lien, die er durch die Gnade der verstorbenen Kaiserin er- halten hat. Beide sind sehr gros, sehr reich; eins ist ganz mit Smaragden, das andre ganz mit Diamanten besetzt. An beiden hängen auch reiche und gestickte Bän- der. Ihro Majestät liessen ihm, als Sie das letzte schenkten, sogar die Wahl unter mehrern. Da er, wenn er will, in einem eignen Zimmer neben seinen Wohn- und Visitenzimmern Messe lesen kan, so bewahrt er auch dort ein kostbares Meßgewand, an welchem die verstor- bene Kaiserin ebenfalls Selbst gearbeitet haben. Man weis, daß Ihro Höchstseel. Majestät eben so geschickt, als fleissig in allen weiblichen Künsten gewesen sind, und der Fürst von St. Blasien ist nicht der einzige, auch viele Evangelische Gesandten und Agenten haben mir versichert, daß die Kaiserin auch während der Unterredung mit ihnen immer ein Nähzeug, oder sonst eine weibliche Arbeit un- ter den Händen gehabt habe. Ist es nicht Pflicht, auch noch nach dem Tode, recht oft solche schöne und edle Ka- raktere zu rühmen, damit so viele andre minder wichtige Personen des weiblichen Geschlechts daran lernen mögen, was ihre Pflicht ist, und wodurch sie sich wahren Ruhm erwerben können. Seit einiger Zeit fangen viele Da- men, die vielleicht sonst die ganze Woche nicht viel arbei- ten, die sonderbare Gewohnheit an, am Sonntage in Gesellschaften Filet zu stricken, oder mit andern spieleri- schen Arbeiten ans Fenster zu treten, und sich dadurch vom gemeinen Volk, das in die Kirche geht, zu unter- scheiden. Muß der Weise nicht öfters lächeln, oder spot- ten, wenn er solche seltsame Grillen unter jenem wunder- baren Geschlecht herumschleichen sieht?
Die verstorbene Kaiserin belohnte auf diese Art die seltenen Verdienste des gelehrten und menschenfreundlichen
Fürsten
lien, die er durch die Gnade der verſtorbenen Kaiſerin er- halten hat. Beide ſind ſehr gros, ſehr reich; eins iſt ganz mit Smaragden, das andre ganz mit Diamanten beſetzt. An beiden haͤngen auch reiche und geſtickte Baͤn- der. Ihro Majeſtaͤt lieſſen ihm, als Sie das letzte ſchenkten, ſogar die Wahl unter mehrern. Da er, wenn er will, in einem eignen Zimmer neben ſeinen Wohn- und Viſitenzimmern Meſſe leſen kan, ſo bewahrt er auch dort ein koſtbares Meßgewand, an welchem die verſtor- bene Kaiſerin ebenfalls Selbſt gearbeitet haben. Man weis, daß Ihro Hoͤchſtſeel. Majeſtaͤt eben ſo geſchickt, als fleiſſig in allen weiblichen Kuͤnſten geweſen ſind, und der Fuͤrſt von St. Blaſien iſt nicht der einzige, auch viele Evangeliſche Geſandten und Agenten haben mir verſichert, daß die Kaiſerin auch waͤhrend der Unterredung mit ihnen immer ein Naͤhzeug, oder ſonſt eine weibliche Arbeit un- ter den Haͤnden gehabt habe. Iſt es nicht Pflicht, auch noch nach dem Tode, recht oft ſolche ſchoͤne und edle Ka- raktere zu ruͤhmen, damit ſo viele andre minder wichtige Perſonen des weiblichen Geſchlechts daran lernen moͤgen, was ihre Pflicht iſt, und wodurch ſie ſich wahren Ruhm erwerben koͤnnen. Seit einiger Zeit fangen viele Da- men, die vielleicht ſonſt die ganze Woche nicht viel arbei- ten, die ſonderbare Gewohnheit an, am Sonntage in Geſellſchaften Filet zu ſtricken, oder mit andern ſpieleri- ſchen Arbeiten ans Fenſter zu treten, und ſich dadurch vom gemeinen Volk, das in die Kirche geht, zu unter- ſcheiden. Muß der Weiſe nicht oͤfters laͤcheln, oder ſpot- ten, wenn er ſolche ſeltſame Grillen unter jenem wunder- baren Geſchlecht herumſchleichen ſieht?
