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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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Schrecklich ermüdend, gefährlich und mühsam für Men-
schen und Thiere sind öfters die Wege in diesen bergigten
Gegenden. Das Colchicum autumnale L. oder
die Zeitlose blühte schon in der Mitte des hohen Berges;
der Arzt in Müllheim versicherte mir aber, daß sie schon
vor drei Wochen geblüht habe. Schliessen Sie daraus
auf die Höhe dieser Berge. Im platten Lande bei uns
blüht die Zeitlose öfters erst im Dezember, auch wohl
erst um Weinachten. Als wir weiter hinkamen, fanden
wir an den Felsen das herrliche Blümchen, Euphrasia
officinalis L.
War es gleich für uns kein besondrer
Augentrost, so war es uns doch eine angenehme Augen-
weide, und ich habe lange ein kleines Sträuschen davon
auf dem Hute getragen. Wir hatten endlich die Höhe
erstiegen und kamen gegen Mittag auf einen gebahnten
Weg, der uns in die Probstei führte. Zum Unglück
für uns war der P. Probst nicht zu Hause, und ich verlor
also das Vergnügen, einen geschickten und fleissigstudi-
renden Mann, der sein Otium auf die edelste Art an-
wendet, kennen zu lernen. Im Katalogus der sämtli-
chen Glieder des Stifts St. Blasien, den ich nachher
aus der gnädigen Hand des Fürsten erhalten habe, heißt
dieser würdige Mann: P. Fintanus Linder, Zellensis
Acron.
Er hat bei Wohlern in Ulm eine hebräi-
sche Grammatik
drucken lassen, und arbeitet gegenwär-
tig, wie man mir sagt, an einem noch schwerern Werke.
Seiner Abwesenheit ungeachtet wurden wir von dem
Hausmeister mit aller Höflichkeit empfangen und so be-
wirthet, daß wir den Schweis, den wir während dem
Bergsteigen vergossen hatten, nicht bereuten. Wir gin-
gen erst auf der Probstei herum, und nahmen alles in
Augenschein. Ein kleiner niedlicher Garten ist um das

Haus

Schrecklich ermuͤdend, gefaͤhrlich und muͤhſam fuͤr Men-
ſchen und Thiere ſind oͤfters die Wege in dieſen bergigten
Gegenden. Das Colchicum autumnale L. oder
die Zeitloſe bluͤhte ſchon in der Mitte des hohen Berges;
der Arzt in Muͤllheim verſicherte mir aber, daß ſie ſchon
vor drei Wochen gebluͤht habe. Schlieſſen Sie daraus
auf die Hoͤhe dieſer Berge. Im platten Lande bei uns
bluͤht die Zeitloſe oͤfters erſt im Dezember, auch wohl
erſt um Weinachten. Als wir weiter hinkamen, fanden
wir an den Felſen das herrliche Bluͤmchen, Euphraſia
officinalis L.
War es gleich fuͤr uns kein beſondrer
Augentroſt, ſo war es uns doch eine angenehme Augen-
weide, und ich habe lange ein kleines Straͤuschen davon
auf dem Hute getragen. Wir hatten endlich die Hoͤhe
erſtiegen und kamen gegen Mittag auf einen gebahnten
Weg, der uns in die Probſtei fuͤhrte. Zum Ungluͤck
fuͤr uns war der P. Probſt nicht zu Hauſe, und ich verlor
alſo das Vergnuͤgen, einen geſchickten und fleiſſigſtudi-
renden Mann, der ſein Otium auf die edelſte Art an-
wendet, kennen zu lernen. Im Katalogus der ſaͤmtli-
chen Glieder des Stifts St. Blaſien, den ich nachher
aus der gnaͤdigen Hand des Fuͤrſten erhalten habe, heißt
dieſer wuͤrdige Mann: P. Fintanus Linder, Zellenſis
Acron.
Er hat bei Wohlern in Ulm eine hebraͤi-
ſche Grammatik
drucken laſſen, und arbeitet gegenwaͤr-
tig, wie man mir ſagt, an einem noch ſchwerern Werke.
Seiner Abweſenheit ungeachtet wurden wir von dem
Hausmeiſter mit aller Hoͤflichkeit empfangen und ſo be-
wirthet, daß wir den Schweis, den wir waͤhrend dem
Bergſteigen vergoſſen hatten, nicht bereuten. Wir gin-
gen erſt auf der Probſtei herum, und nahmen alles in
Augenſchein. Ein kleiner niedlicher Garten iſt um das

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[372/0410] Schrecklich ermuͤdend, gefaͤhrlich und muͤhſam fuͤr Men- ſchen und Thiere ſind oͤfters die Wege in dieſen bergigten Gegenden. Das Colchicum autumnale L. oder die Zeitloſe bluͤhte ſchon in der Mitte des hohen Berges; der Arzt in Muͤllheim verſicherte mir aber, daß ſie ſchon vor drei Wochen gebluͤht habe. Schlieſſen Sie daraus auf die Hoͤhe dieſer Berge. Im platten Lande bei uns bluͤht die Zeitloſe oͤfters erſt im Dezember, auch wohl erſt um Weinachten. Als wir weiter hinkamen, fanden wir an den Felſen das herrliche Bluͤmchen, Euphraſia officinalis L. War es gleich fuͤr uns kein beſondrer Augentroſt, ſo war es uns doch eine angenehme Augen- weide, und ich habe lange ein kleines Straͤuschen davon auf dem Hute getragen. Wir hatten endlich die Hoͤhe erſtiegen und kamen gegen Mittag auf einen gebahnten Weg, der uns in die Probſtei fuͤhrte. Zum Ungluͤck fuͤr uns war der P. Probſt nicht zu Hauſe, und ich verlor alſo das Vergnuͤgen, einen geſchickten und fleiſſigſtudi- renden Mann, der ſein Otium auf die edelſte Art an- wendet, kennen zu lernen. Im Katalogus der ſaͤmtli- chen Glieder des Stifts St. Blaſien, den ich nachher aus der gnaͤdigen Hand des Fuͤrſten erhalten habe, heißt dieſer wuͤrdige Mann: P. Fintanus Linder, Zellenſis Acron. Er hat bei Wohlern in Ulm eine hebraͤi- ſche Grammatik drucken laſſen, und arbeitet gegenwaͤr- tig, wie man mir ſagt, an einem noch ſchwerern Werke. Seiner Abweſenheit ungeachtet wurden wir von dem Hausmeiſter mit aller Hoͤflichkeit empfangen und ſo be- wirthet, daß wir den Schweis, den wir waͤhrend dem Bergſteigen vergoſſen hatten, nicht bereuten. Wir gin- gen erſt auf der Probſtei herum, und nahmen alles in Augenſchein. Ein kleiner niedlicher Garten iſt um das Haus

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/410>, abgerufen am 22.11.2024.