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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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Schloßgarten ansehen. Ehe der Abend kam, fuhren
wir beide hinten am Garten aus, um noch einen kleinen
Spazierweg zu machen nach einer Cremitage, die der Hr.
Oberforstmeister an der Strasse, zwischen Candern und
Sizenkirch angelegt hat, und ich muß gestehen, ich habe
eine schöne, sehr passende, und angenehme Anlage gese-
hen. Auf einem wohl zwanzig Schuh hohen Felsen, der
aus lauter spitzigen und dreieckigten Steinen von Natur
selber fast Pyramidenförmig aufgeführt ist, auf einem
Felsen, den der Oberweginspektor oben weggesprengt
hatte, steht nun oben auf der Spitze eine sehr wohl gera-
thene, aus Holz geschnittene und mit einem Firniß über-
zogene Gemse. Auf dem Kopfe trägt sie ein natürliches
Paar Gemsenhörner, die nicht wenig dazu beitragen, daß
man in der Ferne glaubt, eine natürliche Gemse zu sehen.
An einem Eichenbaum, der darneben steht, hängt eine
Sonnenuhr. In einem schmalen hölzernen Kasten
darneben ist ein Barometer angebracht. Weil ihn der
Muthwille der Unwissenden oft verdorben hat, lies ihn
der Besitzer mit Drath einflechten. Ein natürlicher
Vortheil dabei ist noch das Echo, das gegenüber im Wal-
de gar vortreflich schallt, wenn der Jäger bei dem Felsen
steht, und auf dem Horn bläst. Der Felsen, der Gem-
sengrund, der Eichbaum mit der Sonnenuhr, und der
Barometerkasten sind mit Platanus, mit Eschen,
Malven, Balsaminen
etc. bewachsen. An andern
Orten ist alles mit einem grossen, starken Waldgras, das
lange Stengel hat, überzogen. In der Mitte stehen ei-
nige Tische und Bänke, damit man mit guten Freunden
frölich seyn kan. Ueberhaupt ist die ganze Anlage im
Geschmack der neuesten Englischen Gärten, und es wäre
gewiß ewig Schade gewesen, wenn der Felsen zerstört

worden

Schloßgarten anſehen. Ehe der Abend kam, fuhren
wir beide hinten am Garten aus, um noch einen kleinen
Spazierweg zu machen nach einer Cremitage, die der Hr.
Oberforſtmeiſter an der Straſſe, zwiſchen Candern und
Sizenkirch angelegt hat, und ich muß geſtehen, ich habe
eine ſchoͤne, ſehr paſſende, und angenehme Anlage geſe-
hen. Auf einem wohl zwanzig Schuh hohen Felſen, der
aus lauter ſpitzigen und dreieckigten Steinen von Natur
ſelber faſt Pyramidenfoͤrmig aufgefuͤhrt iſt, auf einem
Felſen, den der Oberweginſpektor oben weggeſprengt
hatte, ſteht nun oben auf der Spitze eine ſehr wohl gera-
thene, aus Holz geſchnittene und mit einem Firniß uͤber-
zogene Gemſe. Auf dem Kopfe traͤgt ſie ein natuͤrliches
Paar Gemſenhoͤrner, die nicht wenig dazu beitragen, daß
man in der Ferne glaubt, eine natuͤrliche Gemſe zu ſehen.
An einem Eichenbaum, der darneben ſteht, haͤngt eine
Sonnenuhr. In einem ſchmalen hoͤlzernen Kaſten
darneben iſt ein Barometer angebracht. Weil ihn der
Muthwille der Unwiſſenden oft verdorben hat, lies ihn
der Beſitzer mit Drath einflechten. Ein natuͤrlicher
Vortheil dabei iſt noch das Echo, das gegenuͤber im Wal-
de gar vortreflich ſchallt, wenn der Jaͤger bei dem Felſen
ſteht, und auf dem Horn blaͤſt. Der Felſen, der Gem-
ſengrund, der Eichbaum mit der Sonnenuhr, und der
Barometerkaſten ſind mit Platanus, mit Eſchen,
Malven, Balſaminen
ꝛc. bewachſen. An andern
Orten iſt alles mit einem groſſen, ſtarken Waldgras, das
lange Stengel hat, uͤberzogen. In der Mitte ſtehen ei-
nige Tiſche und Baͤnke, damit man mit guten Freunden
froͤlich ſeyn kan. Ueberhaupt iſt die ganze Anlage im
Geſchmack der neueſten Engliſchen Gaͤrten, und es waͤre
gewiß ewig Schade geweſen, wenn der Felſen zerſtoͤrt

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[376/0414] Schloßgarten anſehen. Ehe der Abend kam, fuhren wir beide hinten am Garten aus, um noch einen kleinen Spazierweg zu machen nach einer Cremitage, die der Hr. Oberforſtmeiſter an der Straſſe, zwiſchen Candern und Sizenkirch angelegt hat, und ich muß geſtehen, ich habe eine ſchoͤne, ſehr paſſende, und angenehme Anlage geſe- hen. Auf einem wohl zwanzig Schuh hohen Felſen, der aus lauter ſpitzigen und dreieckigten Steinen von Natur ſelber faſt Pyramidenfoͤrmig aufgefuͤhrt iſt, auf einem Felſen, den der Oberweginſpektor oben weggeſprengt hatte, ſteht nun oben auf der Spitze eine ſehr wohl gera- thene, aus Holz geſchnittene und mit einem Firniß uͤber- zogene Gemſe. Auf dem Kopfe traͤgt ſie ein natuͤrliches Paar Gemſenhoͤrner, die nicht wenig dazu beitragen, daß man in der Ferne glaubt, eine natuͤrliche Gemſe zu ſehen. An einem Eichenbaum, der darneben ſteht, haͤngt eine Sonnenuhr. In einem ſchmalen hoͤlzernen Kaſten darneben iſt ein Barometer angebracht. Weil ihn der Muthwille der Unwiſſenden oft verdorben hat, lies ihn der Beſitzer mit Drath einflechten. Ein natuͤrlicher Vortheil dabei iſt noch das Echo, das gegenuͤber im Wal- de gar vortreflich ſchallt, wenn der Jaͤger bei dem Felſen ſteht, und auf dem Horn blaͤſt. Der Felſen, der Gem- ſengrund, der Eichbaum mit der Sonnenuhr, und der Barometerkaſten ſind mit Platanus, mit Eſchen, Malven, Balſaminen ꝛc. bewachſen. An andern Orten iſt alles mit einem groſſen, ſtarken Waldgras, das lange Stengel hat, uͤberzogen. In der Mitte ſtehen ei- nige Tiſche und Baͤnke, damit man mit guten Freunden froͤlich ſeyn kan. Ueberhaupt iſt die ganze Anlage im Geſchmack der neueſten Engliſchen Gaͤrten, und es waͤre gewiß ewig Schade geweſen, wenn der Felſen zerſtoͤrt worden

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/414>, abgerufen am 22.11.2024.