus-
sens
Figur an, schlägt ihm eiserne Schuhnägel in den
Kopf, in die Augen, in die Brust, und speit voll heili-
gen Eifers die Aftergeburt des rasenden Unsinns an.
Das thut der Pöbel, aber wer stellte denn diesen schlech-
ten Fuß unter die schöne Kanzel? Ohne Absicht geschah
das doch schwerlich bei der letztern Verschönerung der Kir-
che? Oder, wenn das Fußgestelle auch alt ist, warum
wirft man nicht das scheusliche Denkmal der ehemaligen
Blindheit weg, und läßt den freiern Geist der Christus-
religion, der Liebe athmet, und auf seinem Fittich Liebe
mitbringt, seine Flügel ausbreiten, und alles umspannen?
Im Chor dieser Kirche, das alle mögliche Schönheiten
hat, stehen ausser der Orgel, die in der Kirche ist, noch
zwei kleine Orgeln gegen einander über an den Seiten.
Ich sah auch da die kostbaren Altäre von Silber, die
fast ganz vergoldet sind, und jetzt in den Feiertagen ohne
Ueberzug gezeigt wurden. Ferner einige Kruzifixe und
Leuchter, die einen Zentner, und gar viele, die einen hal-
ben Zentner schwer, und ganz von Silber waren. Das
sind Stiftungen von den vorigen Bischöfen. Das gan-
ze Chor ist neugemacht, und kündigt sich mit vieler Ma-
jestät an.

Das Dominikanerkloster steht auf einer anmu-
thigen Insel, die der Rhein macht, hat einen hübschen
Garten, und nicht weit davon steht ein Haus mit einem
Krahne, um die ankommenden Schiffe ans Land zu zie-
hen. Dominikaner möchte ich eben nicht werden, aber

da

iſt, als moͤglich, und unten in den Kopf von einem Thier,
das ich fuͤr einen Ziegenbock erkennen muſte, (aber es iſt
mit Fleiß ſo ſchlecht als moͤglich gemacht) auslaͤuft.
Der gemeine niedrigə Poͤbel ſieht das Unbild fuͤr Huſ-
ſens
Figur an, ſchlaͤgt ihm eiſerne Schuhnaͤgel in den
Kopf, in die Augen, in die Bruſt, und ſpeit voll heili-
gen Eifers die Aftergeburt des raſenden Unſinns an.
Das thut der Poͤbel, aber wer ſtellte denn dieſen ſchlech-
ten Fuß unter die ſchoͤne Kanzel? Ohne Abſicht geſchah
das doch ſchwerlich bei der letztern Verſchoͤnerung der Kir-
che? Oder, wenn das Fußgeſtelle auch alt iſt, warum
wirft man nicht das ſcheusliche Denkmal der ehemaligen
Blindheit weg, und laͤßt den freiern Geiſt der Chriſtus-
religion, der Liebe athmet, und auf ſeinem Fittich Liebe
mitbringt, ſeine Fluͤgel ausbreiten, und alles umſpannen?
Im Chor dieſer Kirche, das alle moͤgliche Schoͤnheiten
hat, ſtehen auſſer der Orgel, die in der Kirche iſt, noch
zwei kleine Orgeln gegen einander uͤber an den Seiten.
Ich ſah auch da die koſtbaren Altaͤre von Silber, die
faſt ganz vergoldet ſind, und jetzt in den Feiertagen ohne
Ueberzug gezeigt wurden. Ferner einige Kruzifixe und
Leuchter, die einen Zentner, und gar viele, die einen hal-
ben Zentner ſchwer, und ganz von Silber waren. Das
ſind Stiftungen von den vorigen Biſchoͤfen. Das gan-
ze Chor iſt neugemacht, und kuͤndigt ſich mit vieler Ma-
jeſtaͤt an.

Das Dominikanerkloſter ſteht auf einer anmu-
thigen Inſel, die der Rhein macht, hat einen huͤbſchen
Garten, und nicht weit davon ſteht ein Haus mit einem
Krahne, um die ankommenden Schiffe ans Land zu zie-
hen. Dominikaner moͤchte ich eben nicht werden, aber

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[268/0306] iſt, als moͤglich, und unten in den Kopf von einem Thier, das ich fuͤr einen Ziegenbock erkennen muſte, (aber es iſt mit Fleiß ſo ſchlecht als moͤglich gemacht) auslaͤuft. Der gemeine niedrigə Poͤbel ſieht das Unbild fuͤr Huſ- ſens Figur an, ſchlaͤgt ihm eiſerne Schuhnaͤgel in den Kopf, in die Augen, in die Bruſt, und ſpeit voll heili- gen Eifers die Aftergeburt des raſenden Unſinns an. Das thut der Poͤbel, aber wer ſtellte denn dieſen ſchlech- ten Fuß unter die ſchoͤne Kanzel? Ohne Abſicht geſchah das doch ſchwerlich bei der letztern Verſchoͤnerung der Kir- che? Oder, wenn das Fußgeſtelle auch alt iſt, warum wirft man nicht das ſcheusliche Denkmal der ehemaligen Blindheit weg, und laͤßt den freiern Geiſt der Chriſtus- religion, der Liebe athmet, und auf ſeinem Fittich Liebe mitbringt, ſeine Fluͤgel ausbreiten, und alles umſpannen? Im Chor dieſer Kirche, das alle moͤgliche Schoͤnheiten hat, ſtehen auſſer der Orgel, die in der Kirche iſt, noch zwei kleine Orgeln gegen einander uͤber an den Seiten. Ich ſah auch da die koſtbaren Altaͤre von Silber, die faſt ganz vergoldet ſind, und jetzt in den Feiertagen ohne Ueberzug gezeigt wurden. Ferner einige Kruzifixe und Leuchter, die einen Zentner, und gar viele, die einen hal- ben Zentner ſchwer, und ganz von Silber waren. Das ſind Stiftungen von den vorigen Biſchoͤfen. Das gan- ze Chor iſt neugemacht, und kuͤndigt ſich mit vieler Ma- jeſtaͤt an. Das Dominikanerkloſter ſteht auf einer anmu- thigen Inſel, die der Rhein macht, hat einen huͤbſchen Garten, und nicht weit davon ſteht ein Haus mit einem Krahne, um die ankommenden Schiffe ans Land zu zie- hen. Dominikaner moͤchte ich eben nicht werden, aber da

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/306>, abgerufen am 24.11.2024.