Die verſtorbene Kaiſerin belohnte auf dieſe Art die ſeltenen Verdienſte des gelehrten und menſchenfreundlichen
Fuͤrſten
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0438"n="400"/><hirendition="#fr">lien,</hi> die er durch die Gnade der verſtorbenen Kaiſerin er-<lb/>
halten hat. Beide ſind ſehr gros, ſehr reich; eins iſt<lb/>
ganz mit Smaragden, das andre ganz mit Diamanten<lb/>
beſetzt. An beiden haͤngen auch reiche und geſtickte Baͤn-<lb/>
der. Ihro Majeſtaͤt lieſſen ihm, als Sie das letzte<lb/>ſchenkten, ſogar die Wahl unter mehrern. Da er, wenn<lb/>
er will, in einem eignen Zimmer neben ſeinen Wohn-<lb/>
und Viſitenzimmern Meſſe leſen kan, ſo bewahrt er auch<lb/>
dort ein koſtbares Meßgewand, an welchem die verſtor-<lb/>
bene Kaiſerin ebenfalls Selbſt gearbeitet haben. Man<lb/>
weis, daß Ihro Hoͤchſtſeel. Majeſtaͤt eben ſo geſchickt, als<lb/>
fleiſſig in allen weiblichen Kuͤnſten geweſen ſind, und der<lb/>
Fuͤrſt von <hirendition="#fr">St. Blaſien</hi> iſt nicht der einzige, auch viele<lb/>
Evangeliſche Geſandten und Agenten haben mir verſichert,<lb/>
daß die Kaiſerin auch waͤhrend der Unterredung mit ihnen<lb/>
immer ein Naͤhzeug, oder ſonſt eine weibliche Arbeit un-<lb/>
ter den Haͤnden gehabt habe. Iſt es nicht Pflicht, auch<lb/>
noch nach dem Tode, recht oft ſolche ſchoͤne und edle Ka-<lb/>
raktere zu ruͤhmen, damit ſo viele andre minder wichtige<lb/>
Perſonen des weiblichen Geſchlechts daran lernen moͤgen,<lb/>
was ihre Pflicht iſt, und wodurch ſie ſich wahren Ruhm<lb/>
erwerben koͤnnen. Seit einiger Zeit fangen viele Da-<lb/>
men, die vielleicht ſonſt die ganze Woche nicht viel arbei-<lb/>
ten, die ſonderbare Gewohnheit an, am Sonntage in<lb/>
Geſellſchaften Filet zu ſtricken, oder mit andern ſpieleri-<lb/>ſchen Arbeiten ans Fenſter zu treten, und ſich dadurch<lb/>
vom gemeinen Volk, das in die Kirche geht, zu unter-<lb/>ſcheiden. Muß der Weiſe nicht oͤfters laͤcheln, oder ſpot-<lb/>
ten, wenn er ſolche ſeltſame Grillen unter jenem wunder-<lb/>
baren Geſchlecht herumſchleichen ſieht?</p><lb/><p>Die verſtorbene Kaiſerin belohnte auf dieſe Art die<lb/>ſeltenen Verdienſte des gelehrten und menſchenfreundlichen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Fuͤrſten</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[400/0438]
lien, die er durch die Gnade der verſtorbenen Kaiſerin er-
halten hat. Beide ſind ſehr gros, ſehr reich; eins iſt
ganz mit Smaragden, das andre ganz mit Diamanten
beſetzt. An beiden haͤngen auch reiche und geſtickte Baͤn-
der. Ihro Majeſtaͤt lieſſen ihm, als Sie das letzte
ſchenkten, ſogar die Wahl unter mehrern. Da er, wenn
er will, in einem eignen Zimmer neben ſeinen Wohn-
und Viſitenzimmern Meſſe leſen kan, ſo bewahrt er auch
dort ein koſtbares Meßgewand, an welchem die verſtor-
bene Kaiſerin ebenfalls Selbſt gearbeitet haben. Man
weis, daß Ihro Hoͤchſtſeel. Majeſtaͤt eben ſo geſchickt, als
fleiſſig in allen weiblichen Kuͤnſten geweſen ſind, und der
Fuͤrſt von St. Blaſien iſt nicht der einzige, auch viele
Evangeliſche Geſandten und Agenten haben mir verſichert,
daß die Kaiſerin auch waͤhrend der Unterredung mit ihnen
immer ein Naͤhzeug, oder ſonſt eine weibliche Arbeit un-
ter den Haͤnden gehabt habe. Iſt es nicht Pflicht, auch
noch nach dem Tode, recht oft ſolche ſchoͤne und edle Ka-
raktere zu ruͤhmen, damit ſo viele andre minder wichtige
Perſonen des weiblichen Geſchlechts daran lernen moͤgen,
was ihre Pflicht iſt, und wodurch ſie ſich wahren Ruhm
erwerben koͤnnen. Seit einiger Zeit fangen viele Da-
men, die vielleicht ſonſt die ganze Woche nicht viel arbei-
ten, die ſonderbare Gewohnheit an, am Sonntage in
Geſellſchaften Filet zu ſtricken, oder mit andern ſpieleri-
ſchen Arbeiten ans Fenſter zu treten, und ſich dadurch
vom gemeinen Volk, das in die Kirche geht, zu unter-
ſcheiden. Muß der Weiſe nicht oͤfters laͤcheln, oder ſpot-
ten, wenn er ſolche ſeltſame Grillen unter jenem wunder-
baren Geſchlecht herumſchleichen ſieht?
Die verſtorbene Kaiſerin belohnte auf dieſe Art die
ſeltenen Verdienſte des gelehrten und menſchenfreundlichen
Fuͤrſten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/438>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.